Neue Hiobsbotschaft bei Steinhoff: Der angeschlagene Möbelkonzern hat einen Teil seiner Immobilien zu hoch bewertet und muss nun voraussichtlich drastische Abschreibungen vornehmen. Das gab das deutsch-südafrikanische Unternehmen, das aktuell wegen Ermittlungen nach Bilanzunregelmäßigkeiten unter Druck ist, in einer Ad-hoc-Mitteilung am gestrigen Dienstagabend bekannt.
Konkret geht es um ein Immobilienportfolio in Europa, zu dem 140 Produktionsstätten sowie Grundstücke in Österreich, den Niederlanden, Großbritannien, Osteuropa und der Schweiz gehören. In Österreich und Osteuropa handelt es sich hauptsächlich um Läden und Büros der Möbelkette Kika Leiner. Die Steinhoff-Tochter Hemisphere International, bei der diese Immobilien gebündelt sind, hatte die Bewertungsgesellschaft CBRE mit einer Neubewertung beauftragt.
Steinhoff-Immobilien viel zu hoch bewertet
CBRE kam nun zu einem Ergebnis, das deutlich vom bisherigen Wertansatz abweicht. Den Gutachtern zufolge hat das Portfolio auf Basis des Fair Value nur einen Wert von 1,1 Milliarden Euro – in den Büchern steht es aber noch mit dem doppelten Wert von 2,2 Milliarden Euro. Damit droht Steinhoff nun eine Milliardenabschreibung. Wie hoch die Abschreibung genau sein wird, werde erst noch gemeinsam mit dem Wirtschaftsprüfer ermittelt, erklärt der Konzern.
Klar ist aber, dass der neue Buchwert „wesentlich“ geringer sein werde als der bisherige, räumte Steinhoff bereits ein. Ob der verminderte Wertansatz der Immobilien weitere Folgen mit Blick auf Besicherungen oder Covenants nach sich ziehen wird, ist bislang nicht bekannt. Wäre dies der Fall, könnte dies die finanzielle Notlage des Möbelhändlers noch weiter verschärfen.
Steinhoff erklärt die zu hohe Bewertung dadurch, dass Leerstände bisher nicht berücksichtigt worden seien. Auch Mieten, die Steinhoff-Gesellschaften untereinander bezahlt hatten, gingen demnach in die bisherige Bewertung ein – bei der Neubewertung wurden nun hingegen nur Mietverträge berücksichtigt, die mit Außenstehenden geschlossen wurden.
Nicht betroffen von den Abschreibungen sind die Immobilien des deutschen Möbelhändlers Poco sowie der Unternehmen Conforma, Harvey, Bensons for Beds, Dealz, Pepkor Europe und Poundland Businesses. Diese nutzen eigene Immobilien oder mieten sie von Dritten an.
Steinhoff-Aktie seit dem Aufkommen des Bilanzskandals auf Talfahrt
Loan to Value bei Hemisphere dramatisch verschlechtert
Das Milliardenloch bei Hemisphere könnte für Steinhoff schwere Folgen haben. FINANCE-Informationen zufolge muss Hemisphere im August einen Kredit über 750 Millionen Euro refinanzieren. Die Gläubiger, zu denen inzwischen zahlreiche Hedgefonds gehören und kaum mehr die ursprünglichen Banken, bringt das in eine verzwickte Lage, denn die gestrige Hiobsbotschaft schwächt auch deren Verhandlungsposition.
Nach Einschätzung der FINANCE-Quellen hat sich das Verhältnis der Schulden zu den Vermögenswerten („Loan to Value“) bei Hemisphere in Richtung 1:1 dramatisch verschlechtert. Dies bedeutet, dass der Wert der Immobilien das ausstehende Kreditvolumen wenn überhaupt, dann nur noch geringfügig übersteigt. Die Hemisphere-Kredite drohen also, „unter Wasser“ zu geraten. Steinhoff wollte diese Informationen auf FINANCE-Nachfrage nicht kommentieren, verwies aber darauf, dass ein Großteil der aktuell verkündeten Abwertungen bereits in dem im Dezember 2017 genannten Wertberichtigungsbedarf berücksichtigt worden war.
Diese Entwicklung hat Folgen: Hemisphere fällt als mögliche Liquiditätsquelle für Steinhoff weg. Verkauft der Konzern die Tochtergesellschaft oder deren Immobilien, dürfte der Großteil des Verkaufserlöses an die Kreditgeber von Hemisphere fließen.
Die Gläubiger der Finanzierungsgesellschaft Steinhoff Europe Finance, über die Steinhoff Anleihen und Schuldscheine ausgegeben hat, verlieren damit einen wichtigen Hoffnungswert, dass Steinhoff über Notverkäufe genügend Geld beschaffen kann, um die Rückzahlung der Kapitalmarktpapiere sicherzustellen. Sollten die Gläubiger der Europe Finance Holding daraufhin die Reißleine ziehen, droht Steinhoff eine dramatische Zuspitzung der Finanzierungskrise.
Steinhoff verschob Bilanzvorlage mehrfach
Die neue Bewertung des Immobilienportfolios soll in die Bilanz 2016/2017 (Ende des Geschäftsjahres: September 2017) einfließen. Der Konzern sollte diese eigentlich bereits im Dezember vorgelegt haben, musste die Vorlage aber mit dem Aufkommen des Bilanzskandals zwei Mal verschieben. Im März gab Steinhoff schließlich bekannt, dass mit einer Veröffentlichung wohl erst Ende 2018 zu rechnen sei. Außerdem muss der Konzern auch die Bilanzzahlen für 2016 und in Teilen sogar für 2015 überprüfen.
Diverse Hiobsbotschaften – unter anderem der Abgang mehrerer Manager, eine Anzeige gegen den ehemaligen Chef Markus Jooste oder Verhandlungen mit Finanzierern über Stillhalteabkommen – hatten den Aktienkurs in den vergangenen Monaten massiv gedrückt. Im Laufe des heutigen Tages fiel er um rund 7 Prozent auf 21 Cent. Er nähert sich damit wieder dem Rekordtief von 20 Cent, das Ende März markiert wurde. Die Meldung, wonach sich Steinhoff vor wenigen Wochen von Anteilen an seiner südafrikanischen Beteiligung Kap Industrial trennen konnte, um mit den Mitteln Schulden zu bedienen, stoppte die Talfahrt nicht.
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