Übernahme von Volocopter hängt in der Luft
Der deutsche Flugtaxi-Pionier Volocopter könnte vor einem entscheidenden Deal stehen. Laut Medienberichten soll der chinesische Autokonzern Geely den Plan hegen, gemeinsam mit Partnern 85 Prozent der Anteile des angeschlagenen Unternehmens zu übernehmen. Diese Übernahme könnte Volocopter vor der drohenden Insolvenz bewahren und frisches Kapital in Höhe von 90 Millionen Euro bereitstellen, um die Entwicklung der elektrisch betriebenen Flugtaxis voranzutreiben. Neben Geely soll auch das Family Office von Gerhard Sturm, Gründer des Lüfterherstellers EBM-Papst, Teil des Konsortiums sein. Die Bewertung des einstigen Einhorns hat sich in den vergangenen zwei Jahren massiv verschlechtert. War das Start-up einst bis zu 1,8 Milliarden Euro wert, soll der Unternehmenswert derzeit bei nur rund 104 Millionen Euro rangieren.
Geely ist schon länger ein Geldgeber von Volocopter und hat sich an Finanzierungsrunden beteiligt, ebenso wie deutsche Investoren wie etwa Mercedes-Benz. Die Übernahme sei jedoch noch nicht endgültig beschlossen und könnte scheitern. Volocopter hat in der Vergangenheit erhebliche finanzielle Mittel verbrannt, ohne Gewinne zu erzielen. Ursprünglich wollte das Unternehmen bereits zu den Olympischen Spielen in Paris erste Flüge anbieten, verpasste jedoch die Frist. Mit Geelys Einstieg könnte die Produktion nach China verlagert werden, während die deutsche Fertigungsstätte als Referenz für effiziente Produktionsmethoden dient.
Milliarden-Deal bei Biontech
Nach dem Impfstoff-Coup von Biontech in der Corona-Pandemie und der medialen Dauerpräsenz des Unternehmens war es eher ruhig um das Biotech geworden. Vergangenes Jahr dann verkündeten die Mainzer mit der geplanten Übernahme von Instadeep für rund 400 Millionen Euro den bisher größten Deal der Firmengeschichte. Diesen Zukauf stellt Biontech nun deutlich in den Schatten. Für fast 1 Milliarde US-Dollar übernimmt Biontech den chinesischen Wettbewerber Biotheus. Der Deal umfasst eine Vorauszahlung von 800 Millionen US-Dollar, die größtenteils in bar erfolgt, ergänzt durch American Depositary Shares. Zusätzlich sind erfolgsabhängige Meilensteinzahlungen von bis zu 150 Millionen US-Dollar vorgesehen.
Mit dieser Übernahme sichert sich Biontech nicht nur die vollständigen Rechte an den onkologischen Pipeline-Kandidaten von Biotheus, sondern auch ein Forschungs- und Entwicklungszentrum sowie eine hochmoderne Produktionsanlage in China. Die beiden Firmen sind bereits alte Bekannte und haben vor einem Jahr eine strategische Zusammenarbeit geschlossen. Diese strategische Akquisition steht im Einklang mit dem Ziel, ein globales Unternehmen für Immuntherapien zu werden, wie Biontech-Chef Uğur Şahin seine Vision für sein Unternehmen beschreibt.
Überraschungsofferte für Evotec
Die M&A-Aktivitäten in der deutschen Pharma- bzw. Biotech-Brachen nehmen mit prominenten Fällen Fahrt auf. Neben Biontech steht nur auch das Hamburger Biotech Evotec vor einer Übernahme – oder zumindest liegt eine attraktive Offerte vor. 11 Euro je Aktie, in Summe also rund 2 Milliarden Euro, bietet der US-Wettbewerber Halozyme Therapeutics für Evotec.
Das Angebot des Strategen überrascht etwas, denn erst vor wenigen Tagen wurden dem Finanzinvestor Triton Übernahmepläne für die Hamburger Firma nachgesagt, nachdem das Private-Equity-Haus seine Beteiligung an Evotec binnen kurzer Zeit auf 9,9 Prozent heraufgeschraubt hatte. Ob der Vorstand von Evotec seinen Aktionären empfehlen wird, das Angebot anzunehmen, bleibt. Per Ad-hoc betonten die Hamburger, dass sie „ohne vorherige Kontaktaufnahme“ von Halozyme Therapeutics eine „unverbindliche Interessenbekundung bezogen auf ein an die Aktionäre der Gesellschaft gerichtetes Übernahmeangebot“ erhalten haben. Der Vorstand werde diese Interessenbekundung nun sorgfältig analysieren, über weitere Schritte entscheiden und den Kapitalmarkt weiter informieren.
Schaeffler investiert in humanoiden Roboter
Robots-as-a-Service: Schaeffler Technologies hat eine strategische Minderheitsbeteiligung am US-amerikanischen Unternehmen Agility Robotics erworben, dem Hersteller des humanoiden Roboters Digit. Diese Investition ermöglicht es Schaeffler, humanoide Roboter in seinem globalen Werksnetzwerk zu integrieren und an über 100 Produktionsstandorten einzusetzen, um innovative Fertigungslösungen zu fördern. Durch den Deal treibt Schaeffler die Automatisierung von Fertigungsprozessen weiter voran.
Agility war Anfang des Jahres das erste Unternehmen, das humanoide Roboter offiziell kommerziell einsetzte. Schaeffler-COO Andreas Schick betonte, dass der Konzern „bis 2030 eine signifikante Anzahl von Humanoiden“ in den Schaeffler-Werken einsetzen will.
