Es war eine der größten Fusionen im deutschen Wirtschaftsprüfermarkt der vergangenen Jahre: Im Frühjahr 2015 schlossen sich die Hamburger Roever Broenner Susat und die aus Frankreich stammende Gesellschaft Mazars zusammen. Roever Broenner Susat Mazars (Mazars) wurde zum neuntgrößten Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen Deutschlands. Nach der Übernahme des Konkurrenten Dr. Steinberg & Partner vor rund einem Jahr setzt Mazars heute mit mehr als 1.160 Mitarbeitern rund 124 Millionen Euro um. Mit solchen Fusionen versuchen sich viele der mittelständischen Prüfer („Next Ten“) gegen die großen Player KPMG, PwC, Ernst & Young (EY) und Deloitte („Big Four“) zu behaupten.
Der Zeitpunkt für die große Fusion damals war kein Zufall, sagt Christoph Regierer, Partner und Mitglied im deutschen Management-Board von Mazars. Rund ein Jahr später trat die neue Abschlussprüferreform in Kraft, deren Kernelement die verpflichtende Prüferrotation ist. Laut dieser müssen kapitalmarktorientierte Unternehmen nach zehn Jahren das Prüfungsmandat neu ausschreiben und – falls sie daraufhin den bisherigen Prüfer erneut auswählen – diesen nach 20 Jahren endgültig auswechseln. Noch strenger sind die Regeln für Banken und Versicherungen: Diese müssen schon nach zehn Jahren ihren Prüfer endgültig wechseln.
Mazars: „Spüren Vorwirkungen der Rotation“
Die gewachsene Größe und Internationalität soll Mazars dabei helfen, an begehrte Mandate heranzukommen. Die Next-Ten-Gesellschaften hatten dabei bisher kaum Chancen – obwohl die Prüferrotation den Markt eigentlich aufbrechen sollte, werden die Mandatswechsel vor allem innerhalb der Big-Four-Gesellschaften vollzogen. Mazars-Partner Regierer gibt trotzdem nicht auf: „Die große Welle wird erst 2020/21 erwartet, und wir spüren schon jetzt die Vorwirkungen der Rotation.“
Regierer spielt darauf an, dass Mazars nach eigenen Angaben schon einige Mandate für ausländische Teilgesellschaften oder Tochterfirmen deutscher Unternehmen gewinnen konnte. Diese müssen ihre Prüfer im Ausland zum Teil schon jetzt austauschen, weil dort andere Rotationsregeln gelten. „Unternehmen, die in Deutschland in einigen Jahren wechseln müssen, testen uns sozusagen jetzt vorab, indem sie uns für ihre Töchter bestellen“, so Regierer. Er ist sich sicher, dass Mazars dadurch in einigen Jahren manches namhafte Mandat in Deutschland gewinnen wird.
Mazars setzt auf integrierte Partnerschaft statt Netzwerke
Vor der Fusion wäre diese Strategie nicht möglich gewesen. Doch durch den Zusammenschluss ist die ehemalige Roever Broenner Susat Teil der internationalen integrierten Mazars-Partnerschaft geworden und hat so auch Zugriff auf ausländische Mandanten und deutsche Mandanten im Ausland. Diese Organisationsform hält Regierer für einzigartig innerhalb der Next Ten und Big Four. Sie sei „ein wichtiger Hebel für mehr Wachstum“, so Regierer.
Wie ein Wirtschaftsprüfer international aufgestellt ist, ist in der Tat ein zentrales Kriterium, wenn es um die Auswahl eines WP-Hauses geht. Immerhin haben sehr viele Konzerne auch im Ausland Töchter, deren Bilanzen ebenfalls geprüft werden müssen. Der Großteil der Wirtschaftsprüfer nutzt Netzwerke, um auch international präsent zu sein. So ist beispielsweise die mittelständische Gesellschaft Ebner Stolz im Netzwerk Nexia. Dabei werden ausländische Tochtergesellschaften deutscher Unternehmen von Partnern des Netzwerks geprüft.
Auch die Big Four sind auf internationaler Ebene als Netzwerk organisiert. Zwar tragen alle Gesellschaften den jeweiligen Namen einer Big Four und wirken daher auf den ersten Blick wie integrierte Firmen. Die Unternehmen im Ausland sind aber allesamt selbstständige und rechtlich voneinander unabhängige Mitgliedsfirmen.
