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EN Storage: Anleihegläubigern drohen massive Verluste

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Der vorläufige Insolvenzverwalter fand bei dem IT-Infrastrukturanbieter EN Storage nur „wenige Server“. Für die Anleiheinvestoren sind das ganz schlechte Nachrichten.
scanrail/iStock/Thinkstock/Getty_Images

Bei EN Storage im schwäbischen Herrenberg bahnt sich ein Wirtschaftskrimi an: Ende Februar meldete das Unternehmen nach einer Durchsuchung der Staatsanwaltschaft Insolvenz an. Nun hegt der vom Amtsgericht Stuttgart bestellte vorläufige Insolvenzverwalter Holger Leichtle von der Kanzlei Schultze & Braun einen schwerwiegenden Verdacht: „Stand heute müssen wir davon ausgehen, dass ein Großteil des ausgewiesenen Geschäfts gar nicht existierte und dass die Gelder der Anleger nicht in die versprochene Infrastruktur investiert wurden“, lautet seine ernüchternde Bestandsaufnahme.

Ende Februar hatte die Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen Betrugsverdachts die Geschäftsräume von EN Storage durchsucht. Das Unternehmen hatte vorgegeben, internationalen Unternehmen und Behörden IT-Infrastruktur zur Datenspeicherung bereitzustellen. Für das Geschäftsjahr vom 1. April 2015 bis zum 31. März 2016 hatte EN Storage im Jahresabschluss von einem Jahresüberschuss von 6 Millionen Euro und einer Eigenkapitalquote von 34 Prozent gesprochen. Der Jahresumsatz soll in dem Geschäftsjahr von 29 Millionen Euro auf 55,1 Millionen Euro gestiegen sein. Hinter diesen Zahlen steht nun ein großes Fragezeichen.

EN Storage sammelte Geld über Anleihen ein

Die erste Aufarbeitung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter ist nicht nur für die 76 Mitarbeiter von EN Storage eine Hiobsbotschaft, die derzeit Insolvenzgeld erhalten. Auch eine ganze Reihe von Investoren muss um ihr Geld bangen. EN Storage hat über Inhaber-Teilschuldverschreibungen Gelder eingesammelt, die in den Ausbau der Server-Infrastruktur fließen sollten.

Laut Geschäftsbericht war allein eine Mitte Dezember 2015 aufgelegte Anleihe über bis zu 15 Millionen Euro zum Ende des Geschäftsjahres bereits zu einem Drittel platziert und sollte in den folgenden Monaten vollständig an den Markt gebracht werden. Die Anleiheinvestitionen verzinste EN Storage je nach Laufzeit mit Kupons von bis zu 7 Prozent.

EN Storage hatte 2014 Ärger mit der Bafin

Schultze & Braun spricht von mehr als 2.000 betroffenen Anlegern – EN Storage wäre damit ein weiterer Ausfall in der langen Pleiteserie bei Mittelstandsanleihen. Allerdings sind die Bonds von EN Storage keine typischen Mittelstandsanleihen, da sie nicht klassisch in einem Mittelstandssegment einer deutschen Börse begeben und gehandelt wurden.

Wie viel Geld EN Storage über die Instrumente genau eingesammelt hat, lässt sich im Detail nicht nachvollziehen. Auf der Homepage von EN Storage finden sich hierzu bereits keine Informationen mehr. Das Unternehmen stellte offenbar auf eine Anleihefinanzierung um, weil eine vorherige Finanzierungsstrategie den Argwohn der Finanzaufsicht Bafin geweckt hatte. EN Storage hatte sich zuvor auch über Direktinvestments finanziert. 2014 stufte die Bafin bestimmte Verträge als unerlaubtes Einlagengeschäft ein und ordnete eine Rückabwicklung an.

Schadenshöhe im Fall EN Storage liegt bei 90 Millionen Euro

Der vorläufige Insolvenzverwalter geht davon aus, dass die Schadenshöhe sich insgesamt auf mindestens 90 Millionen Euro belaufen dürfte. Vorhandenes Vermögen sowie Kundendaten wurden sichergestellt. Forensik-Spezialisten arbeiten jetzt daran, die Geschäftsvorgänge aufzuarbeiten, „um gegebenenfalls verschobenes Vermögen in die Masse zurückzuholen oder Ansprüche geltend zu machen“, erklärt Insolvenzspezialist Leichtle.

Er geht davon aus, dass die Gelder der Anleger nicht wie versprochen in Infrastrukturinvestitionen geflossen sind. Auch Direktinvestitionen in Server wurden offenbar nicht getätigt. So könnten „die wenigen vorhandenen Server nicht einzelnen Direktinvestoren zugeordnet werden“, sagt Leichtle.

Insolvenzverfahren über EN Storage wird wohl Anfang Mai eröffnet

Das Insolvenzverfahren über EN Storage wird voraussichtlich am 2. Mai eröffnet, danach können auch die Anleihegläubiger ihre offenen Forderungen beim Insolvenzverwalter anmelden. Möglich ist, dass die Gläubiger zuvor in einer Versammlung einen Gemeinsamen Vertreter wählen. Erste Restrukturierungsexperten haben sich bereits zu dem Fall positioniert.

Eine seriöse Schätzung, mit welcher Quote Investoren rechnen können, sei derzeit noch nicht möglich, betont der vorläufige Insolvenzverwalter Leichtle. Die erste Bestandsaufnahme legt allerdings nahe, dass Investoren sich auf herbe Verluste werden einstellen müssen.

Info

Welche Unternehmen am Anleihemarkt ebenfalls ins Straucheln geraten sind, lesen Sie auf unserer Themenseite Mittelstandsanleihen