Neues im Fall Wirecard und der Rolle von EY: Am gestrigen Donnerstag gab im Untersuchungsausschuss ein EY-Forensiker Einblicke in die Arbeit des Wirtschaftsprüfers beim Skandalunternehmen Wirecard. Laut dem Forensiker Christian Muth hätte es viele Warnhinweise gegeben, die auch an EY-Prüfer kommuniziert worden seien. Muth berichtete aber, dass Wirecard eine wichtige Sonderuntersuchung behindert habe.
Der Forensiker war im Herbst 2016 verantwortlicher Partner der Abteilung Betrugsermittlung und Compliance bei dem Big-Four-Haus. Genau in dieser Zeit will er erste Indizien gefunden haben, dass etwas bei Wirecard nicht stimmt, wie das „Handelsblatt“ aus dem Untersuchungsausschuss berichtet.
EY-Forensiker packt über Projekt „Ring“ aus
Konkret geht es um die „Ring“-Sonderuntersuchung von EY, welche sich mit dem Kauf einer indischen Unternehmensgruppe für 326 Millionen Euro durch Wirecard im Jahr 2015 beschäftigt. Der Kauf galt als überteuert, ein Wirecard-interner Whistleblower hatte sich 2016 bei EY mit dem Vorwurf gemeldet, bei dem Deal sei es zu Unregelmäßigkeiten gekommen. Der Forensiker war an der Aufarbeitung des Projekts beteiligt.
EY sieht sich im Wirecard-Skandal mit dem Vorwurf konfrontiert, die Unregelmäßigkeiten nicht früh genug erkannt zu haben – auch in Bezug auf den dubiosen Zukauf in Indien. Zudem soll EY vor dem Wirecard-Vorstand immer wieder eingeknickt sein. Forensiker Muth wolle im Untersuchungsausschuss die öffentliche Wahrnehmung der Ring-Untersuchung 2016 korrigieren, sagte er: „Weder war Herr Marsalek zu diesem Zeitpunkt verdächtig, noch beauftragte er die Sonderuntersuchung, noch hat er als Person die Sonderuntersuchung beendet“, zitiert ihn das „Handelsblatt“. Die Untersuchung sei schließlich ohne Ergebnis abgebrochen worden. Der Forensiker betont, dass dies die Entscheidung des gesamten Vorstandsgremiums gewesen sei.
Wie hat Ex-CFO Ley die Untersuchungen beeinflusst?
„Die tatsächlichen Anschuldigungen konnten wir nicht abschließend verifizieren“, gibt der Forensiker zu. Grund dafür sei unter anderem, dass der Wirecard-Vorstand die Ermittlung behindert haben soll, indem der Zahlungsdienstleister nicht alle Daten vollumfänglich ausgehändigt habe.
An dem Wirecard-Vorstand lässt Muth grundsätzlich kein gutes Haar – und kritisiert vor allem Ex-CFO Burkhard Ley. Ley soll in einer Mail vom 28. September 2017, die dem „Handelsblatt“ vorliegt, diverse Änderungswünsche zum Projektbericht von EY geäußert haben. Er soll EY dazu aufgefordert haben, zu schreiben, dass „kein einziger der gemachten Vorwürfe durch Ihre Analyse bestätigt wurde“. Der Forensiker sei daraufhin intern „ausgerastet“.
Seinen Unmut hätte er bei dem für Wirecard verantwortlichen Abschlussprüfer in einer E-Mail mitgeteilt. Auch weitere „red flags“, die er gesehen hatte, habe er bei EY an die die „notwendigen und vorgesehenen Stellen im Hause“ kommuniziert.
Forensiker entdeckten 2016 sechs Auffälligkeiten
Insgesamt sollen der Forensiker und sein Team sechs Auffälligkeiten bei Transaktionen bis hin zu möglichen Fälschungen entdeckt haben. Eine Aussage, wie seine Kollegen aus dem Wirecard-Prüfteam damit umgingen und ob diese die Bilanztestate vor diesem Hintergrund tatsächlich hätten erteilen dürfen, verweigerte er. Der verantwortliche Abschlussprüfer soll Muth zufolge dem Wirecard-Vorstand gedroht haben, das Testat einzuschränken. Deshalb habe Muth keinen Grund gehabt, an seinem Kollegen zu zweifeln, zitiert ihn das „Handelsblatt".
Von der Politik gibt es harte Kritik für EY. „Es ist ganz offensichtlich, dass Wirecard die Untersuchungen von EY gezielt behindert hat“, sagte etwa der FDP-Abgeordnete Florian Toncar gegenüber der „Berliner Zeitung“. Es bliebe rätselhaft, warum EY trotzdem immer wieder die Bilanz abgesegnet habe. Danyal Bayaz von den Grünen sagte, dass der EY-Forensiker „mit seiner offenen Aussage seine Prüferkollegen schwer belastet“ habe. Es würde starke Indizien geben, dass von EY Risiken nicht ausreichend benannt und angemessen bewertet worden seien.
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Sarah Backhaus ist Redakteurin bei FINANCE und DerTreasurer. Sie hat Journalismus an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln studiert. Sarah Backhaus arbeitete während ihres Studiums unter anderem für Onlinemagazine von Gruner + Jahr und schrieb als freie Journalisten für die Handelszeitung, faz.net und Impulse.