Herr Hörster, Sie bauen seit etwa drei Jahren an Ihrem Fintech . Wo befinden Sie sich heute auf Ihrer Reise?
Anfang des Jahres haben wir unseren Marktplatz gestartet. Zu Beginn haben wir Angebot und Nachfrage bewusst langsam ausgesteuert, dann haben die Registrierungen rasch zugenommen, und mittlerweile steigt die Zahl der Teilnehmer exponentiell. Wir sind noch nicht beim Break Even, aber die Richtung stimmt in allen Dimensionen: Die Zahl der Nutzer steigt, die Umsätze pro Unternehmen steigen, und die Frequenz der Nutzung durch die einzelnen Kunden steigt ebenfalls.
Warum dauert es länger als gedacht?
Wie so oft kosten hauptsächlich Regulatorik und selbstauferlegte Compliance viel Zeit. Wir arbeiten eng mit Banken zusammen, da ist das immer ein Thema. Aber auch unser internes Onboarding ist sehr intensiv. Es dauert mit allen internen Genehmigungsschleifen einige Wochen. Der Registrierungsprozess ist aber auch Teil unserer Betrugsprävention. Es lohnt sich, hier Zeit zu investieren, denn Sicherheitslecks können schnell zum existentiellen Schaden werden. Die FinTech-Branche muss Vertrauen schaffen.
„Wir sind noch nicht beim Break Even, aber die Richtung stimmt.“
Sie haben zwei Banken im Equity, die Sie auch im Vertrieb unterstützen. Wie funktioniert die Zusammenarbeit?
Immer besser. Wir haben mit unseren Partnerbanken zusammen ausführliche Train-the-Trainers-Programme durchgeführt, schließlich haben wir ja selbst hochkarätige Marktkenner an Bord. Zu Beginn haben wir noch mehr Corporate-Kunden für die Plattform akquiriert als unsere Partner. Mittlerweile haben die Banken aber enorm an Vertriebskraft gewonnen – das braucht einfach eine gewisse Zeit. Die Investorenseite übernehmen wir zu großen Teilen selbst, aber auch da sind die Partnerbanken unterstützend aktiv.
Trustbills setzt auf hohen Automationsgrad
Verstehen die Firmenkundenberater Ihr Geschäftsmodell und den Kundennutzen?
Ja, weil ihren Kunden genau dort der Schuh drückt. Darüber hinaus haben wir einen Teil der Firmenkundenberater in Präsenzveranstaltungen geschult, deren Inhalte auch per Video abrufbar sind. Im Idealfall gehen wir natürlich mit den Betreuern zusammen zu besonders attraktiven Kunden, aber das ist aus Kapazitätsgründen nicht flächendeckend umzusetzen. Außerdem veranstalten wir in den Regionen auch Workshops für die Firmenkundenbetreuer. Und wir haben ein Customer Service Team, dass für Firmenkundenbetreuer ebenso da ist wie für Kunden.
Welche Argumente ziehen bei den Kunden?
Wir haben zwar einen komplexen Registrierungsprozess, danach ist die Handhabung dank unseres hohen Grads an Automation aber extrem einfach. Außerdem ist der Kunde vollkommen flexibel: Er kann frei entscheiden, welche Forderungen er anbietet und braucht dafür keine Warenkreditversicherung. Trotzdem denken wir darüber nach, wie bereits bestehende Warenkreditversicherungen sinnvoll in unsere Plattform integriert werden können. Das ist unser Kernnutzen für Kunden, die oftmals von Rahmenverträgen in ihrer Handlungsfreiheit beschränkt sind. Vieles geht, nichts muss. Der Kunde entscheidet selbst, welche Services er wann nutzt.
Womit locken Sie die Investoren?
Das Thema Trade Finance Investments treibt viele Investoren um, weil attraktive Assets durch Automation zurzeit neu erschlossen werden. Wir locken in diesem Umfeld mit Granularität und einfacher Handhabung. Wer als Investor bislang Forderungen kaufte, musste den Umweg über teure und schwerfällige Verbriefungen nehmen. Über unsere Plattform erhalten die Investoren ein diversifiziertes Portfolio aus heterogenen Einzelforderungen. Das Mengenmanagement fängt unsere Plattform ab. Somit verlieren Investoren durch die Kosten der Verbriefung keine Rendite.
Handelsforderungen als Asset-Klasse
Wir beobachten bei anderen Plattformen eine große Zurückhaltung bei den Investoren, sich zu registrieren …
Unsere Partnerbanken geben uns natürlich einen gewissen Leumund. Das ist auch für Investoren ein wichtiges Signal. Sie wissen, dass das kleine Fintech Zugang zur Vertriebskraft von zwei der größten deutschen Banken hat. Wir haben aber dennoch zwei Hürden zu überspringen: Erstens müssen wir manchen Investoren erst erklären, dass Handelsforderungen eine sehr attraktive Asset-Klasse sind. Zweitens müssen wir sie überzeugen, dass wir der richtige Kanal sind. Mittlerweile kommen jedoch die ersten Anfragen über Empfehlungen zu uns. Das ist eine super Entwicklung, allerdings vergeht viel Zeit, bis ein interessierter Investor einen Fonds aufgelegt hat.
Als Investoren eignen sich doch Factoring-Gesellschaften hervorragend. Diese Unternehmen hinken aber in der Digitalisierung noch hinter den Banken zurück …
Große Factoring-Gesellschaften sind bereits bei uns registriert. Und einige Factoring-Unternehmen denken darüber nach, mit Trustbills aktives Portfoliomanagement zu betreiben. Grundsätzlich glaube ich, dass es für den Factoringmarkt viel effizienter ist, sich einer Plattform wie der unseren zu bedienen, als eine eigene aufzubauen.