Mazars: „Netzwerkansatz war früher richtig“
Einen anderen Weg ist die mittelständische Gesellschaft Rödl & Partner eingegangen, die nicht mit Netzwerken arbeitet, sondern aus eigener Kraft Standorte im Ausland eröffnet. „Netzwerke sind der falsche Weg“, sagte Christian Rödl erst kürzlich im Interview mit FINANCE. Im Netzwerk habe man keinen Durchgriff auf die Partner und könne nicht die Qualität sicherstellen.
Dieser Meinung ist auch Christoph Regierer. Als internationale, integrierte Partnerschaft habe jeder Mazars-Partner an jedem Standort das gleiche Interesse, dass die Kunden zufrieden seien. Um die Standorte zu erweitern, übernimmt Mazars weitere Gesellschaften im Ausland, so zum Beispiel die chinesische WP-Gesellschaft ZhongShen ZhongHuan. „Die Kunden schätzen das, weil sie so überall die gleiche Qualität bekommen“, sagt Regierer.
Das war allerdings nicht immer so. Noch vor der Fusion im Jahr 2015 war die damalige Roever Broenner Susat im Netzwerk Moore Stevens. Just diese Mitgliedschaft im Netzwerk hatte Regierer damals als Vorteil angepriesen. Heute ist seine Aussage eine andere: „Früher war der Netzwerkansatz noch richtig, doch inzwischen haben sich die Bedürfnisse der Kunden gewandelt“, erklärt der Partner.
So sei eine Geschäftstätigkeit in mehreren Ländern inzwischen auch für Mittelständler zunehmend zur Normalität geworden. Dabei erwarteten sie von ihren Prüfungs- und Beratungsgesellschaften, dass in allen Ländern identische Tools genutzt, übergreifende Kennziffern bereitgestellt oder Compliance- und Governance-Regelungen unabhängig von Landesgrenzen eingehalten würden, so Regierer. Das gehe mit einem Netzwerkansatz nur begrenzt.
Mazars prüft bereits VW-Versicherung, BNP Paribas und Axa
Auf der Suche nach neuen Mandanten setzt Mazars heute vor allem auf Finanzdienstleister, bei denen das Haus aus Tradition stärker aktiv ist. „Wir wollen mehr Banken und Versicherungen prüfen. Financial Services ist eine der wichtigsten Branchen für uns, dort machen wir mehr als 25 Prozent unseres Umsatzes.“ Nach den Big Four ist Mazars eigenen Angaben zufolge der Prüfer mit den meisten Mandaten im Bereich Banken und Versicherungen. Keine andere Next-Ten-Gesellschaft habe eine vergleichbare Mandantenbasis, behauptet Regierer.
In der Tat zählen einige namhafte Banken und Versicherungen zu den Mandanten von Mazars: Die Gesellschaft prüft die Volkswagen-Versicherung, Versicherer innerhalb des Zurich-Konzerns, große Teile der Axa-Gruppe, die Debeka-Gruppe sowie die deutschen Einheiten der BNP Paribas und die Europaaktivitäten einer amerikanischen Großbank.
Christoph Regierer: „Können auch Big-Four-Mandate prüfen“
Größere Banken und Versicherer aus Deutschland sind aber noch kaum darunter, diese werden traditionsgemäß vor allem von KPMG und PwC geprüft. Für diese Unternehmen könnte Mazars durch die Prüferrotation nun zur ersten Wahl werden, so das Kalkül.
Regierer setzt darauf, dass von diesen Mandaten auch eine wichtige Signalwirkung in andere Wirtschaftssektoren ausgeht: „Financial Services ist das Segment mit den komplexesten Regulierungen. Unsere Fähigkeit, in diesem stark regulierten Segment zu prüfen, macht deutlich, dass wir auch andere kapitalmarktorientierte Konzerne prüfen können, die derzeit eine der Big Four mandatiert haben.“ Ob das Konzept ankommt, wird man in den kommenden Jahren sehen, wenn die Rotation voll in Gang kommt.
Info
Der Artikel ist Teil einer Serie, in der FINANCE mit den Next-Ten-Gesellschaften darüber spricht, wie sie die besten Prüfungs- und Beratungsmandate gewinnen und sich dabei von den Big Four abgrenzen wollen. Weitere Teile der Serie sowie andere Artikel finden Sie auf unserer Themenseite zu den Next Ten.
Artikel, Interviews, Analysen und vieles mehr über KPMG, PwC, Deloitte und EY finden Sie auf unserer Themenseite zu den Big Four.
Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.