Das ERP-System ist das Nervensystem eines Unternehmens. Die Software für das Enterprise-Resource-Planing steuert alle Ressourcen wie Kapital, Personal oder Material des Unternehmens – ohne sie geht also nichts. Entsprechend hoch ist das Angebot an ERP-Systemen auf dem Markt. Aber wie findet man das richtige für das eigene Unternehmen? Gerade wenn das Controlling eines Unternehmens neu aufgebaut oder komplett umstrukturiert werden muss, stehen CFOs vor dieser schwierigen Frage.
„Die ERP-Landschaft hat sich in den vergangenen Jahren extrem gewandelt“, hat Eric Scherer, Geschäftsführer der Unternehmensberatung i2s Consulting, beobachtet. Gab es vor zehn Jahren noch bis zu 250 verschiedene ERP-Software-Anbieter im deutschsprachigen Markt, ist diese Zahl heute auf rund 40 Anbieter geschrumpft, die branchenübergreifend tätig sind.
„Früher gab es viele kleine Software-Unternehmen, die ERP-Systeme entwickelt und vertrieben haben“, erinnert sich Scherer. „Doch mit dem zunehmenden technologischen Wandel und dem Zwang zur Internationalisierung mussten die kleinen Unternehmen immer schneller neue Entwicklungen und Updates liefern – das Geschäft hat sich für viele einfach nicht mehr gelohnt.“
SAP-Partner bringen branchenspezifische Lösungen
SAP hat seine Führungsposition kontinuierlich ausgebaut. Dabei liefert das Unternehmen vor allem Standardfunktionen, die branchenübergreifend geeignet sind. Die kleineren Softwareanbieter haben sich währenddessen zu Nischenanbietern entwickelt, die sich auf die Branchenspezifika spezialisiert haben. SAP hat den Lizenzverkauf weitgehend an Brachen-Partner ausgelagert – die inzwischen Hunderte Partnerlösungen anbieten. „Ein CFO, der auf der Suche nach dem richtigen ERP-System ist, muss sich daher jetzt folgende Frage stellen: Ist ein ERP-System über einen Partner in meiner Branche vertreten?“, rät Scherer.
Diese Aufgabenverteilung zwischen den großen Anbietern und den Partnern hat sich inzwischen gut eingespielt. Daneben gibt es aber immer noch einige wenige Anbieter, die selbstständig geblieben sind. Dabei handelt es sich um lokale Unternehmen, die ERP-Software für den Mittelstand anbieten. Bekannte Vertreter sind hier die ERP-Systeme von ABAS und ProAlpha, das von dem gleichnamigen Unternehmen in Karlsruhe und Weilerbach (Rheinland-Pfalz) vertrieben werden. Weitere bekannte Anbieter von ERP-Systemen für den Mittelstand sind Comarch, IFS oder Infor.
Lokale ERP-Anbieter punkten mit Nähe
Interessant sind kleinere Anbieter für Unternehmen, die ebenfalls lokal verwurzelt sind und in einer engen Beziehung zum Softwarehersteller stehen wollen. „Diese Anbieter leben vor allem von der Kundennähe. Es gibt keine Arroganz der anonymen Firma“, sagt Scherer. Gerade bei den Mittelständlern hat eine SAP den Ruf weg, einfach „zu groß“ zu sein. Neben den lokalen Anbietern gibt es auch noch Software-Unternehmen, die extrem spezialisierte ERP-Software anbieten – je nach Branche kann es sich hier für CFOs lohnen, einen Blick darauf zu werfen.
Für viele Unternehmen bleibt aber SAP die Nummer 1. Immerhin ist das Softwarehaus nicht nur branchenübergreifend, sondern auch international tätig, was auch für Mittelständler immer mehr zum Thema wird. Hinzu kommt, dass SAP für sich in Anspruch nimmt, technologischer Vorreiter zu sein – das neueste ERP-System mit dem Namen SAP S/4 Hana verspricht mit einer neuen Datenbank und einem neuen Verständnis der Finanzabteilung sogar eine regelrechte Revolution.
Wie zukunftsfähig ist meine ERP-Software?
Eric Scherer ist aber skeptisch, ob davon alle Unternehmen etwas haben: Unternehmen, die riesige Mengen von Kundendaten hätten – zum Beispiel im Einzelhandel – würden sicher davon profitieren, wenn sie dank einer neuen Datenbank die Daten schneller auswerten und sofort reagieren können. „Doch was bringt es einem durchschnittlichen Maschinenbauer, wenn seine Software einen Report in 3 Sekunden statt in 3 Minuten ausgibt?“. Hinzu kommt: Die neue ERP-Software von SAP ist natürlich teurer als die Software des kleinen lokalen Anbieters – auch das ist ein Aspekt, der sicher eine wichtige Rolle bei der Auswahl spielt.
Die Preise sind allerdings häufig undurchsichtig. Oft werden in einem ersten Schritt Fixpreisprojekte angeboten, die nicht so teuer sind. Dabei ist allerdings die Leistungsbeschreibung schwammig und auf das Unternehmen kommen Folgekosten zu – das ist eine typische Falle, in die CFOs tappen, hat Scherer beobachtet.
Und angesichts der fortschreitenden Konsolidierung im Markt gibt es noch einen weiteren Aspekt, der nicht außer Acht gelassen werden darf: Auch wenn der lokale Anbieter günstiger und näher ist, müssen CFOs sich fragen, wie lange es ihn noch geben wird. Denn wenn man sein ERP-System wieder neu aufsetzen muss, weil der Anbieter zugemacht hat, kann das doch wieder ganz schön teuer werden.
Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.