Bei der ersten digitalen Deutschen Investorenkonferenz hat die Private-Equity-Szene diese Woche diskutiert, wie und in was Finanzinvestoren trotz des Coronavirus noch investieren können. Sind gebeutelte Sektoren wie Automotive und der stationäre Handel wirklich nicht investierbar? Und sind vermeintlich krisensichere Branchen wie Healthcare und IT tatsächlich die Lösung für Private Equity?
Die Diskussion bei der Deutschen Investorenkonferenz machte schnell klar: Eine einfache Lösung gibt es nicht, es kommt auf den Einzelfall an. Ralf Jourdan von der Unternehmensberatung Adjust meinte zu Automotive: „Wir dürfen nicht den Fehler machen, eine Industrie komplett zu verteufeln. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir in drei Jahren alle nur noch Fahrrad fahren.“
Automotive ist schwer kalkulierbar
Dennoch ist die Automobilbranche für Private Equity ein heißes Eisen – nicht erst seit Corona. „Bei Automotive auf das richtige Pferd zu setzen, war vor Corona schon schwer. Wenn man jetzt in diesen Sektor investiert, muss man schon sehr mutig sein“, meint Wolfgang Pietzsch von Ardian. Man müsse sich bewusst sein, dass die Automobilbranche investitionsintensiv sei. „Das muss man wollen und handhaben können“, so Pietzsch.
Torsten Grede von der DBAG sieht das ähnlich: „Automotive befindet sich momentan in einem sehr schwer kalkulierbaren Umfeld. Im Augenblick sind wir da vorsichtig, aber mittel- und langfristig möchte ich nicht ausschließen, dass sich hier auch wieder Investitionsmöglichkeiten bieten werden“, so der Chef des Mittelstandsinvestors.
„Wenn man jetzt in Automotive investiert, muss man schon sehr mutig sein.“
Generell wäre Grede aber eher zurückhaltend bei Unternehmen, die extrem exportabhängig sind und ihre Wertschöpfungskette noch nicht ausreichend globalisiert haben – losgelöst von Automotive.
Der stationäre Handel hat es schwer
Ähnlich schwierig wie die Automobilbranche sehen die Private-Equity-Manger den stationären Handel, der durch den Shutdown besonders stark unter der Coronakrise leidet. Wie die Autobranche befindet sich auch der stationäre Handel schon länger unter Druck. Die Coronakrise wirkt wie ein Brandbeschleuniger.
„Im stationären Handel gibt es aufgrund der Kostenstruktur zu wenig Verbesserungsmöglichkeiten.“
„Der stationäre Handel wird es schwer haben“, glaubt Pietzsch. Für Private Equity spannend sei eher die Kombination aus Filial- und Internethandel. Als Beispiel nennt Pietzsch Schustermann & Borenstein, das Ardian Anfang 2017 an Permira verkauft hat. Bei Ardians Einstieg habe der Umsatzanteil der Online-Komponente noch bei 40 Prozent gelegen. Beim Verkauf habe das Online-Geschäft schon 60 Prozent ausgemacht, heute dürften es 80 Prozent sein.
Auch Triton ist vom stationären Handel nicht begeistert: „In diesem Sektor gibt es aufgrund der Kostenstruktur zu wenig Verbesserungsmöglichkeiten. Private Equity sind da immer ein bisschen die Hände gebunden, ähnlich wie bei Automotive“, urteilt Claus von Hermann.
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Triton rät zu harter Disziplin
Der Investmentmanager von Triton warnte auch davor, jetzt blind dem Herdentrieb zu folgen. „Man muss sehr diszipliniert sein in den nächsten Wochen. Pharma, Healthcare und IT finden derzeit viele interessant. Man sollte vorsichtig sein, dass man sich jetzt nicht zu einer falschen Bewertung verleiten lässt und in Unternehmen investiert, die in der Coronakrise zwar performen, später aber nicht“, so von Hermann, der für Healthcare-Unternehmen mit steigenden Preisen rechnet.
