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Aktivisten stärken Einfluss in Europa

Immer häufiger mischen aktivistische Investoren auch in Europa mit – wie setzen sie sich durch?
Tzido/iStock/Getty Images Plus

Unternehmen bekommen immer mehr Druck von aktivistischen Investoren. Allein im ersten Quartal dieses Jahres wurden weltweit 57 neue Kampagnen gegen 53 Unternehmen gestartet. Diese Zahlen präsentierte die Investmentbank Lazard vor Journalisten in Frankfurt. Lazard schlägt sich nach eigener Aussage immer auf die Seite der Unternehmen und berät diese im Umgang mit Aktivisten.

Die Hälfte der Kampagnen sind M&A-getrieben

Derzeit verfolgen Aktivisten Lazard zufolge für ihre Kampagnen vor allem transaktionsbezogene Anlässe: Knapp die Hälfte aller in diesem Jahr gestarteten Kampagnen seien M&A-getrieben. Häufige Forderung der Aktivisten: Sie verlangen die Abspaltung von Unternehmensteilen oder den kompletten Rückzug aus Geschäftseinheiten. Aktivisten denken ähnlich wie ein Private-Equity-Investor, der einen spezialisierten Branchenchampion einem unfokussierten Industriekonglomerat vorzieht, glaubt Lazard.

Ganz vorne bei aktivistischen Kampagnen mischt ein bekannter Player mit: Der Hedgefonds Elliott behauptet sich im Lazard-Ranking der aktivsten Aktivisten ganz oben – mit bereits vier in diesem Jahr gestarteten Kampagnen mit Aktienpositionen im Wert von 1,7 Milliarden Dollar. Der Wert aller derzeit laufenden Kampagnen von Elliott summiert sich Lazard zufolge auf rund 15,2 Milliarden Dollar. Auf den Hedgefonds von Paul Singer folgt die Investmentgesellschaft ValueAct mit rund 10 Milliarden Dollar Kampagnen-Wert. Auf Rang drei setzt sich der schwedische Finanzinvestor Cevian fest, der unter anderem die Aufteilungspläne von ThyssenKrupp vorantrieb, mit Kampagnen im Wert von 9,6 Milliarden US-Dollar.

Aktivistische Investoren halten in Deutschland Einzug

Das Neue: In den USA sind Aktivisten fester Bestandteil des Kapitalmarkts. „In den vergangenen zwei Jahren konnten wir aber auch verstärkt aktivistische Kampagnen in Europa beobachten“, berichtet Jim Rossman, Managing Director und Leiter der Shareholder Advisory Group von Lazard. „Von jedem Dollar, der in aktivistische Kampagnen gesteckt wird, fließen heute 25 Cent nach Europa“, so Rossman. Früher seien noch 90 Cent in US-Kampagnen investiert worden.

Ein aktuelles Beispiel für das Interesse an europäischen Konzernen sind die Bemühungen des schwedischen Aktivisten Cevian bei dem Schweizer Industriekonzern ABB: Dort fordert der Aktivist Lazard zufolge weitere Kostensenkungen, obwohl die ABB-Führung den Schweden schon mit dem Verkauf des Stromnetzgeschäftes weit entgegen kam. Cevian hält rund 5 Prozent an ABB und hat das finale Ziel, die Schweizer Industrieikone in eine Elektronik- und eine Automatisierungsfirma aufzuspalten.

Auch gegen den Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé läuft eine Kampagne: So fordert der aktivistische Investor Third Point von Nestlé eine konsequentere M&A-Strategie – und zielt dabei auf den Verkauf von Teilen der Lebensmittelsparte Herta ab. Third-Point-Gründer Daniel Loeb ist mit rund 3 Milliarden US-Dollar an Nestlé beteiligt, was ungefähr 1,3 Prozent der Unternehmensanteile entspricht.

Wie gelingt Aktivisten der Durchbruch?

Doch wie schaffen es Aktivisten wie Elliott beim Arzneimittelkonzern Stada, Cevian bei ThyssenKrupp oder Third Point bei Nestlé, mit kleinen Aktienpaketen solch großen Druck auf die Unternehmen auszuüben und ihre Kampagnenziele durchzusetzen? Lazard glaubt, dass die Aktivisten von einer Veränderung in der Shareholder-Basis profitieren: „Der Aktionärskreis in den USA hat sich maßgeblich verändert“, leitet Rossman ein und nennt dazu drei Schlagworte: passiv, institutionell, konzentriert.

Worauf der Berater damit anspielt: Die Aktionärsstruktur amerikanischer Unternehmen wird immer stärker von großen institutionellen Investoren mit passiven Anlagestrategien dominiert, die große Aktienpakete halten. Die Aktien seien mit dieser Aufteilung häufig unter weniger als einer Handvoll Aktionären verteilt – ein Trend, der Rossman zufolge auch in Deutschland Einzug halten wird.

Dies machen sich Aktivisten zunutze, indem sie versuchen, die wenigen großen Ankeraktionäre von ihren Kampagnen zu überzeugen. Stimmen diese zu, kann der Aktivist seinen Zielen im Vorstand und Aufsichtsrat sehr stark Gehör verschaffen. Lazard nennt diese Aktionäre „Vocalists“, die ihren Interessen zunehmend auch öffentlich über offene Briefe an den Vorstand Nachdruck verleihen, wie zuletzt beispielsweise Blackrock oder State Street. Lazard beobachtet auch Vocalists, die sich verstärkt sogar fast identisch wie Aktivisten verhalten und nennt als Beispiel dafür Neuberger Berman und Wellington.

olivia.harder[at]finance-magazin.de

Info

Aktivisten wie Cevian oder Elliott werden auch in Deutschland immer stärker. Wen sie im Visier haben, erfahren Sie auf der FINANCE-Themenseite aktivistische Investoren.