„Die Tech-Komponente ist zentral.“
Wie wichtig ist die Tech-Komponente in Ihrem Unternehmen?
Sie ist zentral. Man braucht eine sehr leistungsfähige IT-Abteilung, die extrem schnell auf Anforderungen reagieren kann. In vielen Bereichen nutzen wir die allerneusten Technologien, zum Beispiel Container und Kubernetes.
Was haben Sie in der Software nachbessern müssen?
Normalerweise baut man eine Software im Laufe der Entwicklung mehrmals. Das war bei uns zum Glück nicht der Fall. Aber natürlich entwickeln wir unsere Plattform ständig weiter. Beispielsweise haben wir im Laufe der Zeit dem Thema Rating und Bonitätsprüfung immer mehr Gewicht eingeräumt. Und durch unsere fortschreitende Internationalisierung entsteht ebenfalls viel Programmierungsbedarf. Den spannendsten Ansatz haben wir aber beim Veritätsrisiko.
Wie sieht der aus?
Dort arbeiten wir mit künstlicher Intelligenz, die antrainiert werden muss. Für die Betrugsprävention braucht es zum Lernen eigentlich viele Betrugsfälle. Die wollen und haben wir nicht. Stattdessen haben wir ein System entwickelt, in dem wir künstliche Intelligenz gegeneinander arbeiten lassen. Wir haben einen Betrüger und einen Schützer programmiert, die beide über dieselben Informationen verfügen und beide immer besser werden. Darauf sind wir sehr stolz.
Trustbills hat Pläne für Working Capital Management
Nochmal Tech: Wie binden Sie die Unternehmenskunden an?
Dieses Thema hat uns sehr beschäftigt. Wir hatten von Anfang an den manuellen Excel Upload und die vollintegierte Anbindung an das ERP-System vorgesehen. Wir haben aber gelernt, dass wir auch Zwischenlösungen brauchen, und zwar aus Gründen der IT-Compliance. Wir können allerdings nicht auf jedes individualisierte ERP-System eingehen, sondern machen klare Vorgaben für eine Schnittstelle und nutzen exportierte Daten.
Hinter den meisten Plattformen steckt viel Beratung und händische Arbeit. Bei Ihnen auch?
Zum Glück nicht. Unser Client Solutions Team berät größere Unternehmen intensiv im Vorfeld des Onboardings. Es bespricht mit potenziellen Verkäufern, ob ihre Forderungen sich grundsätzlich eignen und klärt mit Investoren deren Rahmenbedingung. Aber in der Umsetzung haben wir von Anfang an eine klare Devise ausgegeben: Wir machen nichts händisch.
Viele Plattformen haben das Problem, dass Anfrage nicht in Geschäft umgemünzt wird …
Bisher sind alle Forderungen, die bei uns eingestellt wurden, auch aufgekauft worden. Sollte eine Auktion mal ohne Gebot auslaufen, kann der Nutzer die Forderung kostenlos erneut einstellen. Dann eventuell zu einem günstigeren Preis.
Haben Sie auf der Produktseite die Endausbaustufe erreicht?
Nein. Wir haben im Kontext Working Capital Management noch sehr viel vor. In den kommenden Monaten fügen wir zum Beispiel „Early Payments“ als Feature hinzu. Damit reagieren wir auf unsere Beobachtung, dass das Ziehen von Skonto und der Verkauf einer Forderung zwar grundsätzlich sehr unterschiedliche Märkte sind, unsere Kunden aber beides in Erwägung ziehen.
„Wir haben im Kontext Working Capital Management noch sehr viel vor.“
Lieferanten möchten ihren Kunden oftmals zwar Skonti anbieten, sich aber nicht von deren Liquiditätssituation abhängig machen. Über unsere Plattform können Lieferanten ihren Kunden zuerst ein Skonto anbieten und verkaufen ansonsten auch an Dritte. Der Verkäufer hat den großen Vorteil, dass er nur einen Weg gehen muss.
Trustbills sieht Kreditversicherungen als mögliche Partner
Jedes Unternehmen mit Forderungen ist auch Schuldner gegenüber seinen Lieferanten. Ist das ein weiteres Geschäftsfeld?
Das sehen wir so. Wir werden von einer reinen Auktionsplattform zu einem 360-Grad-Anbieter rund um das Thema Working Capital. Unsere Kunden wollen nicht nur ihre Forderungen, sondern auch ihre Verbindlichkeiten hochladen. Und wir möchten Handel ermöglichen: Schon heute bieten wir eine Sekundärplattform für Forderungen, die auf unserer Plattform erworben wurden. Den Handel möchten wir gern auch für andere Forderungen ermöglichen – allerdings müssen wir dafür ein paar grundsätzliche Themen beachten, um vor allem das Thema Verität in den Griff zu bekommen.
Sind Sie auf der Suche nach weiteren Partnern?
Durchaus, dafür sprechen wir nicht nur mit Banken, sondern auch mit anderen Finanzinstituten. Da geht es nicht immer gleich um Beteiligungen, sondern auch um Kooperationen. Kreditversicherungen sind prinzipiell ebenfalls interessante Partner, da deren Geschäftsmodell die Finanzierung von Forderungen sehr gut ergänzt und hier noch viel Potential durch Digitalisierung gehoben werden kann. Unsere Ambition ist, dass Forderungskäufer Kreditversicherungen auf gekaufte Assets abschließen können.