Als Daimler im März einen neuen 12-Milliarden-Euro-Kredit abschloss, um den Liquiditätspuffer für die Coronakrise zu erhöhen, musste der Autobauer ohne die Citibank und Goldman Sachs auskommen. Beim KfW-Kredit des Sportartikelherstellers Adidas trugen die sieben Hausbanken des Konzerns insgesamt 600 Millionen Euro beigetragen. Die Bank of America beteiligte sich aber nur mit halber Ticketgröße.
Als der Chemiekonzern BASF vor kurzem eine neue 3 Milliarden Euro schwere Kreditlinie verhandelte, zog sich JP Morgan aus den Gesprächen zurück. Diese Informationen, über die zunächst die „Financial Times“ berichtet hatte, wurden FINANCE jeweils aus Transaktionskreisen bestätigt.
Es sind solche Meldungen, die bei vielen deutschen Finanzchefs unschöne Erinnerungen an die Finanzkrise wecken: Schon 2008 und 2009 fuhren viele Auslandsbanken – allen voran die US-Banken – ihre Engagements im deutschen Firmenkundengeschäft schlagartig zurück. Einige CFOs, die damals frische Liquidität benötigten, mussten die bittere Erfahrung machen, dass ausländische Banken ihnen keine Kredite gewährten. Sie verschoben ihr Kapital stattdessen in den Heimatmärkten. Wiederholt sich diese Geschichte nun wegen des Coronavirus?
BofA: Kein Rückzug aus Deutschland
Diesen Eindruck versuchen Vertreter der US-Banken im Gespräch mit FINANCE mit aller Macht zu zerstreuen: „Wir werden uns in keinster Weise aus dem deutschen Markt zurückziehen. Wir sind hier, um zu bleiben. Daran ändert auch das aktuelle Umfeld nichts. Seit Jahresbeginn haben wir in Deutschland Anfragen unserer Kunden nach Krediten bislang positiv entschieden“, sagt etwa Armin von Falkenhayn, Deutschlandchef der Bank of America.
Kreditvergabe sei dabei stets der „Anker unserer Kundenbeziehungen“, so von Falkenhayn. Die Bank habe ihr Kreditvolumen in Europa dieses Jahr bislang um rund 28 Prozent erhöht und sei auf Basis der Dealogic-League-Tables seit Beginn der Krise Marktführer bei Platzierungen von Unternehmensanleihen in Europa. Letzteres sagt freilich wenig darüber hinaus, inwieweit die Bank bereit ist, Kredite deutscher Unternehmen auf die Bilanz zu nehmen.
JP Morgan teilte auf Anfrage mit, man werde Kunden in EMEA, einschließlich Deutschland, weiterhin unterstützen. Die Strategie habe sich nicht geändert. „Wir haben im März 25 Milliarden US-Dollar an neuen Krediten an unsere Kunden ausgereicht, etwa die Hälfte davon entfällt auf Europa“, hieß es in dem Statement. „Unser Commitment für Unternehmen in der Region bleibt unerschütterlich.“
„Wir werden uns in keinster Weise aus dem deutschen Markt zurückziehen. Wir sind hier, um zu bleiben.“
Für Deutschland wollte die Bank keine Zahlen nennen. FINANCE-Informationen zufolge war JP Morgan bei der neuen 12-Milliarden-Linie von Daimler mit einem Commitment von 3 Milliarden Euro dabei. Bei dem 15-Milliarden-Euro-Kredit des Flugzeugbauers Airbus fungierte die Investmentbank ebenfalls als einer von fünf Underwritern.
Citibank setzt Strategie des „selektiven Wachstums“ fort
Zurückhaltender klingen die Statements der Citibank. Man werde die Strategie, das Geschäft mit Firmenkunden „selektiv“ auszuweiten, fortführen, erklärte die Bank auf Anfrage von FINANCE. Konkrete Zahlen zum Kreditvolumen in Deutschland seit Ausbruch der Coronakrise nannte die Bank aber nicht.
Es hieß lediglich, das Kreditvolumen sei „deutlich gestiegen“. Das liegt allerdings auch daran, dass Finanzchefs derzeit vermehrt fest zugesagte Linien ziehen – und darauf haben die Banken kaum Einfluss.
Konkretere Anhaltspunkte liefern die vorläufigen Zahlen der Bundesbank zur Kreditvergabe im März – dem ersten Corona-Monat. Diese deuten nicht auf einen Rückzug der Auslandsbanken hin, im Gegenteil: Der Bundesbank zufolge legte das Kreditvolumen an Schuldner außerhalb des Bankensektors bei den Auslandsbanken um 6,2 Prozent zu. Zählt man die Zweigstellen ausländischer Banken hinzu, liegt das Plus im ersten Corona-Monat sogar bei 26,1 Prozent.
