Es hat sich einfach nicht mehr gelohnt: Mit Siemens zieht sich erneut ein deutsches Unternehmen von der New Yorker Börse (NYSE) zurück. Der neue Vorstandschef Joe Kaeser und sein Nachfolger als CFO, Ralf Thomas, reagieren damit auf das „veränderte Verhalten der Investoren“, wie sie bei der Hauptversammlung erklärten: Das Handelsvolumen der Siemens-Aktien in den USA hatte 2013 im Schnitt weniger als fünf Prozent betragen. Die meisten Transaktionen finden schon seit Jahren über Xetra und außerbörsliche Plattformen statt – auch bei den US-Investoren.
Damit werden bald nur noch drei deutsche Dax-Unternehmen an der New Yorker Börse notiert sein: SAP, Fresenius Medical Care und die Deutsche Bank. Dass es ausgerechnet diese drei Konzerne sind, überrascht nicht: Beim Softwarehaus SAP hält sich schon seit längerem das Gerücht, der Sitz könnte in die USA verlegt werden, mit Bill McDermott ist einer der beiden Co-CEOs Amerikaner. Fresenius Medical Care ist aus der Fusion mit einem US-Unternehmen hervorgegangen und macht immer noch 65 Prozent seines Umsatzes in den USA. Für die Deutsche Bank ist die Präsenz an der Wall Street allein schon aus Reputationsgründen wichtig.
Telekom, Daimler, BASF und andere sind schon weg
Siemens ist mit der Aufgabe der US-Börsennotierung schon fast ein Nachzügler: Von 2007 bis 2010 schwappte eine große Rückzugswelle durch Deutschland. Altana, SGL Carbon, BASF, Eon und Bayer, später auch die Deutsche Telekom, Daimler und die Allianz verabschiedeten sich in dieser Zeit von ihrem Listing an der US-Börse. Die amerikanische Börsenaufsicht SEC hatte 2007 das Delisting für ausländische Firmen erleichtert. Viele Unternehmen nutzten diese Chance. Durch den 2006 für ausländische Unternehmen in Kraft getretenen Sarbanes Oxley Act waren sie immer strenger reguliert worden, der US-Handel mit den Aktien war zudem häufig seit Jahren hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Der Aufwand, den deutsche Firmen für die Erfüllung der Regulierungsvorgaben und die Finanzberichterstattung betreiben mussten, zahlte sich nicht aus. Im Gegenteil: Der Aufwand bindet vielfach nur Ressourcen, die in der Investor-Relations-Abteilung ohnehin häufig knapp sind: Im Schnitt beschäftigten DAX-Unternehmen 2012 dort 12,6 Mitarbeiter, im MDax und SDax waren sogar nur zwei bis drei Mitarbeiter für Investor Relations zuständig. Bei einer Zweitnotierung fallen viele Arbeiten schlicht doppelt an. Darüber hinaus summierten sich die Gebühren für die Notierung je nach Größe des Unternehmens auf einen niedrigen bis mittleren einstelligen Millionenbetrag.
Siemens steckte während der ersten Rückzugswelle noch mitten in der Aufarbeitung seines Schmiergeldskandals, der 2006 öffentlich geworden war. Vertrauen und Transparenz waren da besonders wichtig. Ein Delisting in den USA wäre damals wohl das falsche Signal an die Anleger gewesen. Jetzt aber kann das Münchener Unternehmen den Schritt nachholen.