Warum nur wenig Cash in der Lufthansa-Flotte steckt

Diese Nachricht ließ aufhorchen: Vor einigen Tagen teilte die Lufthansa mit, sie habe im zweiten Halbjahr 2020 rund 500 Millionen Euro dadurch aufgenommen, dass sie Flugzeuge als Sicherheiten bei acht Finanzierungen eingesetzt hat. Konkret ging es um fünf Airbus A350 sowie drei Flugzeuge aus der A320-Familie, die über „Sale and Lease Back“-Finanzierungen, besicherte Kredite und besicherte Schuldscheine zu Cash gemacht wurden. Mit diesen Transaktionen befindet sich die Lufthansa in guter Gesellschaft. Für viele Airlines waren solche Sale and Lease Backs im vergangenen Jahr eine unerwartete Liquiditätsquelle und eine Erklärung dafür, warum die Auslieferung neuer Flugzeuge insbesondere bei Airbus schon im Sommer schnell wieder an Schwung gewann. Auch für die Lufthansa ist das Einsetzen ihrer Flugzeuge als Sicherheiten nicht neu. Schon vor Ausbruch der Coronavirus-Pandemie hat die Airline immer wieder Flugzeugfinanzierungen zur Liquiditätsbeschaffung genutzt. Doch für den seit Jahresbeginn amtierenden CFORemco Steenbergen könnte das Instrument an Bedeutung gewinnen, da der Konzern mit dem staatlichen Rettungspaket über 9 Milliarden Euro einen immensen Schuldenberg vor sicher her schiebt, der refinanziert werden will. Lufthansa will stille Beteiligung ablösen Insbesondere die 5,7-Milliarden-Euro schwere stille Beteiligung, die der deutsche Staat über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) erworben hat, will Lufthansa-Chef Carsten Spohr so zügig wie möglich ablösen. Zum einen, um den Staat, dem nun 20 Prozent der Lufthansa-Anteile gehören, als Aktionär wieder loszuwerden. Zum anderen, weil die stille Einlage, die in diesem Jahr noch mit 4 Prozent verzinst wird, stetig teurer wird: Bis 2027 steigen die Kupons auf bis zu 9,5 Prozent jährlich. Die Ratingagentur S&P wertet dieses Instrument daher auch als fremdkapitalähnlich. „Flugzeugfinanzierungen werden weiterhin eine wesentliche Rolle in unserer Finanzierungsstrategie spielen, da sie finanziell attraktive Konditionen bieten“, erklärte Wilken Bormann, Executive Vice President Corporate Finance der Lufthansa Group, im Zusammenhang mit den jüngsten Deals. Wie viel Cash genau aber könnte die Airline mit Flugzeugfinanzierungen beziehungsweise Beleihungen mobilisieren, und welche Nebenwirkungen hätte dies? Eine Spurensuche. Lufthansa bilanziert Flotte mit 16 Milliarden Euro Dafür lohnt sich zunächst ein Blick in die Bilanz: Im Bericht zum dritten Quartal (Stand Ende September 2020) weist die Airline den Wert der Flugzeuge und Reservetriebwerke mit 16 Milliarden Euro aus. Allerdings bilanziert die Lufthansa sämtliche Flugzeuge, die sich im wirtschaftlichen Eigentum des Konzerns befinden, wie ein Sprecher der Lufthansa auf Anfrage erklärte. Dazu zählten auch Flieger, die sich in Finanzierungen und damit größtenteils nicht im rechtlichen Eigentum der Lufthansa befänden. Dieser bilanzierte Wert allein hilft also nur bedingt weiter, wenn es darum geht, das Cash-Potential durch neue Flugzeugfinanzierungen und -beleihungen abzuschätzen. Wichtig zu wissen ist, wie viel Prozent der Lufthansa-Flotte, die zuletzt aus insgesamt 763 Flugzeugen bestand, sich im rechtlichen Eigentum des Konzerns befindet. Diesen Anteil gibt die Lufthansa auf Nachfrage von FINANCE mit 75 Prozent an. Hinzu kommen bestehende Besicherungen: Der Lufthansa zufolge sind derzeit 85 Prozent der im eigenen Besitz befindlichen Flotte unbesichert. Berücksichtigt man diese beiden Angaben, ergibt sich daraus ein bis dato unausgeschöpftes Wertpotential der Flugzeugflotte von etwa 10 Milliarden Euro. FINANCE-Themenseite Lufthansa Gewinnwarnungen, ein Streik nach dem nächsten, ein groß angelegter Konzernumbau – und jetzt auch noch das Coronavirus: Die Lufthansa ist im Krisenmodus. Wie die größte deutsche Airline um die Wende ringt, können Sie auf unserer Themenseite nachlesen. Mehr zum Thema Wie sehr leidet der Wert der Flotte unter der Krise? Diese Größenordnung hatte auch der frühere Lufthansa-CFO Ulrik Svensson, der im April 2020 auf dem Höhepunkt des ersten Lockdowns aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten war, genannt: Ihm zufolge waren im März vergangenen Jahres 90 Prozent der im Eigentum des Unternehmens befindlichen Flotte unbesichert. Dies entspreche einem Gegenwert von 10 Milliarden Euro, hatte Svensson damals erklärt. Dass der Wert der Flugzeuge seither stabil geblieben sein soll, obwohl der globale Flugverkehr massiv eingebrochen ist und große Teile der Lufthansa-Flotte seit Monaten auf den Rollfeldern parken, erklärt der Konzern auf Anfrage so: „Bereits zum damaligen Zeitpunkt haben wir einen krisenbedingten Rückgang der Marktpreise berücksichtigt, sodass die Größenordnung aus unserer Sicht heute immer noch zutreffend ist.