Paukenschlag bei ThyssenKrupp: Wegen erheblicher Kartellauflagen sagt der Industrie- und Stahlkonzern das geplante Stahl-Joint-Venture mit Tata Steel Europe ab – und kassiert im gleichen Zuge auch noch seine Aufspaltungspläne. Das berichtete zunächst die Nachrichtenagentur Reuters mit Verweis auf Insider. Um die Mittagszeit bestätigte ThyssenKrupp die Nachricht in Form einer Ad-hoc-Mitteilung.
Gegen die angedachte Stahlfusion mit Tata hat die EU-Kommission große Bedenken geäußert. Es wäre der zweitgrößte Stahlkonzern nach Arcelor Mittal in Europa entstanden. Reuters zitiert Konzernkreise, denen zufolge die Auflagen derart streng gewesen wären, dass sich der Deal nicht mehr gerechnet hätte. ThyssenKrupp hatte die geplanten Synergien im September 2017 auf 400 bis 600 Millionen Euro geschätzt.
Aufspaltung hätte wohl 1 Milliarde gekostet
Die Joint-Venture-Pläne waren aber nicht nur wegen der erhofften Einsparungen, sondern auch wegen der strategischen Implikationen enorm wichtig für den ertragsschwachen Dax-Konzern. Die Bildung des Stahl-Joint-Ventures sollte einer radikalen Aufspaltung des Dax-Konzerns in einen Technologiekonzern (ThyssenKrupp Industrials) und ein Werkstoffunternehmen (ThyssenKrupp Materials) den Weg bereiten. Letzterem wäre neben dem Materialhandel auch der 50-Prozent-Anteil an dem Stahl-Joint-Venture zugeschlagen worden.
Doch durch den rapiden Kursverfall der Thyssen-Aktie geriet dieser Plan immer mehr unter Druck, weil die geplanten Beteiligungsverhältnisse innerhalb des Konglomerats sich verschoben. Die Einbringung eines nicht fusionierten Stahlgeschäfts hätte die Gewichte noch stärker in Richtung Technologiegeschäft verschoben. Hinzu kommt, dass die Aufspaltung wohl rund 1 Milliarde Euro gekostet hätte – ein Siebtel des aktuellen Börsenwerts. Dies alles hätte in erster Linie dazu gedient, stille Reserven zu heben und dadurch die Bilanzqualität des Thyssen-Konzerns zu verbessern.
Thyssen-Chef Kerkhoff plant Holding mit Teil-IPO
Wie geht es mit ThyssenKrupp nun weiter? Die breite Aufstellung ist den beiden Großaktionären Elliott und Cevian schon länger ein Dorn im Auge. Ihnen wird deshalb nachgesagt, die Aufspaltung forciert zu haben. ThyssenKrupp-Chef Guido Kerkhoff will dem Aufsichtsrat nun stattdessen eine Holding-Struktur vorschlagen, unter der die einzelnen Geschäftsfelder aufgehängt werden. Außerdem will Kerkhoff 6.000 Stellen abbauen, rund zwei Drittel davon in Deutschland.
Die Aufzugssparte Elevator Technology soll an die Börse gebracht werden. Dessen Chef Andreas Schierenbeck musste im Zuge des Strategiestreits gehen – ab Juni führt er den Energiekonzern Uniper. Der Strategiestreit bei ThyssenKrupp war im Juli 2018 eskaliert, als kurz hintereinander erst Vorstandschef Heinrich Hiesinger und später sein Aufsichtsratschef Ulrich Lehner zurückgetreten waren. Seitdem führt Ex-CFO Kerkhoff den Dax-Konzern.
Aktionäre begrüßen Holding-Spekulation (Wochen-Chart ThyssenKrupp)
Gegen den Börsengang der als Ertragsperle geltenden Aufzugssparte hatte sich der Vorstand lange gewehrt, Investoren hatten diesen jedoch immer wieder gefordert. Die Aktionäre zeigen sich von Kerkhoffs angeblichem Kurswechsel jedoch begeistert. Trotz des Endes der Stahlfusionspläne sprang die gebeutelte ThyssenKrupp-Aktie direkt nach Bekanntwerden des Berichts um 8 Prozent auf über 12 Euro nach oben. Am gestrigen Donnerstag war das Papier mit 11,20 Euro auf den tiefsten Stand seit 2003 gefallen.