Die Gläubiger von Air Berlin werden den früheren Großaktionär Etihad zunächst nicht verklagen. Eigentlich hätte die gestrige Gläubigerversammlung über eine solche Klage abstimmen sollen. Allerdings hatte der gemeinsame Vertreter der Anleihegläubiger, die Gesellschaft Keos um den Restrukturierungsberater Frank Günther von One Square und die Wirtschaftskanzlei Kirkland & Ellis, einen entsprechenden Antrag zu spät eingereicht.
Deshalb muss nun der fünfköpfige Gläubigerausschuss darüber entscheiden, ob Etihad belangt wird oder nicht. Wann dieser das nächste Mal tagt, ist noch unklar. „Die Vertagung der Entscheidung sendet ein fatales Signal an den Anspruchsgegner Etihad“, klagt Günther gegenüber FINANCE. „Ich bin aber zuversichtlich, dass der Gläubigerausschuss für eine Klage votieren wird.“
Anleihegläubiger: Letzte Hoffnung Etihad
Für die Anleihegläubiger sind die Araber die letzte Hoffnung, wenigstens einen Teil ihres Geldes wieder zu bekommen. Denn die Einzelteile von Air Berlin sind inzwischen verkauft – und die Einnahmen reichen nicht einmal, um den vorrangigen Überbrückungskredit der Staatsbank KfW über 150 Millionen vollständig zurückzuzahlen. Zum Zeitpunkt der Pleite im August hatte Air Berlin insgesamt einen Schuldenberg von 1,3 Milliarden Euro ausstehend.
Bereits kurz nach der Insolvenz hatte Günther daher in der FINANCE-Printausgabe September/Oktober erklärt, er werde prüfen, ob man Etihad belangen könne. Anlass: Der damalige Großaktionär hatte den strauchelnden Berlinern erst Ende April 2017 weitere finanzielle Unterstützung für die kommenden 18 Monate zugesagt, diese dann aber im Sommer überraschend entzogen.
Die Passage fand jedoch Einzug in den Geschäftsbericht, wie FINANCE berichtete, und war Grundlage dafür, dass die Wirtschaftsprüfer von KPMG die nötige Fortführungsprognose erteilten.
„Das Interesse an der Klage ist riesengroß.“
Etihad bot 15 Millionen Euro als Vergleich
Inzwischen gibt es offenbar mehrere Gutachten, die nahelegen, dass die Beistandsbekundung von Etihad juristisch belastbar ist. Ein erster Vergleich, den Insolvenzverwalter Frank Kebekus und Sachwalter Lucas Flöther dem Gläubigerausschuss im November vorgestellt haben, hätte aber nur 15 Millionen Euro eingebracht. Der Ausschuss lehnte damals ab.
Günther, dessen Bündnis Keos erst seit Anfang Dezember im Gläubigerausschuss vertreten ist, glaubt, dass 500 Millionen Euro drin sein könnten: „Das Interesse an der Klage ist riesengroß, schon heute haben wir das Angebot eines institutionellen Investors, für die Prozesskosten 10 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen.“
Keos vertritt die Interessen einer 225 Millionen Euro schweren Unternehmensanleihe, die Air Berlin 2011 begeben hatte. Außerdem sitzen im Gläubigerausschuss ein Vertreter der Arbeitsagentur, ein Vertreter der Lufthansa-Tochter Eurowings sowie ein Vertreter der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger.
Bei der gestrigen Gläubigerversammlung wurde zudem Andreas Ziegenhagen, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Dentons, in den Ausschuss gewählt. Seine Wahl war umstritten. Denn der renommierte Restrukturierungsexperte vertritt die Air Berlin Finance BV – die Emittentin dreier Wandelanleihen von Air Berlin, die durch den insolventen Air-Berlin-Konzern garantiert wurden.
Etihad ist selbst Großgläubiger von Air Berlin
Pikant ist das deshalb, weil diese Wandelanleihen zum überwiegenden Teil von Etihad gehalten werden. Dazu zählt ein nachrangiges Papier über 300 Millionen Euro, das der damalige Großaktionär 2013 begeben hatte, um das Eigenkapital der angeschlagenen Berliner aufzupolstern. Bei einer weiteren Wandelanleihe über 125 Millionen Euro hatte Etihad Anfang vergangenen Jahres in einem letzten Rettungsmanöver insgesamt 94 Millionen Euro investiert.
Keos sieht die Bestellung von Ziegenhagen, der in der gestrigen Gläubigerversammlung mit seinem Einspruch verhindert hat, dass die Abstimmung über die Klage gegen Etihad trotz verpasster Frist möglich war, kritisch: „Es kann nicht sein, dass der Nachranggläubiger Etihad im Gläubigerausschuss sitzt und dort über eine Schadensersatzklage entscheiden soll. Wir haben deshalb Widerspruch zu Protokoll gegeben.“
Ziegenhagen aber bestreitet gegenüber FINANCE vehement, die Interessen von Etihad zu vertreten: „Als Gläubigerausschussmitglied vertrete ich selbstverständlich die Interessen aller Gläubiger der PLC. Dies betrifft auch die Durchsetzung etwaiger Ansprüche gegen Etihad“, erklärte er auf Anfrage. Etihad werde durch eine andere Kanzlei vertreten, die gestern kein Stimmrecht gehabt habe. Für die Araber dürfte das Kapitel Air Berlin noch nicht abgeschlossen sein.
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Info
Die gesamte Odyssee von Air Berlin und die wahnwitzigen Finanzspritzen des Großaktionärs Etihad können Sie auf der FINANCE-Themenseite zu Air Berlin nachlesen.