“ Nachfrage nach Flugzeugfinanzierungen sinkt Fraglich ist allerdings, wie sich der Wert der Flotte in Cash-Potential übersetzt. Dieses hängt schließlich massiv von Angebot und Nachfrage nach Flugzeugfinanzierungen ab. Der Ratingagentur Scope zufolge, die die Lufthansa als einzige Agentur mit BBB- noch knapp im Investmentgrade-Bereich einstuft, werden zwar „regelmäßig“ Transaktionen abgeschlossen. Die Nachfrage nach besicherten Flugzeugfinanzierungen liege aber „deutlich unter dem Niveau vor der Pandemie“, erklärt Scope-Branchenspezialistin Helene Spro: „Die Transaktionen, die wir beobachtet haben, wurden in erster Linie von institutionellen und privaten Investoren und Vermögensverwaltern finanziert. Insbesondere die deutschen Banken halten sich derzeit bei Neufinanzierungen zurück.“ „Bezogen auf die Zahl der Flugzeuge ist derzeit mehr als 40 Prozent der Lufthansa-Flotte in einem Share Pledge für den KfW-Kredit gebunden.“ Auch die Ratingagentur S&P verweist darauf, dass es aufgrund der volatilen Bedingungen der Luftfahrtindustrie schwierig sei, die künftigen Liquiditätserlöse aus Flugzeugverkäufen sicher vorherzusagen. Daher nehmen die Bonitätswächter, die das Lufthansa-Rating bei BB- einstufen, auch keine potentiellen oder geplanten Verkäufe von Vermögenswerten in ihre Liquiditätsanalyse auf. KfW-Kredit ist mit Anteilen besichert Erschwerend hinzu kommt: Der KfW-Kredit über 3 Milliarden Euro, den die Lufthansa im Sommer aufgenommen hat, ist mit Anteilen an Tochtergesellschaften besichert, die 327 Flugzeuge besitzen. Konkret geht es dabei um diverse Gesellschaften in Malta und Österreich, wie dem jüngsten Quartalsbericht zu entnehmen ist. Bezogen auf die Zahl der Flugzeuge ist derzeit also mehr als 40 Prozent der Flotte in einem Share Pledge gebunden. Zwar könnte die Lufthansa eigenen Angaben zufolge grundsätzlich auch Flugzeuge als Sicherheit für Finanzierungen nutzen, die im Eigentum der Gesellschaften stehen, deren Anteile der Absicherung des KfW-Kredits dienen. „Allerdings müssen die aus solchen Finanzierungen zufließenden Mittel zur Tilgung des KfW-Kredits genutzt werden“, teilte die Airline mit. Die Lufthansa plane daher nicht, solche Flugzeuge als Sicherheit für Finanzierungen zu nutzen. Lufthansa braucht unbesicherte Assets Im Klartext: Besonders groß dürfte das Cash-Potential, das sich durch Flugzeugfinanzierungen heben lässt, also nicht sein. Zumal die Lufthansa auch die Interessen der bestehenden Gläubiger im Blick behalten muss: Je mehr Vermögenswerte besichert sind, desto geringer sind die Rückzahlungsaussichten für unbesicherte Gläubiger. Und so etwas könnte schnell eine weitere Herabstufung des Ratings nach sich ziehen. Das Finanzteam um CFO Steenbergen dürfte daher auch weiterhin nur selektiv auf Flugzeugfinanzierungen setzen, vermuten Beobachter wie Werner Stäblein, Executive Director Corporate Ratings bei Scope Ratings: Ein Abweichen von der langjährigen Nutzung dieses Finanzierungsinstruments im Finanzierungsmix dürfte kaum vorstellbar sein, meint Stäblein. Das gilt insbesondere so lange, wie sich die Airline auch unbesichert finanzieren kann: Im vergangenen November hatte die Kranich-Airline innerhalb weniger Tage eine Wandelanleihe über 600 Millionen Euro und einen Corporate Bond über 1 Milliarde Euro am Markt platziert. In beiden Fällen reagierte das Finanzteam blitzschnell: Kurz zuvor hatte es gute Nachrichten zu den Wirksamkeiten der Corona-Impfstoffe gegeben, was für Optimismus an den Märkten sorgte. Die verfügbare Liquidität, die Ende September 2020 inklusive des staatlichen Rettungspakets bei 10,5 Milliarden Euro gelegen hatte, dürfte damit trotz des unverändert starken Cash-Burns des Dax-Konzerns im vierten Quartal zumindest nicht schwächer geworden sein. S&P schätzt, dass das gegenwärtige Liquiditätspolster der Lufthansa reichen würde, um den Cash-Bedarf der kommenden zwölf Monate um das 1,5fache zu decken. Es gibt also nicht nur begrenztes Potential für Flugzeugfinanzierungen, sondern – zum Glück – auch einen beschränkten Bedarf. desiree.buchholz[at]finance-magazin.de Info Alle weiteren Entwicklungen rund um die krisengebeutelte Airline finden Sie auf der Themenseite Lufthansa.