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Zum Vergleich: Deutsche Großbanken weiteten die Kreditvergabe im März laut Bundesbank nur um 3,3 Prozent aus, Sparkassen und Genossenschaftsbanken um 4,5 beziehungsweise um 5,8 Prozent.
US-Banken rechnen mit spitzem Bleistift
Darüber, wie sich die Coronakrise mittelfristig auf die Aktivitäten der US-Banken im deutschen Firmenkundengeschäft auswirken wird, sagt dies aber nichts aus. Damit bleibt auch unklar, ob sich die Hoffnung der heimischen Wettbewerber erfüllen werden. Vor allem die Deutsche Bank hofft darauf, verlorenes Terrain im Geschäft mit Großkonzernen zurückzuerobern.
Es ist jedoch kaum vorstellbar, dass die US-Häuser in der Breite ihr seit Jahren etabliertes Geschäft mit Dax-Konzernen zurückfahren werden. Vielmehr zeichnet sich ab, dass die amerikanischen Banken ihre Kunden stärker als bislang nach Profitabilität und Risikoprofil differenzieren. In der Folge entscheiden sie sich durchaus auch gegen Neugeschäft. „Es macht strategisch aber keinen Sinn, risikogewichtete Aktiva in die USA zu verlagern, denn dort rechnen wir mit einer noch drastischeren Rezession und höheren Kreditausfällen als in Europa“, sagt ein Banker, der für eine US-Bank arbeitet.
Allerdings liegt auch in Europa lukratives Zusatzgeschäft in Form von M&A-Mandaten und Eigenkapitalplatzierungen (ECM) derzeit aufgrund der Corona-Pandemie eher brach. Umso mehr setzen die Banken auf das Fremdkapitalgeschäft (DCM), denn ein Gros der nun abgeschlossenen kurzfristigen Brückenkredite wollen die Großkonzerne mittelfristig über Anleihen ablösen. Damit würde auch das Kapital in den Bilanzen der Banken wieder frei, so die Hoffnung.
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Corona erschwert US-Banken Neugeschäft
Deutlich schwerer dürfte es den US-Banken jetzt aber fallen, ihre erst vor kurzem ausgerufenen Offensiven im mittelgroßen deutschen Firmenkundensegment voranzutreiben. Das gilt insbesondere für JP Morgan und Goldman Sachs. Beide Häuser hatten im vergangenen Jahr angekündigt, neue Kunden gewinnen zu wollen und dafür spezielle Teams aufgebaut.
Die Coronakrise erschwert diese Pläne nun. Das liegt zum einen daran, dass der „Neukundenerwerb über Telefon- oder Videokonferenzen nur eingeschränkt funktioniert“, wie ein Banker einräumt. Bei der Citibank heißt es, dass die Corona-Pandemie erhebliche Ressourcen im Firmenkundengeschäft gebunden habe, „die wir selbstverständlich während dieser Zeit primär für unsere langjährigen Bestandskunden eingesetzt haben“.
Fundingkosten bei Goldman steigen
Zum anderen hat die Coronakrise die Prioritäten der CFOs komplett verändert: Während die meisten Unternehmen bis vor kurzem noch in Cash schwammen, hat der Zugang zu Liquidität plötzlich erheblich an Bedeutung gewonnen. Die Bereitschaft, den Unternehmen Zugang zu ihrer Bilanz zu gewähren – was schon in normalen Zeiten als Eintrittskarte ins Bankenkonsortium gilt –, wird damit noch wichtiger.
Ähnlich sieht es Tobias Miarka, Bankenexperte bei der Beratungsgesellschaft Greenwich Associates. In einem aktuellen Report, den Miarka gemeinsam mit Kollegen veröffentlicht hat, schreibt er, es sei „eine offene Frage“, ob die US-Banken trotz Coronakrise „bereit und fähig“ wären, die Kreditvergabe an europäische Unternehmen fortzusetzen. Davon hänge aber ab, ob sie ihre Marktanteile im Firmenkundengeschäft weiter ausbauen könnten.
Das ist vor allem für ein Haus wie Goldman Sachs eine Herausforderung, denn die Investmentbank refinanziert sich im Gegensatz zu anderen Geldhäusern kaum über Kundeneinlagen, sondern vor allem über den Kapitalmarkt. Im Zuge der Coronakrise sind die Finanzierungskosten dieser Bank daher besonders stark gestiegen – was sich dann im nächsten Schritt auf der Wirtschaftlichkeitsanalyse von neuen Kreditzusagen niederschlägt.
„Die Messlatte von Kosten und Erträgen hat sich verschoben.“
„Die Messlatte von Kosten und Erträgen hat sich verschoben“, sagt Jens Hofmann, der bei Goldman Sachs das Geschäft für Finanzierungs- und Risikomanagementprodukte in der DACH-Region betreut. „Wir haben uns aber keinem Lending verschlossen, im Gegenteil: Wir haben das Kreditvolumen deutlich hochgefahren.“ Konkrete Zahlen bleibt allerdings auch Goldman Sachs schuldig.