Wirtschaft, Bürokratieabbau, Verteidigung und Rüstung – das sind laut CFOs und Treasurern die drängendsten Themen für die neue Bundesregierung, wie eine Umfrage von FINANCE kurz nach der Bundestagswahl im Februar zeigte. Nach der Episode mit dem Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck wünschen sich viele Finanzentscheider mehr Kompetenz, um die deutsche Wirtschaft im dritten schwierigen Jahr zu stabilisieren und nach vorne zu bringen.
Der künftige Bundeskanzler Friedrich Merz hat nun sein Kabinett vorgelegt und will wirtschaftsnahe Minister berufen. So leitet etwa die designierte Wirtschaftsministerin Katherina Reiche derzeit noch die E.on-Tochter Westenergie. Sie war zuvor Hauptgeschäftsführerin des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU) und verfügt über lange Erfahrung in der Politik als ehemaliges Mitglied des Bundestages zwischen 1998 und 2015.
Ceconomy-CEO und Bahn-CFO in die Politik
Noch keine Erfahrung in der Politik gesammelt hat hingegen der designierte Digitalminister, der aber auch aus der Wirtschaft kommt. Karsten Wildberger ist CEO bei Ceconomy, besser bekannt für Mediamarkt und Saturn. Skeptiker werden sagen, dass diese Elektronikeinzelhandelsketten nicht gerade für überbordende Digitalisierung stehen. So wurden sie von Plattformen wie Amazon überholt, während Media Saturn noch um eine Online-Strategie rang.
Hinzu kommt: Mit Bahn-CFO Levin Holle soll Merz noch einen Chefberater ins Kanzleramt berufen wollen, der ebenfalls über Finanz-Know-how verfügt. Für den Finanzmanager wäre die neue Position im künftigen Kanzleramt eine Rückkehr in die Politik. Von 2012 an hatte Holle bereits sechs Jahre als Leiter der Abteilung Finanzmarktpolitik im Bundesministerium der Finanzen fungiert.
SPD-Minister folgen Anfang Mai
Während CDU und CSU bereits Minister benannt haben, lässt die SPD ihre Mitglieder noch über die neuen Köpfe abstimmen. Deshalb werden die Sozialdemokraten erst am 5. Mai ihre Minister bekannt geben. Sie dürfen immerhin sieben Männer und Frauen bestimmen – relativ viel für eine Partei, die auf den historisch niedrigen Wert von 16 Prozent geschrumpft ist.
Wohl nicht dem neuen Kabinett angehören wird Jörg Kukies. Der ehemalige Goldman-Sachs-Banker und derzeitige Finanzminister (nach dem Abgang von Christian Lindner) soll nicht vorgesehen sein.
SPD verschenkt Chance bei Jörg Kukies
Damit verschenkt die SPD eine Chance: Kukies stand für ökonomischen Sachverstand. Dieser führte etwa dazu, dass der Staat bei der Lufthansa-Rettung nicht Geld versenkte, sondern auch noch Gewinne machte, während die Airline wieder stolz fliegt. Eine Win-win-Situation. Auch bei Gazprom Germania (heute Sefe) profilierte sich Kukies dadurch, dass er das komplexe Firmengeflecht durchschaute und eine Lösung erarbeitete, die sich bewährte.
Kukies gilt als einer, der für ökonomische Vernunft argumentiert, statt sich in Umverteilungsorgien zu verlieren. Die soziale Brille setzt er dabei dennoch auf, war er doch schon für die SPD-Jugendorganisation Jusos aktiv. Die SPD vergibt hier die Chance, einen profilierten Finanzpolitiker zu benennen und damit den Wirtschaftskennern der CDU etwas entgegenzustellen.
Markus Dentz ist Chefredakteur von FINANCE und der Fachzeitschrift DerTreasurer. Seine journalistischen Schwerpunktthemen sind Unternehmensfinanzierung, Restrukturierung und Treasury. Nach dem Studium und dem Volontariat beim F.A.Z.-Institut stieß Dentz zur FRANKFURT BUSINESS MEDIA GmbH, einer Tochter der F.A.Z.-Verlagsgruppe und Herausgeberin von DerTreasurer und FINANCE. Mehrfach wurden seine Artikel aus den Bereichen Private Equity und M&A mit Journalistenpreisen ausgezeichnet.
