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Deutsche-Bank-CSO Eigendorf: „Es wartet noch viel Arbeit auf uns“

Jörg Eigendorf ist seit September Chief Sustainability Officer der Deutschen Bank. Foto: Mario Andreya/Deutsche Bank
Jörg Eigendorf ist seit September Chief Sustainability Officer der Deutschen Bank. Foto: Mario Andreya/Deutsche Bank

Herr Eigendorf, Sie sind seit kurzem Chief Sustainability Officer der Deutschen Bank. Zuvor fungierten Sie in einer Doppelrolle als Kommunikations- und Nachhaltigkeitschef, ein ungewöhnlicher Schritt. Wie war der Wechsel?

Auch wenn ich bereits mehr als sechs Jahre für Nachhaltigkeit in der Deutschen Bank verantwortlich war, habe ich es als Neustart empfunden. Wir haben die Abteilung erheblich erweitert, und ich kann mich jetzt voll auf das Thema konzentrieren, was aufgrund der Komplexität dringend erforderlich war. Zudem bringt unsere neue Aufstellung mit sich, dass die Erwartungen an uns gestiegen sind – und eben auch an mich.

ESG: Erwartungen driften auseinander

Wie weit gehen diese externen und eigenen Erwartungen auseinander?

Man tut meiner Meinung nach immer gut daran, etwas ehrgeiziger zu sein, als es die Außenwelt wahrscheinlich erwartet, insofern wurde ich nicht überrascht. Und wir fangen ja nicht bei null an: Wir haben das Thema Nachhaltigkeit bereits 2019 zur Priorität gemacht und uns unter anderem das Ziel von 200 Milliarden Euro an nachhaltigen Finanzierungen und Anlagen bis zum Jahr 2025 gesetzt. Das sollten wir bereits Ende 2022 erfüllt haben, auch wenn die letzten Zahlen noch nicht vorliegen. Und von den insgesamt 58 Ambitionen, Vorhaben und Zielen, die wir auf unserem „Sustainability Deep Dive“ 2021 formuliert haben, haben wir 50 entweder erreicht oder sind auf einem guten Weg, sie umzusetzen. Die aktuellen Ergebnisse werden wir beim zweiten „Deep Dive“ am 2. März präsentieren.

Speziell die Greenwashing-Vorwürfe gegenüber der DWS haben für einen immensen Imageschaden gesorgt, der auch auf die Deutsche Bank abfärbt. Zudem hagelt es von Seiten der NGOs regelmäßig Kritik, die Bank engagiere sich weiterhin zu stark in der Finanzierung von Unternehmen und Projekten im Bereich der fossilen Energieträger. Wie versuchen Sie da, Vertrauen zu gewinnen?

Indem wir so transparent wie möglich sind und uns klare Ziele geben. Zum Beispiel wollen wir im Öl- und Gassektor bis 2030 die Emissionen, die wir mit unseren Krediten finanzieren, um fast ein Viertel reduzieren. Das setzt einen klaren Rahmen. Deshalb finde ich eine Pauschalkritik auf Basis einzelner Fälle schwierig – zumal wir aufgrund des Bankgeheimnisses zu einzelnen Kunden nichts sagen dürfen.

Welche Kritik ist gerechtfertigt?

Man kann Ziele natürlich immer kritisieren. Aber innerhalb dieser Zielsetzungen brauchen wir die Freiheit, den nötigen Dialog mit unseren Kunden zu führen. Nur dann können wir dabei unterstützen, Emissionen zu verringern. Denn im Gegensatz zu den Ausschlussforderungen der NGOs halten wir es für richtig, unsere Kunden in ihrer Transformation zu begleiten.

„Man kann Ziele natürlich immer kritisieren. Aber innerhalb Dieser Zielsetzungen brauchen wir die Freiheit, den nötigen Dialog mit unseren Kunden zu führen.“

Ausschluss als letzter Schritt

Kann das auch dazu führen, dass Sie sich von Kundenbeziehungen trennen müssen? Falls ja, welche Branchen betrifft das besonders?

In letzter Konsequenz natürlich schon, aber das sollte immer der letzte Schritt sein. Wenn ein Unternehmen sich beispielsweise verpflichten will, seine CO2-Emissionen entschieden zu senken, und eine stimmige Strategie dafür entwickelt, ist für uns der Dialog der richtige Weg mit diesem Kunden. Denn bei einem Ausschluss gibt es auf internationaler Ebene fast immer jemanden, der die Lücke füllt. Das Resultat wäre, dass Unternehmen mit hohen CO2-Emissionen dann aus weniger regulierten Märkten heraus finanziert werden. Viele Kohlefinanzierungen werden heute beispielsweise von chinesischen Banken oder von Finanzdienstleistern aus anderen Märkten übernommen.

Und dennoch müssen Sie primär auf die Deutsche Bank schauen …

Es muss darum gehen, dass sich die Emissionen tatsächlich verringern. Niemandem ist damit geholfen, wenn wir als Bank unsere CO2-Ziele erreichen, aber die Welt kein bisschen sauberer ist – zum Beispiel weil CO2-intensive Aktivitäten nicht geordnet abgewickelt, sondern einfach weiterverkauft werden.