KNDS plant Börsengang und holt Ex-Renk-CFO an Bord

So könnte Private Equity das Fremdbesitzverbot bei Kanzleien umgehen

CFO-News: Vontobel, SMT Scharf, Die Bayerische

Eterna stellt Insolvenzantrag

Warum nur wenig Cash in der Lufthansa-Flotte steckt

Aktuelle Artikel

So könnte Private Equity das Fremdbesitzverbot bei Kanzleien umgehen

Eterna stellt Insolvenzantrag

FINANCE Daily

Weitere Inhalte zum Thema

KNDS plant Börsengang und holt Ex-Renk-CFO an Bord

So könnte Private Equity das Fremdbesitzverbot bei Kanzleien umgehen

CFO-News: Vontobel, SMT Scharf, Die Bayerische

FINANCE Multiples-Blog

Multiples im E-Commerce: KI und faire Preise locken Investoren

Die neuen Multiples für November 2025 sind da!

Zu Hohenlohe will mit PE-Geld den Beratungsmarkt aufmischen

Nachrichten

Themen

Unternehmen

FINANCE TV

FINANCE Köpfe

FINANCE Podcast

FINANCE Magazin

FINANCE Multiples

Research

Events

Newsletter

Abonnements

Mediadaten

Redaktion

Stellenmarkt

Partner

Kontakt