Der neue Bilanzierungsstandard IFRS 9, der künftig die Bilanzierung von Finanzinstrumenten regeln soll, macht den Banken Sorgen: Sie rechnen mit doppelt so hohen Umsetzungskosten wie noch vor einem Jahr – und fürchten, dass sie nicht ausreichend technische und fachliche Ressourcen für die Umsetzung haben. Das ist das Ergebnis der fünften globalen IFRS-Bankenstudie von Deloitte, in der 59 global tätige Banken – davon 39 aus Europa – zu ihren Erwartungen hinsichtlich IFRS 9 beziehungsweise dem Pendant US-GAAP befragt wurden.
Die Banken sind schon seit Jahren nicht glücklich über den neuen Bilanzierungsstandard, der als Folge der Finanzkrise entstanden ist. Demnach müssen Banken ihre Vermögenswerte künftig anders klassifizieren und werden infolgedessen ihre Forderungen vermehrt zum Fair Value anstatt zu Anschaffungskosten ausweisen müssen. Zudem müssen sie ihre Kreditrisiken nach dem Expected-Loss-Modell statt nach dem Incurred-Loss-Modell abbilden – sie werden also früher als bisher eine Wertminderung ihrer Forderungen bilanziell abbilden müssen.
IFRS 9: Die Kostenschätzungen steigen
Das ist nicht nur eine potentielle Bedrohung für die Bilanzqualität vieler Banken, sondern offenbar auch ein stetig wachsender Kostentreiber: In der Deloitte-Befragung aus dem Jahr 2013 haben noch knapp 60 Prozent der Befragten damit gerechnet, dass es ihr Haus zwischen einer halben und 5 Millionen Euro kosten wird, IFRS 9 umzusetzen. Inzwischen glauben das nur noch knapp 40 Prozent. Stattdessen ist die Zahl derer gestiegen, die mit Kosten von bis zu 25 Millionen (33 Prozent, Vorjahr: 27 Prozent) oder sogar bis zu 100 Millionen Euro (24 Prozent, Vorjahr: 10 Prozent) rechnen.
Und mit den Umsetzungskosten ist es nicht getan. Die Mehrheit der Befragten rechnet anschließend mit laufenden Kosten von unter einer halben Millionen Euro pro Jahr. Ein Zehntel befürchtet aber laufende Kosten von bis zu 25 Millionen Euro. Hinzu kommt: Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, dass sie nicht ausreichend technische und fachliche Ressourcen haben, um ihre IFRS 9 ordentlich zum Abschluss zu bringen. Ein Viertel dieser Befragten befürchtete, dass der Markt auch nicht ausreichend Ressourcen zur Verfügung stellen kann, um diesen Mangel auszugleichen. Drei Viertel hingegen waren recht zuversichtlich, dass sie externe Expertise bekommen werden.
Größte Herausforderung: Die richtige Interpretation von IFRS 9
Abgesehen von der fehlenden Expertise sehen die befragten Banken die Herausforderung bei der Umsetzung darin, die verschiedenen Disziplinen – einschließlich Finanzen, Kredit, Risiko und IT – richtig zu koordinieren. Als weitere Herausforderung gilt die richtige Interpretation des Standards. Knapp die Hälfte will sich dabei an der Bankenaufsicht orientieren. Rund 30 Prozent macht die Interpretation von Wirtschaftsprüfern abhängig, nur 16 Prozent würden sich an der Peer Group orientieren.
Mehr als die Hälfte der Befragten nimmt außerdem an, dass das Expected-Loss-Modell auch Einfluss auf die Preisgestaltung von Finanzprodukten haben wird – und auf die eigene Bilanzqualität. Manche Banker befürchten einen IFRS 9-bedingten Anstieg der Kreditrisikovorsorge von bis zu 50 Prozent. Wenn IFRS 9 aber über höhere Risikokosten indirekt Kredite verteuert, dürften das auch die CFOs der Firmenkunden zu spüren bekommen. Die freuen sich aber trotzdem über die neue Bilanzvorschrift: Vor allem bei der Absicherung von Währungs- und Preisrisiken ist IFRS 9 ein echter Gewinn für die Unternehmen außerhalb der Finanzbranche.
Info
IFRS 9 wurde als Resultat der Finanzkrise beschlossen. Ende Juli vergangenen Jahres hatte der internationale Standardsetzer IASB den neuen Rechnungslegungsstandard veröffentlicht. Er ersetzt IAS 39. IFRS 9 soll ab 2018 gelten, die Anerkennung durch die EU (Endorsement) steht aber noch aus.
Vor wenigen Wochen hatte die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG), die die EU-Kommission bei der Übernahme berät, eine Übernahmeempfehlung ausgesprochen – damit ist das Endorsement einen großen Schritt näher gerückt. Im Gegensatz zu Banken haben sich die meisten CFOs von Industrieunternehmen über den neuen Standard gefreut: Er ermöglicht es ihnen, das Hedge-Accounting besser in der Bilanz abzubilden.
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