„Transfer Pricing ist zu wichtig, um es allein der Steuerabteilung zu überlassen“. Dieser Aussage stimmten bei einer kürzlich stattgefundenen EY-Mandantenveranstaltung 86 Prozent der knapp 70 Teilnehmer aus Finanzressorts großer deutscher Unternehmen zu. Damit steuerlich nichts schief geht, müssen angrenzende Bereiche wie Rechnungswesen, Controlling und IT bei der Festlegung, laufenden Überwachung und Dokumentation von Transferpreisen einen ebenso gewichtigen Beitrag leisten.
Das Problem: Diese Zentralbereiche sind oft engen Budgetrestriktionen unterworfen, Ziele zum Transfer Pricing finden sich hier so gut wie nie und das Interesse ist ohnehin begrenzt. Alarmierend: Die Aufgabe wird außerhalb von Steuerabteilungen mehrheitlich als lästig und nicht wertschöpfend empfunden. Dies äußerten knapp 70 Prozent der im Rahmen einer empirischen Studie von EY im zweiten Halbjahr 2016 befragten 60 Großunternehmen. Weitere 25 Prozent stimmten zumindest teilweise zu.
CFOs müssen das ändern und Transfer Pricing zur Chefsache erklären. Denn wer am falschen Ende spart, der riskiert nicht nur hohe Steuernachzahlungen für das Unternehmen. Es droht auch die persönliche Haftung.
Transferpreise: Es geht um hohe Summen und Haftungsfragen
Der Finanzchef trägt die Verantwortung, wenn in Steuerprüfungen der Vorwurf des Organisationsversagens im Raum steht und jeder Bereich auf die Zuständigkeiten des anderen verweist. Werden Budgets für Transfer Pricing funktional verankert, gekürzt oder auch gänzlich gestrichen, besteht die Gefahr, dass Transferpreisen zu wenig Aufmerksamkeit zu teil wird. Hat der CFO das Thema dagegen an sich gezogen, können sich einzelne Funktionen nicht unbemerkt auf eigene Bereichsinteressen zurückziehen.
Chefsache ist Transfer Pricing bislang allerdings nur in wenigen Unternehmen: In der EY-Studie sehen nur 22 Prozent der Teilnehmer die Federführung wie auch das erforderliche Budget zur funktionsübergreifenden Umsetzung auf Ebene der Geschäftsleitung, die Hälfte allein in der Steuerabteilung und 28 Prozent im Bereich Rechnungswesen/Controlling.
BEPS verschärft die Diskussion um Transferpreise
Das Thema Transfer Pricing ist für den CFO zwar nicht neu, doch es wird zunehmend präsenter: Steuerverantwortliche berichten immer häufiger von schwierigen Betriebsprüfungen im In- und Ausland und klagen über die steigenden Dokumentationsanforderungen. Mit der OECD-Initiative „Addressing Base Erosion and Profit Shifting“, kurz BEPS, rücken Transferpreise weiter in den Fokus. Bereits für das Jahr 2016 müssen Unternehmen ihre globale Gewinnverteilung und Steuerzahlungen detailliert aufschlüsseln (Country-by-Country-Reporting).
Die Bedeutung der Transferpreise ist dabei immens: Es ist keine Seltenheit, dass Innenumsätze eines Konzerns die gleiche Größenordnung erreichen wie die Drittumsätze. Steuerbehörden, die Transferpreise angreifen, können schnell sehr viel mehr vom globalen Ergebniskuchen eines Konzerns besteuern. Nachforderungen im ein- oder zweistelligen Millionenbereich sind durchaus üblich.
Da die Rechtslage selten eindeutig ist, akzeptieren viele CFOs eine schnelle ‚Basarlösung‘. Sie scheuen auch davor zurück, komplexe zwischenstaatliche Verständigungsverfahren anzustoßen und nehmen den Cash-out-Effekt aus Doppelbesteuerung hin. Meist lassen bestehende Rückstellungen die Nadel der Konzernsteuerquote ohnehin nur geringfügig ausschlagen.
CFOs sollten ein Tax Compliance System einführen
Doch im Transfer Pricing geht es nicht nur um Geld, sondern auch um Haftung: Die Geschäftsleitung, in erster Linie der CFO ist für die Sicherstellung der steuerlichen Compliance verantwortlich. Bei leichtfertigen Steuerverkürzungen oder gar Vorsatz können auch höchstpersönliche Konsequenzen drohen.
Aufhorchen lassen sollte ein Schreiben der deutschen Finanzverwaltung aus dem vergangenen Sommer: Existiert ein wirksames Compliance Management-System für Steuern (Tax-CMS), kann das ein Indiz sein, dass weder Leichtfertigkeit noch Vorsatz ursächlich für eine festgestellte Steuerverkürzung sind. CFOs können daraus leicht den Umkehrschluss ziehen: Haben sie noch kein Tax-CMS eingeführt, könnte es im Zweifel auch für sie persönlich brenzlig werden.
Für Finanzchefs sollte dies ein Weckruf sein: Verschärfte steuerliche Gesetzgebungen und immer höhere Erklärungs- und Transparenzpflichten setzen die bestehenden Aufsichtspflichten der Organe in Bezug auf Steuern und Transfer Pricing in ein ganz neues Licht. Wenn ein persönlich adressiertes Schreiben der Straf- und Bußgeldsachenstelle mit Verweis auf einen Transfer-Pricing-Sachverhalt eintrifft, ist es meist zu spät.
Transferpreise benötigen professionelles Reporting
Für viele als selbstverständlich geltende Aufgaben des Finanzressorts wurden Verantwortungen klar geregelt, Prozesse etabliert und professionelle IT-Reporting-Systeme geschaffen. Dies reduziert das Fehlerpotential und macht wiederkehrende Arbeit effizient. Transfer Pricing ist hiervon noch weit entfernt. Dabei ist es dringend notwendig, dass das Thema dasselbe Niveau an Professionalisierung und Automatisierung erreicht, mit dem etwa Monats- und Jahresabschlüsse erstellt werden.
CFOs, die sofort an die damit verbundenen Kosten denken, sollten den Satz des ehemaligen stellvertretenden US-Generalstaatsanwalts McNulty verinnerlichen: „If you think compliance is expensive, try non-compliance“.