Während sich die ersten Unternehmen wieder an den Markt für Investmentgrade-Bonds wagen, herrscht bei High-Yield-Bonds in Folge der Coronavirus-Pandemie immer noch Schockstarre. „Der Markt ist seit mehr als einem Monat geschlossen“, berichtet Mathias Blumschein, High-Yield-DCM-Chef bei der ING. Nach einer ganzen Reihe von starken Jahren ist der Markt nun gegen eine Wand gelaufen, so der Experte.
Stabilität und Sicherheit sind für Investoren am High-Yield-Markt essentiell, da die Unternehmen deutlich krisenanfälliger als ihre Pendants im Investmentgrade-Segment sind – und selbst dieser Markt wurde durch Corona harsch getroffen. „Viele Anleiheinvestoren haben die Märkte fluchtartig verlassen“, so Blumschein. „Die extrem hohen Abflüsse aus Fixed-Income-Fonds zeigen das deutlich.“ Im Hochzinsbereich haben die Investoren ihre Papiere sogar so schnell verkauft, dass die Abflüsse inzwischen sogar schon wieder deutlich zurückgegangen sind.
Corona katapultiert High-Yield-Spreads nach oben
Die Spreads am Sekundärmarkt sind im Zuge des Ausverkaufs explodiert. „Der Itraxx-Crossover-Index liegt derzeit bei zwischen 500 und 700 Basispunkten“, sagt Blumschein. „So hoch war er seit 2012 nicht mehr.“ Zu Jahresbeginn lag er noch bei rund 200 Basispunkten.
Doch die Spread-Ausweitungen sind in den Augen des Experten mit Vorsicht zu betrachten. „Sie stellen mittlerweile nicht mehr das tatsächliche Handelsgeschehen dar, da es kaum mehr eines gibt“, so Blumschein. Auch würden viele Hochzinsanleihen derzeit bei um die 50 Prozent notieren – in einem normalen Umfeld ein Zeichen für eine akute Ausfallgefahr, derzeit laut Blumschein eher ein Zeichen für die Gesamtverfassung des Marktes.
FINANCE-Themenseite
Hochzinsmarkt braucht Klarheit über Corona-Ende
Mit einer sehr schnellen Erholung des High-Yield-Markts, im Hinblick auf Sekundärmarkt und Neuemissionen, rechnet ING-Experte Blumschein nicht. „Dafür muss das Licht am Ende des Tunnels sichtbar sein“, argumentiert er. „Erst wenn klar wird, wann die Wirtschaft wieder hochgefahren und die Pandemie eingedämmt werden könnte, gibt es eine Chance, Investoren zu locken.“ Sie müssen Vertrauen in die dann vorliegenden Geschäftszahlen der Unternehmen haben.
Klar ist bereits jetzt, dass die Coronakrise viele Downgrades mit sich bringen und damit auch Investmentgrade-Namen in den Hochzinsbereich drücken wird. „Ich gehe davon aus, dass viele Investoren in dieser Lage dann auch Non-IG-Namen zu einem gewissen Anteil in ihren Portfolios akzeptieren werden“, so Blumschein. Welche weiteren Auswirkungen es auf den Hochzinsmarkt haben wird, wenn eine Flut von Fallen Angels dazu stößt, lässt sich laut dem Experten schwer prognostizieren.
Deutlich steigende Ausfallrate erwartet
Die gute Nachricht: „In diesem Jahr ist die Zahl der Bonds, die refinanziert werden müssen, nicht so groß wie in den Vorjahren“, sagt der Banker. Viele Unternehmen – vor allem die ohne LBO-Hintergrund – seien relativ komfortabel positioniert. Diese Entwarnung gilt allerdings nur, wenn die Märkte in nicht allzu ferner Zukunft, etwa im Spätsommer oder Herbst, wieder öffnen.
Zudem sind die operativen Konsequenzen für die Unternehmen derzeit noch kaum abzusehen. Eine größere Ausfallrate, gerade im HY-Segment, erscheint unumgänglich. Nach Schätzungen von Andrew Wilson, CEO für EMEA und Leiter des Global Fixed Income und Liquidity Management-Teams bei Goldman Sachs Asset Management, preist der Markt in den USA beispielsweise derzeit im Hochzinssegment eine Ausfallrate von etwa 9 Prozent ein. Der Markt ist damit sogar noch etwas pessimistischer als der Asset Manager selbst.
Antonia Kögler ist Redakteurin bei FINANCE und Chefin vom Dienst bei DerTreasurer. Sie hat einen Magisterabschluss in Amerikanistik, Publizistik und Politik und absolvierte während ihres Studiums Auslandssemester in Madrid und Washington DC. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit Finanzierungsthemen und verfolgt alle Entwicklungen rund um Green Finance und Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung.