Commerzbank wollte Kreditvergabe an Wirecard beenden

Der Wirecard-Ausschuss im Deutschen Bundestag hat wieder getagt. Neben dem ehemaligen Commerzbank-Chef Martin Zielke waren als Zeugen auch Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing, Klaus Michalak (Vorsitzender der Geschäftsführung der KfW IPEX Bank), Wolfgang Fink (Goldman Sachs) sowie Marcus Kramer (Chief Risk Officer LB Bayern) und Markus Chromik (Risikovorstand der Commerzbank) geladen. Sie werden derzeit persönlich vernommen. Eine Ausnahme ist Rainer Neske. Der Vorstandsvorsitzender der LBBW sollte ebenfalls seine Aufwartung in Berlin machen, wird jetzt aber schriftlich befragt. Die gestrige Befragung dauerte bis tief in die Nacht und wird am heutigen Freitag fortgesetzt. Augenmerk auf Commerzbank bei Wirecard-Ausschuss Einige der parlamentarischen Aufklärer legten schon im Vorfeld ein Augenmerk auf die Rolle der Commerzbank. Die zweitgrößte deutsche Bank, an der der Staat derzeit 15,6 Prozent hält, hat im Wirecard-Skandal keine gute Figur gemacht. Neben einer dreistelligen Millionen-Abschreibung geriet Heike Pauls in die Kritik. Die mittlerweile abberufene Coba-Analystin soll bis zuletzt durch ihre Analysen die Werbetrommel für Wirecard gerührt haben. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ enthüllte vor kurzem sogar, dass die Finanzmarktexpertin Wirecard mit Informationen über kritische Investoren versorgt haben soll. Pauls war aber nicht vorgeladen, dafür sprach ihr ehemaliger CEO, Martin Zielke. Zielke: Commerzbank plante Soft Exit bei Wirecard Der ehemalige Bankchef erläuterte zu bereits vorgerückter Stunde, dass er erstmals 2018 auf Wirecard aufmerksam geworden sei. „Im engeren Sinne“ sei er selbst aber in seiner Funktion als Commerzbank-Chef nicht in die Kreditvergabe an das Unternehmen involviert gewesen. Ab 2019 hätten die Vorstandsmitglieder Michael Reuter, Marcus Chromik und CFOBettina Orlopp für eine Beendigung der Geschäftsbeziehung mit Wirecard plädiert und einen Soft Exit „vorangetrieben“. Als Grund für den möglichen Cut nannte Martin Zielke „vor allem Compliance-Gründe“. Bei einem Treffen Ende 2019 mit Wirecard-Chef Markus Braun stellte dieser seine strategischen Ziele vor. Über ein absehbares Ende der Geschäftsbeziehung habe sich Braun aber „mit keinem Wort geäußert“. Für die Commerzbank kam der Ausstieg zu spät – Ende Juni 2020 brach Wirecard zusammen. Zuvor stellte die Commerzbank dem Finanzdienstleister eine Kreditlinie in Höhe von über 200 Millionen Euro mit einer Laufzeit bis 2024 zu Verfügung. Davon musste das Finanzinstitut 175 Millionen Euro im zweiten Quartal 2020 abschreiben. Was haben Kukies und Commerzbank besprochen? Für Spekulationen sorgte darüber hinaus ein Treffen zwischen Staatssekretär Jörg Kukies und der Commerzbank-Spitze noch kurz vor dem Insolvenzantrag von Wirecard. Auch darüber wurde nun im Untersuchungsausschuss gesprochen. Entweder habe der Spitzenbeamte aus dem Finanzministerium die Commerzbank vor dem Zusammenbruch des Finanzdienstleisters „warnen wollen“, oder er habe sie aufgefordert, die „Füße still zu halten“, vermutete ein Ausschussmitglied in einem Hintergrundgespräch mit FINANCE. Nach Aussage von Risikovorstand Markus Chromik sei der Gesprächsanlass von Kukies aber ein anderer gewesen. Chromik zufolge sei der Anlass für das Telefonat mit dem Spitzenbeamten gewesen, dass chinesische Unternehmen bei Wirecard einsteigen könnten. Damit hätten Investoren deutsche Technologie abgreifen können, so die Sorge. Wie konkret der Zugriff durch chinesische Firmen tatschlich war, konnte der Ausschuss nicht eruieren. BayernLB war offenbar schon früh skeptisch Ausgerechnet dem kleinsten der engagierten deutschen Finanzinstitute, die Geld in Wirecard pumpten, war der märchenhafte Aufstieg des Unternehmens aus München-Aschheim nicht ganz geheuer: Der BayernLB. Die Landesbank lieh dem Finanzdienstleister in der Vergangenheit zwar ebenfalls knapp 50 Millionen Euro. Aber als es 2018 um die dreifache Summe ging, schauten die bayrischen Banker genauer hin. Auf Misstrauen stieß vor allem die komplexe Konzernstruktur, wodurch es immer wieder schwierig geworden sei, die einzelnen Jahreszahlen miteinander zu vergleichen. „Ich habe nie verstanden, warum Wirecard unheimlich hohe Margen hatte, während entsprechende Risikokosten nicht angefallen sind“, sagte Marcus Kramer, der Risikovorstand der BayernLB, vor dem Ausschuss. Nicht nur die Zahlen hätten nicht zueinander gepasst, auch die Fragen, die Kramer der Bank stellte, konnten Wirecards Finanzspezialisten nicht schlüssig beantworten. „Einige Antworten haben neue Fragen aufgeworfen“, erzählte Kramer. „Wenn man einen Kunden nur zwei Jahre kennt, dann passt das nicht.“ Muss Heike Pauls vor den Untersuchungsausschuss? Trotz aller Warnhinweise, speziell von der britischen „Financial Times“, haben die Banken erst spät reagiert, denn Vorwürfe standen bereits seit 2016 und früher im Raum. Nach FINANCE-Informationen entschuldigte sich die Commerzbank Anfang 2020 bei dem Enthüllungsjournalisten Dan McCrum von der „Financial Times“. Die britische Finanzzeitung hatte den Skandal aufgedeckt und wurde währenddessen selbst zum Ziel von Ermittlungen und Repressionen durch die BaFin. Nach Angaben von Personen aus dem Umfeld des Untersuchungsausschusses habe sich das Büro von Zielke insbesondere für die unangemessene Wortwahl durch die Analystin Heike Pauls entschuldigt. FINANCE-Themenseite Wirecard Hedgefonds-Attacken, undurchsichtiges Geschäftsmodell, aggressive Bilanzierung: Der Dax-Konzern Wirecard steht im Zwielicht. So entwickeln sich die Firma und der Kampf um die Deutungshoheit Mehr zum Thema Heike Pauls wurde bei der Commerzbank bereits von ihrer Funktion abberufen. Außerdem könnte ihr Engagement noch ein Nachspiel vor dem Untersuchungsausschuss haben. Auf Mitarbeiterebene, so erfuhr FINANCE, wird mit dem Gedanken gespielt, die ehemalige Analystin vorzuladen. Ein möglicher Termin wäre der 5. März. Ob es dazu tatsächlich kommt ist noch offen und hängt unter anderem von Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft München I ab. Christian Sewing erfuhr erst spät von Übernahme-Gerücht Die Anhörung von Deutsche Bank-Chef Christian Sewing begann erst kurz vor Mitternacht. Der CEO sagte, dass er von den Gerüchten zur geplanten Übernahme durch Wirecard erst aus den Medien erfahren hatte. Der Finanzdienstleister aus Aschheim hatte das Vorhaben unter dem Namen „Projekt Panther“ durchgespielt. Die Deutsche Bank hatte ihr Kreditengagement bei Wirecard abgesichert und am Ende mit 18 Millionen Euro vergleichsweise wenig Geld verloren. Nach Einschätzung von Christian Sewing lässt der Bilanzskandal den Finanzstandort Deutschland schlecht dastehen. Um eine Wiederholung zu vermeiden, solle die Finanzaufsicht gestärkt werden, forderte der Deutsche Bank-Chef. redaktion[at]finance-magazin.de Info Bei Wirecard kommen täglich neue Erkenntnisse ans Licht – bleiben Sie auf dem Laufenden mit unserer Themenseite zu Wirecard und unserem Wirecard-Ticker.

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