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Elanix und die fast leere Bilanz

Was war los bei Elanix? Das Biotechnologieunternehmen hat sein Vermögen viel zu hoch ausgewiesen, findet die DPR.
shironosov/iStock/Thinkstock/Getty Images

Immaterielles Vermögen ist das ewige Sorgenkind des Bilanzrechts – das hat jetzt auch Elanix zu spüren bekommen. Das Biotechnologieunternehmen zofft sich gerade ordentlich mit der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR). Der Vorwurf der „Bilanzpolizei“: Die Aktivierung des Patentnutzungsrechtes in der Bilanz im Konzernabschluss 2015 sei nicht zulässig gewesen.

Das Unternehmen ist mit der Entscheidung der DPR keinesfalls einverstanden, poltert es in einer Mitteilung. Kein Wunder, immerhin geht es um 22,5 Millionen, um die das Vermögen im Konzernabschluss 2015 laut DPR zu hoch ausgewiesen wurde. Ein Blick in den Konzernabschluss zeigt: Ohne die 22,5 Millionen läge das gesamte Vermögen des Unternehmens zum 31. Dezember 2015 bei lediglich knapp 160.000 Euro. Die Bilanz wäre also fast inhaltslos und das Eigenkapital ohne die Aktivierung des Patentes negativ, denn es lag 2015 bei nur 16 Millionen Euro.

Elanix-Aktienkurs gerät unter Druck

Negatives Eigenkapital ist bei Start-ups wie Elanix – das erst 2012 gegründet wurde – keine Seltenheit. Allerdings macht sich so ein Patent mit knapp 23 Millionen Euro schon ganz gut in der Bilanz. Es führt zu hohem Vermögen, schont damit den Gewinn und resultiert in einem positiven Eigenkapital. Die Abschreibungen mindern in den Folgejahren zwar den Gewinn, aber dies über einen längeren Zeitraum und scheibchenweise. Lediglich den Cashflow lässt es kalt, ob immaterielles Vermögen in der Bilanz angesetzt wird oder nicht.

Es geht bei Elanix also ums Eingemachte. Denn an diesem Patent hängt für das Unternehmen sehr viel: Es ist zum Erfolg verdammt. So heißt es doch im Halbjahresbericht 2016, dass das Patent an den Erfinder zurückfällt, wenn die Finanzierung der damit verbundenen Produkte nicht sichergestellt werden kann. 

Das lässt auch die Aktionäre nicht kalt: Nach Bekanntwerden des Fehlers im vergangenen November ist die Aktie zeitweise um 14 Prozent eingebrochen und hat sich seitdem immer noch nicht ganz erholt. Kein Wunder also, dass Elanix erbittert gegen die Fehlerfeststellung gekämpft hat: Nicht nur habe der Wirtschaftsprüfer Baker Tilly die korrekte Darstellung der Vermögenswerte testiert, auch eine Analyse von Ernst & Young habe sie bestätigt, betont Elanix nachdrücklich.

Biotechnologiebranche ist hochriskant

Es wird deutlich: Die Biotechnologiebranche ist ein hoch riskantes Geschäft. Die Entwicklung neuer Produkte zieht sich über viele Jahre hin und ist mit hohen Kosten verbunden. Die vielen Jahre der Forschung daran und das lange Warten auf einen möglichen Erfolg sorgen dafür, dass insbesondere im Bereich der Biotechnologie und der Pharmaindustrie immaterielles Vermögen nur selten in der Bilanz erfasst wird. Insbesondere, wenn es sich um eigene Forschungsleistungen im Unternehmen handelt.

Denn die für die Aktivierung erforderliche Trennung in die Forschungs- und Entwicklungsphase ist in der Biotech-Industrie sehr selten möglich. Elanix hingegen hat im Jahr 2015 keinerlei Forschungs- und Entwicklungskosten sofort als Aufwand und damit gewinnmindernd erfasst. Aus der Mitteilung des Unternehmens geht jedoch nicht hervor, ob es sich um ein erworbenes Patent handelt.

Immaterielles Vermögen ist entscheidender Werttreiber

Der Fall Elanix zeigt auch die Komplexität bei der Abgrenzung des immateriellen Vermögens. Die scheinbar klaren Regelungen scheinen bei der Anwendung in der Praxis doch unterschiedlich interpretiert zu werden.

Damit immaterielles Vermögen nach IFRS in der Bilanz angesetzt werden darf, müssen verschiedene Kriterien kumulativ erfüllt sein: Es muss zum einen identifizierbar sein, das Unternehmen muss einen künftigen wirtschaftlichen Nutzen haben und die Verfügungsmacht der Ressource muss beim Unternehmen liegen. Für immaterielles Vermögen, dass nicht entgeltlich erworben, sondern selbst geschaffen wird, gelten weitere strenge Kriterien für den Ansatz in der Bilanz.

Auf die Erfassung des immateriellen Vermögens wird künftig sicherlich viel Aufmerksamkeit zukommen. Denn schließlich gilt immaterielles Vermögen als entscheidender Werttreiber für Unternehmen – vor allem in Branchen mit einem hohen Maß an Innovationen, wozu auch die Biotechnologie-Industrie gehört.

Elanix akzeptiert den Fehler zähneknirschend

Und wie ist es nun bei Elanix ausgegangen? Am Ende hat sich das Biotechnologieunternehmen doch geschlagen gegeben. Man sei zwar nach wie vor davon überzeugt, dass die Bilanzierung korrekt ist, jedoch akzeptiere man nun die Fehlerfeststellung der DPR. „Letztlich sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es nicht zum Wohle der Gesellschaft und der Aktionäre sein kann, in einen Rechtsstreit mit der Bafin mit ungewissem Ausgang einzutreten“, schreibt das Unternehmen.

Durch die Korrektur, die Elanix nun vornehmen muss, ergeben sich auch Auswirkungen auf die künftigen Gewinne beziehungsweise Verluste, denn in den künftigen Geschäftsjahren entfällt die Abschreibung für das Patent. Doch dies ist für Elanix sicherlich nur ein schwacher Trost, denn die Problematik besteht nach wie vor: Laut den zuletzt veröffentlichten Zahlen aus dem Geschäftsjahr 2017 ist das immaterielle Vermögen durch jährliche Abschreibungen etwas gesunken und lag bei rund 21 Millionen Euro. Das Eigenkapital betrug nach wie vor rund 16 Millionen Euro und bliebe damit ohne Aktivierung des Patents negativ.

redaktion[at]finance-magazin.de

Info

„Abgeschminkt“ ist der neue FINANCE-Blog von Bilanzierungsexpertin Carola Rinker über aufgehübschte Unternehmenszahlen und skandalöse Bilanzkosmetik. Wie die Unternehmen ihre Zahlen im Rahmen des rechtlich Möglichen beeinflussen und wann sie Grenzen überschreiten, können Sie in loser Folge hier lesen.