Die Frankfurter Staatsanwaltschaft gibt der Deutschen Börse die Möglichkeit, die Ermittlungen wegen des Verdachts auf Insiderhandel durch den Konzern-Chef Carsten Kengeter einzustellen. Wie die Eschborner mitteilten, bietet die Frankfurter Staatsanwaltschaft eine „einvernehmliche Gesamtbeendigung“ des Verfahrens an.
Dafür müsste der Dax-Konzern jedoch tief in die Tasche greifen. Die Staatsanwaltschaft fordert, dass die Deutsche Börse zwei Geldbußen in Höhe von 5,5 und 5 Millionen Euro zahlt – also insgesamt 10,5 Millionen Euro. Im Gegenzug würde das Verfahren eingestellt.
Status von Carsten Kengeters Verfahren unklar
In ihrer Ad-hoc-Mitteilung schreibt die Börse, dass auch das Verfahren gegen CEO Kengeter damit beendet werden könnte. Doch ob das tatsächlich der Fall ist, ist unklar. In einem Schreiben der Frankfurter Staatsanwaltschaft, das FINANCE vorliegt, heißt es, die Anhörung zu dem Fall am gestrigen Dienstag richtete sich „allein an die Deutsche Börse AG als juristische Person“. Es könnten „keine Angaben zu etwaigen Vorwürfen gegen deren Verantwortliche und Mitarbeiter gemacht beziehungsweise bestätigt werden“. Die „Wirtschaftswoche“ hatte als erstes über die unterschiedlichen Sichtweisen berichtet.
Darauf angesprochen, wollte ein Sprecher der Deutschen Börse keinen Kommentar abgeben. Ihm zufolge hält der Konzern an seiner Darstellung fest, der gestern veröffentlichten Pflichtmitteilung sei nichts hinzuzufügen. Das Schreiben der Staatsanwaltschaft sei juristisch geprüft worden.
Deutsche Börse: Kengeter soll Pflichtmitteilung unterlassen haben
Bei dem Verfahren geht es um den mittlerweile gescheiterten M&A-Deal zwischen der Deutschen Börse und der Londoner Stock Exchange (LSE) und den Verdacht des Insiderhandels und der Marktmanipulation.
Kengeter hatte im Dezember 2015 Deutsche-Börse-Aktien im Wert von 4,5 Millionen Euro gekauft. Zwei Monate später teilten die zwei Börsenbetreiber ihre Fusionspläne der Öffentlichkeit mit, die Aktienkurse der beiden Unternehmen legten zu. Die Ankläger argumentierten jedoch, dass die Fusion bereits zum Zeitpunkt des Aktienerwerbs absehbar gewesen sein soll. Dadurch wäre der M&A-Deal ad-hoc-pflichtig gewesen und Kengeter hätte keine Aktien mehr kaufen dürfen.
Die Deutsche Börse teilte mit, dass sie das Angebot der Staatsanwaltschaft „unter Abwägung aller relevanten Gesichtspunkte“ prüfen wolle. Das Unternehmen halte die Vorwürfe aber auch nach „Hinzuziehung von Experten“ weiterhin in „jeder Hinsicht“ für unbegründet.
Geplatzter LSE-Deal kostete Deutsche Börse 77 Millionen Euro
Der Dax-Konzern dürfte dennoch ein Interesse haben, den Fall schnell zu den Akten zu legen. Eine juristische Auseinandersetzung könnte zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen.
Doch selbst wenn die Deutsche Börse in die Zahlung einwilligt, bleibt die Zukunft von Kengeter ungewiss. Schon aufgrund der geplatzten Fusion mit der LSE wackelte sein Stuhl zuletzt: Der gescheiterte Deal hat die Eschborner fast 77 Millionen Euro gekostet, was vor allem an hohen Beraterhonoraren lag. Die nun von der Staatsanwaltschaft geforderte Geldbuße von 10,5 Millionen Euro würden zu der LSE-Rechnung noch hinzukommen.
Die Deutsche Börse hat sich während der Ermittlungen stets hinter ihren Chef gestellt. Sein Drei-Jahres-Vertrag, der am 31. März 2018 ausläuft, war vom Aufsichtsrat bislang allerdings nicht verlängert worden. Sollte gegen Kengeter weiter persönlich ermittelt werden, gilt eine Verlängerung des Vertrags als problematisch.
Jakob Eich ist Redakteur der Fachzeitungen FINANCE und DerTreasurer des Fachverlags F.A.Z Business Media, bei dem er auch sein Volontariat absolviert hat. Eich ist spezialisiert auf die Themen Digitalisierung im Finanzbereich und Treasury. Durch seine Zwischenstation bei der Schwesterpublikation „Der Neue Kämmerer“ ist der 1988 geborene Journalist auch versiert beim Thema Kommunalfinanzen. Erste journalistische Erfahrungen hat der gebürtige Schleswig-Holsteiner in den Wirtschaftsmedien von Gruner+Jahr sowie in der Sportredaktion der Hamburger Morgenpost gesammelt.