Wie sehr treffen die jetzt verhängten Sanktionen deutsche Unternehmen bei ihren Geschäften mit Russland?
Das Waffenembargo trifft die Unternehmen der Rüstungsindustrie besonders hart. Doch auch für Anbieter sogenannter Dual-Use-Güter, die sowohl militärisch als auch zivil genutzt werden können, beginnt nun eine schwierige Zeit: Für diese Güter – zu denen etwa bestimmte Werkstoffe, Elektronik für Luft- und Schifffahrt oder Telekommunikationsprodukte zählen – gilt jetzt ein bedingtes Exportverbot nach Russland. Rheinmetall verbot Berlin den Verkauf eines Gefechtsübungszentrums an die russischen Streitkräfte. Damit geht dem MDax-Konzern ein Geschäft im Wert von über 120 Millionen Euro fürs Erste durch die Lappen.
Die Ausfuhr von sensiblem Material ist zwar nur dann verboten, wenn die Produkte an militärische Endnutzer gehen. Doch bei russischen Mischkonzernen ist nicht immer klar nachzuweisen, wie die gelieferten Güter verwendet werden sollen. Auch für die Hersteller von Spezialtechnologien, allen voran im Bereich der Öl- und Gasförderung, gilt ein Zulieferstopp. Insbesondere die Maschinen- und Anlagenbauer sehen ihr Geschäft in Russland wegbrechen. In den ersten fünf Monaten des Jahres sind die deutschen Maschinenexporte nach Russland um 20 Prozent eingebrochen.
Droht nun ein Handelskrieg, und sind jetzt auch Vermögenswerte deutscher Unternehmen in Russland in Gefahr?
Ja, die ersten Reaktionen Russlands deuten darauf hin, dass tatsächlich ein Handelskrieg aufzieht. So darf Obst und Gemüse aus Polen nicht mehr nach Russland importiert werden. Ähnliche Vergeltungsmaßnahmen – Importverbote oder die Erhöhung von Zöllen – sind auch gegen andere EU-Staaten denkbar. Auch mit steigenden Gaspreisen hat Putin schon gedroht.
Die deutschen Unternehmen sind vorsichtig geworden. Schon seit Monaten haben sie Neuinvestitionen in Russland aufgeschoben, und die Kapitalflucht aus Russland verschärft sich. Derzeit spricht allerdings (noch) nichts dafür, dass Moskau zum Äußersten greifen könnte: der Enteignung ausländischer Assets. Allerdings kommt das Urteil eines internationalen Schiedsgerichts, das den früheren Eigentümern des vom Kreml zerschlagenen Ölkonzerns Yukos 50 Milliarden US-Dollar Schadensersatz zugesprochen hat, zur Unzeit. Die Gefahr, dass Putin sich mit juristischen Nadelstichen gegen die Russland-Töchter ausländischer Konzerne revanchiert, ist gewachsen.
Dennoch scheinen die meisten deutschen Unternehmen bislang noch an ihren Investitionsplänen in Russland festzuhalten. So hat beispielsweise der Werkzeugmaschinenbauer DMG Mori Seiki in der vergangenen Woche bekräftigt, den Bau seines neuen Werkes in Uljanowsk nicht unterbrechen zu wollen.
Kommt noch mehr?
Ja, sofern die Lage in der Ukraine weiter eskaliert. Die EU hat bewiesen, dass sie bereit ist, eigene Nachteile hinzunehmen, um Russland in die Schranken zu weisen – wenn auch erst, nachdem sie durch den Abschuss einer Passagiermaschine direkt in den Konflikt hineingezogen wurde.
Und die EU hätte noch weitere Sanktionen im Köcher: Bei den für Russland sehr schmerzhaften Finanzsanktionen zielt sie bislang nur auf den Zugang russischer Staatsbanken zu den EU-Anleihemärkten. Die kurzfristige Finanzierung über den Geldmarkt und den Zahlungsverkehr hat sie noch nicht direkt angetastet. Dass dies noch kommen kann, wird Moskau beunruhigen, denn es war in erster Linie der Ausschluss vom internationalen Zahlungsverkehr, der dem Iran wirtschaftlich schwer geschadet hat: Im Iran tätige Unternehmen sind kaum noch in der Lage, Rechnungen ihrer Geschäftspartner zu bezahlen, und umgekehrt.
Da Russland für die Weltwirtschaft aber viel wichtiger ist als der Iran, ist es momentan noch unwahrscheinlich, dass die Iran-Sanktionen als Blaupause im Russland-Konflikt herangezogen werden. Und auch die Entschlossenheit der Europäer, die Sanktionsspirale weiter zu drehen, wenn ihre Unternehmen bereits darunter zu leiden beginnen, wird von Vielen infrage gestellt.
Was bedeutet das alles für den russischen Rubel?
Kostete ein Euro vor einem Jahr noch 40 Rubel, sind es jetzt schon 48. Im Frühjahr wurde sogar schon einmal kurz die 50-Rubel-Marke durchbrochen. Die Talfahrt des Rubel macht schon jetzt manchen deutschen Unternehmen wie etwa Adidas schwer zu schaffen.
Die Devisenstrategen von Morgan Stanley erwarten einen weiteren Verfall des Rubels – warnen aber davor, die Rechnung ohne Moskau zu machen. Interventionen der russischen Zentralbank könnten für eine Trendwende sorgen, verfügt die Notenbank doch über reichlich Schlagkraft in Form von Gold- und Devisenreserven. Die Anspannung am russischen Devisenmarkt wird wohl hoch bleiben – genauso wie die Volatilität.
Könnten die Sanktionen im Fall einer Entspannung auch schnell wieder gelockert werden?
Ja, das haben die EU und die USA explizit betont. Viele Sanktionen sind nach Einschätzung der Russland-Expertin Susan Stewart von der Stiftung Wissenschaft und Politik auch bewusst so aufgesetzt worden, dass sie ohne lange Nachwirkungen schnell wieder beendet werden könnten, zum Beispiel die Reisebeschränkungen und Kontosperren für Personen und Konzerne aus dem Umfeld Putins.
Auch das für deutsche Exporteure bittere Verbot, Spitzentechnologie nach Russland auszuführen, könnte binnen weniger Tage beendet werden. Das gilt auch für die Kapitalmarktsanktionen wie das seit kurzem geltende Verbot, Bonds und Aktien von russischen Emittenten mit einer Laufzeit von mehr als 90 Tagen zu erwerben.