Wie lässt sich das verhindern?

Indem wir den Unternehmen die Finanzierung der notwendigen Transformation ermöglichen. Und weil Staaten und Banken das allein nicht leisten können, brauchen wir einen starken europäischen Kapitalmarkt, also eine Kapitalmarktunion. Denn nur mit Mitteln von Investoren aus aller Welt werden wir den gewaltigen Finanzierungsbedarf stemmen, den diese Transformation erfordert.

Mit den Finanzinstituten als Gatekeeper? Manche Kritiker wie Fridays for Future sagen, damit mache man den Bock zum Gärtner.

Ohne Banken wird es nicht gehen. Ich sehe uns als Bindeglied und Übersetzer – zumal wir als Deutsche Bank wie nur wenige Banken in Europa den Zugang zu weltweiten Investoren ermöglichen können. Das ist aber nur eine Aufgabe von Banken. Eine andere ist es beispielsweise, bei der energetischen Sanierung zu unterstützen, um den CO2-Ausstoß von privaten Häusern sowie von Gewerbe- und Industriegebäuden zu verringern. Sie machen allein in Deutschland fast 35 Prozent der Emissionen aus.

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ESG-Ziele: Daten bleiben Herausforderung

Energiewende, Erderwärmung und Co.: Welche Herausforderungen werden dieses Jahr in Sachen ESG prägen?

Es gibt viele Herausforderungen. Ein Beispiel ist das Management der Lieferkette nach Umwelt- und Sozialaspekten, ein anderes die Datenlandschaft. Dabei wird CO2 ein sehr wichtiges Thema bleiben. Es geht darum, wie wir Emissionen am besten messen und am wirksamsten reduzieren können – und dass wir diesen Indikator zum integralen Bestandteil von Entscheidungsprozessen machen. Die Herausforderung fängt schon bei den Daten an.

Das müssen Sie erklären!

Etwa wenn uns ein Kunde auditierte Zahlen zum CO2-Fußabdruck liefert, unsere Modellrechnung nach internationalen Standards aber einen viel höheren Wert ergeben hat. Wir müssen unsere Entscheidung für einen bestimmten Wert dann klar begründen und dokumentieren.

Was heißt das für Ihre Unternehmenskunden?

Das bedeutet, dass es für Unternehmen empfehlenswert ist, den eigenen CO2-Fußabdruck zu kennen. Und es hilft, mindestens eine Person zu haben, die sich vollkommen auf ESG konzentrieren kann und im Unternehmen gut vernetzt ist. Denn kaum ein ESG-Problem ist nur in einer Abteilung lösbar.

„Es wartet noch viel Arbeit auf uns“

EU-Taxonomie deckt nur Teile der Wirtschaft ab

Bislang wird beim Blick auf ESG viel über Umwelt- und soziale Themen, also das E und das S gesprochen. Auch die Deutsche Bank hat für beide ein Framework aufgestellt. Wie sieht es mit dem G aus? Hier sorgte die Bank lange durch Skandale für Schlagzeilen.

Derzeit konzentrieren wir uns eher auf das E und S. Aber das G spielt natürlich eine große Rolle bei wichtigen Teilhabern und insbesondere bei Ratings – somit hat es viel Einfluss auf die Kapitalkosten. Auch da haben wir viel getan, um unsere Kontrollen und unsere Kultur zu stärken.

Auch bei der Frage, wie Sie als Bank mit Investoren aus – sagen wir mal – nicht gerade „lupenreinen“ Demokratien umgehen? Also bei der Frage, wie ESG-konform das Geld ist?

Wir haben klare Richtlinien, mit wem wir welche Geschäfte machen – nicht zuletzt zum Schutz vor Finanzkriminalität. Aber ein Ausschluss bestimmter Käufer ist beispielsweise im Sekundärmarkt gar nicht möglich, da haben wir als Bank keinen Einfluss.

Gibt es auch Ziele, die Sie bislang überhaupt nicht erreicht oder gar verworfen haben? Die gibt es natürlich. Beispielsweise hatten wir uns vorgenommen, bis Mitte 2022 eine Ambition für unsere Green Asset Ratio zu formulieren. Da ist aber übergeordnet mit Blick auf die Umsetzung noch sehr viel in Bewegung. Es werden sich viele Standards erst noch entwickeln. Auch die EU-Taxonomie deckt bislang nur einen Teil der Wirtschaftsaktivitäten ab. Dieser Wandel wird auch unsere Ziellandschaft verändern. Es wartet also noch viel Arbeit auf uns.

Thomas Holzamer ist Redakteur bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Banken-Sektor, speziell das Firmenkundengeschäft. Er hat Politikwissenschaften an der Technischen Universität Darmstadt studiert. Vor FINANCE arbeitete Thomas Holzamer mehr als 12 Jahre in den Redaktionen der Mediengruppe Offenbach-Post, zunächst als verantwortlicher Redakteur für Sonderpublikationen, später im Lokalen.