Ein ähnliches Bild zeichnet Torsten Grede für den Bereich Software/IT: „Ich glaube fest daran, dass Corona zu einem Digitalisierungsschub führen wird – wahrscheinlich auch über Home-Office-Tools hinaus. Von den Branchenerwartungen ist IT eindeutig ein Sektor, in den man investieren sollte. Aber Private-Equity-Fonds haben alle viel Dry Powder und werden jetzt Sektorselektion betreiben. Die Preise in den populären Sektoren werden steigen.“
„Man muss sehr diszipliniert sein in den nächsten Wochen.“
Für die Private-Equity-Branche bleibt Grede trotzdem optimistisch: „Es gibt viele Segmente und Nischen, in denen man sich bewegen kann.“ Eine davon sei beispielsweise der Glasfaserausbau in Deutschland, ein Sektor, der durch die Coronakrise und das Remote-Arbeiten strukturell weiter begünstigt wird.
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Ardian und Triton kaufen gerne in der Krise
Triton dagegen schaut lieber nach Unternehmen, die langfristig attraktiv sind und ein großes Wertsteigerungspotenzial bieten, durch die Coronakrise möglicherweise aber auch temporäre Liquiditätsprobleme haben. „Wir sehen viele Opportunitäten, die es vor einen halben Jahr nicht gab. Unser aktivstes Investitionsjahr war 2009. Da haben wir mit Abstand die meisten Unternehmen gekauft. Die Situation ist jetzt ähnlich“, meint von Hermann.
„Wir wollen keine Wette eingehen, sondern eine beurteilbare Situation haben, mit einem vernünftigen Preis.“
Auch Ardians renditestärkster Deal stammt aus der Finanzkrise. „2008 hatten wir all Equity einen Deal gemacht, der rückblickend den höchsten Return überhaupt brachte“, berichtet Pietzsch und ergänzt: „Viele sagen, dass sie momentan auf Treibsand stehen und kategorisch nicht investieren. Das sagen wir nicht. Wir schauen uns vieles an und sind für alles offen. Aber wann der erste Deal nach Corona kommt, kann ich jetzt noch nicht sagen.“
Bei der DBAG ist die Pipeline für potentielle Deals Grede zufolge derzeit „überschaubar“. „Bisher haben wir in der Krise einige Add-ons gekauft. Wir wollen keine Wette eingehen, sondern eine beurteilbare Situation haben, mit einem vernünftigen Preis.“ In diesem Spannungsfeld rät Oliver von Rosenberg von der Wirtschaftskanzlei Heuking, bei aktuellen Deals wieder stärker über Earn-out-Komponenten und MAC-Klauseln nachzudenken. „Wir sehen aber weiterhin Deals und Mandaten, die sich auf diese „neue Zeit“ einstellen können“, ist sich der Anwalt sicher.
Private Equity muss Black Swans einkalkulieren
Insgesamt muss Private Equity wohl lernen, grundsätzlich intensiver mit Unsicherheitsfaktoren zu rechnen. Pietzsch zufolge müsse man alles, was in den letzten zwei Monaten passiert ist und noch in den nächsten sechs bis acht Monaten passieren wird – positiv wie negativ –, komplett als Sondereffekt betrachten.
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Stattdessen solle man sich die letzten zwei oder drei Jahre anschauen, um ein besseres Bild zu bekommen, ob sich Unternehmen gut entwickeln oder nicht. „Das ist eine Komplexität, mit der wir leben müssen. Wir müssen bei neuen Deals Black-Swan-Events wie diese Pandemie mit einbeziehen“, meint Pietzsch.
Die Frage lautet nun, wann sich die Private-Equity-Branche wieder aus der Deckung wagt. Die Stabilisierungshausaufgaben scheinen jedenfalls schon bewältigt worden zu sein. In einer Blitzumfrage bei der Deutschen Investorenkonferenz gaben nur 13 Prozent der Teilnehmer an, dass sie bis zum Ende des Jahres komplett mit dem eigenen Portfolio beschäftigt seien. 40 Prozent zeigten sich mutig und kündigten an, voll auf Neugeschäft setzen zu wollen. Die meisten Manager im deutschen Private-Equity-Lager wollen dieses Jahr den Markt aber erst einmal beobachten.
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