Ernst und Young (EY) hat seine Geschäftszahlen für 2016 vorgelegt. Nach einem wachstumsstarken Vorjahr muss die WP-Gesellschaft nun einen schweren Dämpfer hinnehmen. Der Umsatz ist nur um schwache 2,8 Prozent (Vorjahr: 9,2 Prozent) auf rund 1,6 Milliarden Euro gestiegen. Mit diesem Wachstum bleibt EY weit hinter den drei anderen Mitgliedern der Big Four zurück.
So ist die wesentlich kleinere Deloitte im vergangenen Geschäftsjahr um 22 Prozent auf fast 1 Milliarde Euro gewachsen, PwC legte um 16 Prozent auf 1,9 Milliarden Euro zu, und KPMG wuchs immerhin noch um 6 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro. Durch die Schwäche von EY teilen KPMG und EY sich nun wieder den zweiten Platz der größten WP-Gesellschaften in Deutschland. Ernst & Young hatte KPMG erst vor zwei Jahren überholt und von dem zweiten auf den dritten Platz verwiesen.
„Nach vielen Jahren mit kontinuierlich starkem Wachstum konzentrieren wir uns gegenwärtig darauf, einige strategische Weichen neu zu stellen und das Unternehmen fit für künftiges Wachstum zu machen“, begründet Hubert Barth, Country Managing Partner von EY Deutschland, die schwache Umsatzentwicklung. EY will seinen Branchenfokus stärker ausbauen und noch stärker alle Geschäftsfelder miteinander verzahnen, um den Mandanten verschiedene Gesamtleistungen aus einer Hand anbieten zu können, erklärt Barth.
Barth führt seit diesem Jahr gemeinsam mit Julie Teigland den deutschen Arm des internationalen WP- und Beratungsriesen. Der langjährige Deutschlandchef Georg Graf Waldersee ist im Juli als Vorsitzender in den Aufsichtsrat von EY gewechselt.
EY büßt Umsatz in der Wirtschaftsprüfung ein
Ein Hauptgrund für die schwache Entwicklung von EY ist das schlechte Abschneiden im traditionellen Wirtschaftsprüfungsgeschäft: Dort sind die Erlöse sogar um 7,9 Prozent auf 494 Millionen Euro zurückgegangen. Das Geschäft mit der Wirtschaftsprüfung läuft bei allen Big Four momentan schleppend, doch die drei Erzrivalen sind immerhin noch einstellig gewachsen.
Als Grund für den Umsatzeinbruch nennt EY das Auslaufen einiger Sonderaufträge im Bereich Bankenprüfung und Wirtschaftskriminalität. Es habe sich um sehr große Aufträge gehandelt, die nicht kompensiert werden konnten, erklärte ein EY-Sprecher auf Anfrage von FINANCE. Größere Prüfmandate habe EY hingegen nicht verloren.
Größere Dax-Mandate gewonnen hat EY im vergangenen Geschäftsjahr aber ebenfalls nicht – anders als die Konkurrenz. Aufgrund der verpflichtenden Prüferrotation haben viele Dax-Unternehmen ihre Mandate neu ausgeschrieben, Deloitte beispielsweise konnte bereits das Bayer-Mandat für sich gewinnen.
EY konnte 2016 zwar keine neuen Dax-Mandate gewinnen, dafür aber andere namhafte Unternehmen wie die KfW und die Helaba sowie Brose, Jenoptik und KWS Saat, wie Barth gegenüber FINANCE erklärte.
EY darf weiterhin bei Beiersdorf und Axel Springer prüfen
Dabei hatte EY im vergangenen Jahr angekündigt, künftig rund 20 Prozent der Dax-Unternehmen prüfen zu wollen. Momentan prüft EY erst drei Dax30-Unternehmen, die die WP-Gesellschaft wegen der Prüferrotation aber abgeben muss. Darunter sind auch die Großmandate von Siemens und Heidelberg Cement, die EY aber wohl noch einige Jahre behalten darf. Dafür kann EY wohl einen Erfolg bei Beiersdorf und Axel Springer verbuchen, die ihre Mandate neu ausschreiben mussten: Wie aus Kreisen zu erfahren ist, wurde EY in beiden Fällen erneut als Prüfer gewählt.
Besser entwickelt hat sich die Steuerberatung. Sie ist um 7,6 Prozent auf 586 Millionen Euro gewachsen. Damit ist EY Marktführer in Deutschland, zweitstärkster Steuerberater ist mit 513 Millionen Euro PwC.
Unternehmensberatung: Deloitte und PwC wachsen stärker als EY
Ebenfalls weniger schlecht als das Prüfgeschäft hat sich bei EY der Bereich Unternehmensberatung entwickelt. Die Transaktionsberatung, die Themen rund um Corporate Finance abdeckt, legte um 3,4 Prozent auf 292 Millionen Euro zu, die Managementberatung gar um 12,6 Prozent auf 279 Millionen Euro. Dennoch bleibt EY auch hier weit hinter den Konkurrenten PwC und Deloitte zurück, die Rekordzuwächse von über 40 Prozent in der Beratung ausgewiesen haben.
Jeder der Big Four versucht sich momentan in der Beratung besonders stark aufzustellen, sei es durch Zukäufe oder die Einstellung neuer Mitarbeiter. Die Digitalisierung bietet die Chance auf neue große Beratungsprojekte. Aber nur wer jetzt die Weichen richtig stellt, wird von diesem Megatrend in den kommenden Jahren stark profitieren, glauben Experten.
EY hat dieses Jahr die Unternehmensberatung Innovalue gekauft, die Umsätze werden sich aber erst im Geschäftsjahr 2017 niederschlagen. Größere Zukäufe sind nicht derzeit geplant. Möglich ist aber, dass EY sich einzelne Experten und Teams an Bord holt oder kleinere Unternehmen zukauft, so Barth.
EY investiert rund 1 Milliarde in die Digitalisierung
Um Kunden bei der Transformation zu beraten, muss EY auch die eigene Transformation vorantreiben. EY investiert daher massiv in Know-how und Technologien, beispielsweise in die Rekrutierung und die Ausbildung von Spezialisten für digitale Wertschöpfung. Zu den Investitionsschwerpunkten gehören aber Big Data-Analyse-Labore.
Auf globaler Ebene investiert EY jenseits der Milliardengrenze, erklärte Georg Graf Waldersee in einem Interview mit FINANCE. Allerdings pumpen auch die Konkurrenten KPMG, PwC und Deloitte sowie die großen Strategieberater McKinsey, BCG und Bain erhebliche Mittel in die Digitalisierung.
Info
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Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.