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Goldman Sachs: Umzug nach Frankfurt nicht beschlossen

Der Goldman-Tower in New Jersey: Die US-Bank will im Falle eines Brexits bis zu 1.000 Stellen von London nach Frankfurt am Main verlagern.
rabbit75_ist/iStock/Thinkstock/Getty Images

Die US-Investmentbank Goldman Sachs hat im Zuge des Brexit noch keine Entscheidung über die Verlagerung von Stellen aus London auf das europäische Festland getroffen. Das hat die Bank am heutigen Donnerstag Vormittag gegenüber der „Financial Times“ erklärt und damit einen Bericht des „Handelsblatts“ dementiert.

Das „Handelsblatt" hatte geschrieben, Goldman plane, einen großen Teil des Europa-Geschäfts von Großbritannien auf das Festland zu verlagern. Der Hintergrund seien Kommentare der britischen Premierministerin Theresa May zu den Details des geplanten Ausstiegs Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU), dem sogenannten Brexit. Wie das „Handelsblatt“ unter Berufung auf Finanzinsider berichtete, habe die US-Bank bereits mit der Umsetzung der Umzugspläne begonnen.

Laut dem Bericht wolle Goldman Sachs die Zahl der Mitarbeiter in London von derzeit rund 6.500 auf etwa 3.000 mehr als halbieren. In Frankfurt am Main soll eine europäische Aktiengesellschaft (SE) entstehen. Dadurch würden bis zu 1.000 Stellen von London aus in die Main-Metropole abwandern. Speziell der Vertrieb des Handelsgeschäfts sowie Top-Manager aus dem Compliance-Bereich der Bank könnten nach Frankfurt ziehen.

Britische Premierministerin Theresa May plant „harten“ Brexit

Jetzt zeigt sich: Die Umzugspläne der US-Banker sind nicht in Stein gemeißelt. Denn wie die Vereinbarungen zwischen der EU und Großbritannien letztlich aussehen werden, ist noch nicht klar.

Gleichwohl: Die britische Premierministerin Theresa May hat unter der Woche ihren 12-Punkte-Plan für einen so genannten „harten“ Brexit vorgestellt, der unter anderem einen Austritt aus dem EU-Binnenmarkt vorsieht. Dadurch könnten die US-Banken Unternehmenskunden aus Spanien, Frankreich oder Deutschland nicht mehr aus der britischen Hauptstadt heraus betreuen. Zu den betroffenen Sparten gehören die IPO-Beratung, die Begleitung von Anleihe-Emissionen sowie Handelsgeschäfte. Wenn dies eintritt, dürften die meisten US-Geldhäuser ihre Investmentbanking-Aktivitäten auf das Festland verlagern. Auf dieses Szenario bereitet sich Goldman Sachs jetzt offenbar vor.

Eine Abwanderungswelle der Großbanken würde Großbritannien hart treffen, es drohen laut Presseberichten Steuerverluste von 10 Milliarden britischen Pfund pro Jahr. May bietet daher eine Alternative und setzt bei den Brexit-Verhandlungen auf das sogenannte Äquivalenzprinzip. Dafür müsste die EU die britische Regulierung als gleichwertig akzeptieren, dann könnten die Banken europäische Kunden auch aus Großbritannien heraus bedienen. Das Problem: Brüssel könnte diese Freigabe jederzeit zurücknehmen. Die Unsicherheit ist entsprechend hoch.

Europäische Metropolen wollen von Brexit profitieren

Seit der Brexit feststeht, buhlen diverse europäische Metropolen wie Madrid, Amsterdam, Paris und eben auch Frankfurt um die Gunst der Geldhäuser. Der Finanzminister von Hessen überlegt beispielsweise, den Kündigungsschutz für Topbanker zu lockern und so die Banken an den Main zu locken. Erst am gestrigen Mittwoch hatte die britische Großbank HSBC angekündigt, 1.000 Investmentbanking-Stellen von London nach Paris verlegen zu wollen. Dabei handele es sich um Aktivitäten, die „besonders der EU-Gesetzgebung unterliegen“, erklärte HSBC-CEO Stuart Gulliver gegenüber der Nachrichtenagentur „Bloomberg“.

Ende März will Premierministerin May das EU-Austrittsgesuch vorlegen. Danach bleiben Brüssel und London maximal zwei Jahre, um die Bedingungen auszuhandeln und in Verträgen festzuzurren. Das dafür notwendige Freihandelsabkommen gilt als einer der schwierigsten Punkte. Wenn sich die Verhandlungen als zäh erweisen, dürften die in London ansässigen US-Banken die derzeitigen Planspiele, die Insel Richtung EU-Festland zu verlassen, schnell in die Tat umsetzen.

jakob.eich[at]finance-magazin.de

Info

Mehr über die Folgen des britischen Votums für einen Austritt aus der EU lesen Sie auf unserer Themenseite zum Brexit.

Jakob Eich ist Redakteur der Fachzeitungen FINANCE und DerTreasurer des Fachverlags F.A.Z Business Media, bei dem er auch sein Volontariat absolviert hat. Eich ist spezialisiert auf die Themen Digitalisierung im Finanzbereich und Treasury. Durch seine Zwischenstation bei der Schwesterpublikation „Der Neue Kämmerer“ ist der 1988 geborene Journalist auch versiert beim Thema Kommunalfinanzen. Erste journalistische Erfahrungen hat der gebürtige Schleswig-Holsteiner in den Wirtschaftsmedien von Gruner+Jahr sowie in der Sportredaktion der Hamburger Morgenpost gesammelt.