Weitere M&A-Deals
Bain Capital und die Hamburger Aquila Group haben eine Partnerschaft geschlossen, um eine führende Plattform für nachhaltige Rechenzentren in Europa zu schaffen. Bain erwirbt eine 80-prozentige Beteiligung an AQ Compute, der Rechenzentrumstochter von Aquila Group. Diese Allianz zielt darauf ab, neue Standards für den nachhaltigen Betrieb von Rechenzentren zu setzen und die Entwicklung von Hyperscale- und KI-fähigen Einrichtungen in Europa zu beschleunigen. AQ Compute, gegründet 2020, betreibt modulare Rechenzentren mit grüner Energie.
Die Klett Gruppe hat eine Mehrheitsbeteiligung am Berliner Start-up Careloop erworben. Diese strategische Partnerschaft zielt darauf ab, den Fachkräftemangel im deutschen Pflegesystem nachhaltig zu bekämpfen. Denn Careloop hat sich auf die Rekrutierung und Integration internationaler Pflegekräfte nach Deutschland spezialisiert, die durch einen digitalen Prozess vermittelt werden. Gemeinsam wollen die Unternehmen neue Märkte erschließen und die Qualifikation von Pflegepersonal durch Sprach- und Fachkurse verbessern. Gleiss Lutz unter der Federführung von Martin Viciano Gofferje und Julia Müller hat die Klett Gruppe beim Kauf der Mehrheitsbeteiligung beraten.
Der belgische Weizenmehlhersteller Dossche Mills hat eine Vereinbarung zur Übernahme von Mühle Rüningen getroffen, die Standorte in Rüningen, Salzgitter, Gelsenkirchen, Itzehoe und Celle umfasst. Mit dieser Akquisition wird Dossche Mills künftig 600 Mitarbeiter beschäftigen und über 2 Millionen Tonnen Weizen verarbeiten. Der kombinierte Umsatz soll rund 800 Millionen Euro betragen. Ziel der Übernahme ist es, die Kunden in den Benelux-Ländern, Deutschland und Frankreich effizienter zu bedienen und das Produktangebot zu erweitern. Clairfield International hat den Deal auf der Käuferseite beraten.
Turpaz Industries expandiert in den deutschen Markt für Lebensmittelaromen durch den Zukauf von Schumann & Sohn. Der Kaufpreis beträgt rund 10,7 Millionen Euro. Schumann, mit Sitz in Karlsruhe, ist seit 1948 in der Entwicklung und Produktion von Aromen tätig und verfügt über einen breiten Kundenstamm in Deutschland. Diese Akquisition stärkt Turpaz‘ Präsenz in Europa und ermöglicht Synergien durch Cross-Selling und Portfolioerweiterung. Turpaz, ein israelisches Unternehmen, ist in mehreren Regionen und Bereichen aktiv, darunter Duft- und Geschmacksstoffe. Heuking unter der Leitung von Marc Scheunemann hat Turpaz bei der Akquisition beraten.
M&A-Berater-News
Vincent Rühl kehrt zu MP Corporate Finance zurück und verstärkt dieses Mal das Beraterteam für die Metallindustrie. Bereits von 2016 bis Ende 2020 war Rühl, der von B&C Industrieholding kommt, bei der auf den Industriesektor spezialisierten M&A-Beratung als Senior Manager tätig. Mit seiner Erfahrung in der Begleitung komplexer Industrietransaktionen werde Rühl die M&A-Aktivitäten im Bereich Halbwerkzeuge verantworten, betont MP Corporate Finance. Zudem bringt er Expertise aus der Unternehmensberatung und dem Investmentbanking, unter anderem von Roland Berger und JP Morgan, mit.
Fabian Zimmer ist als Managing Director in der Global Technology Group bei Stifel eingestiegen. Er wird sich bei der Investmentbank auf M&A– und Fundraising-Transaktionen für Technologiekunden in der DACH-Region konzentrieren, mit besonderem Schwerpunkt auf Software, technologiegestützte Dienstleistungen und Industrietechnologie.
Deal unter M&A-Beratungen: Telescope Advisory Partners und Analysys Mason schließen sich zusammen. Telescope, mit Sitz in München und Frankfurt, ist vor allem auf M&A-Transaktionen in den Branchen Software und IT-Dienstleistungen spezialisiert. Analysys Mason ergänzt dies mit einer Expertise in digitaler Infrastruktur, Medien und Telekommunikation, einschließlich Kommunikationstürmen und „Internet of Things“. Hinter Analysis Mason steckt der Finanzinvestor Bridgepoint, der 2022 bei der Beratung eingestiegen war. Das Investment tätigte Bridgepoint aus dem Mid-Cap-Fonds.
Deals in Verhandlung
Der italienische Großaktionär MFE hat seinen Anteil an ProSiebenSat.1 auf 29,99 Prozent erhöht und nähert sich damit der kritischen 30-Prozent-Marke, ab der die Holding der Berlusconi-Familie ein Übernahmeangebot für den gesamten Konzern abgeben müsste. Diese strategische Beteiligungserhöhung könnte auf zukünftige Expansionspläne hindeuten, insbesondere wenn ProSiebenSat.1 Randgeschäfte wie Flaconi und Verivox veräußert. Die tschechische PPF-Gruppe, zweitgrößter Investor, erhöht ebenfalls den Druck auf das Management, um den Verkauf von Randaktivitäten zu beschleunigen. Nach einem geeigneten Käufer sucht der Medienkonzern schon länger.
Info
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Melanie Ehmann ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen am M&A- und Private-Equity-Markt. Sie hat Politikwissenschaften an der Technischen Universität Darmstadt studiert. Vor FINANCE arbeitete Melanie Ehmann sechs Jahre in der Redaktion des Platow Verlags, zunächst als Volontärin, später als Wirtschaftsjournalistin im Platow Brief und den Sonderpublikationen.
