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Prokon meldet Insolvenz an

Stürmische Zeiten für Prokon: Der Windkraftfinanzierer musste Insolvenz anmelden.
Thinkstock / Getty Images

Seit Wochen ringt Prokon mit der Pleite, nun ist der Kampf verloren: Der Windkraftfinanzierer hat Insolvenz angemeldet. Auf seiner Internetseite gab das Unternehmen bekannt, dass es einen Antrag auf Regelinsolvenz beim Amtsgericht Itzehoe gestellt hat. Prokon betont allerdings, dass der Antrag zunächst noch auf seine Zulässigkeit geprüft werden müsse, was einige Monate dauern könnte.

Damit ist nun offiziell, was sich schon seit Tagen angedeutet hat: Prokon ist es nicht gelungen, seine Investoren bei der Stange zu halten. Vor mehr als zehn Tagen hatte Prokon seine 75.000 Anleger in einem Brief darum gebeten, keine weiteren Genussrechte mehr zu kündigen, um eine Insolvenz zu vermeiden. Zwei Drittel der Anleger stimmten innerhalb der gesetzten Frist darüber ab, doch nur die Hälfte der Anleger hat sich hinter Prokon gestellt. Sie sicherten dem Unternehmen knapp 740 Millionen Euro zu, 1,3 Milliarden hätte Prokon aber laut eigenen Angaben mindestens gebraucht, um die Insolvenz abzuwenden. Die Genussscheininhaber stellen mit 96 Prozent die größte Gläubigergruppe, Bankdarlehen machen nur 4 Prozent der Verbindlichkeiten aus.

Abwicklung von Prokon wird teuer

Prokon gibt sich weiterhin kämpferisch und betont: „Dies bedeutet keineswegs das Aus für Prokon. Wir sind nach wie vor operativ gut aufgestellt und sind zuversichtlich, dass wir die aktuellen Schwierigkeiten überstehen werden.”

Doch für die Gläubiger hat das Unternehmen gleich eine weitere Hiobsbotschaft parat gehabt: die Details zum Insolvenzverfahren. Den Insolvenzrechtsexperten Robert Buchalik hat die Wahl des Regelinsolvenzverfahrens überrascht, denn eigentlich sei Prokon aus seiner Sicht ein idealer Kandidat für eine Insolvenz in Eigenverwaltung oder ein Schutzschirmverfahren gewesen, insbesondere wegen der Granularität der Prokon-Vermögenswerte, die laut Prokon-Bilanz 1,1 Milliarden Euro wert sein sollen: „Im Regelinsolvenzverfahren dürften jetzt alle Assets einzeln verkauft werden“, erklärt Buchalik. Von den Verkaufserlösen gingen dann die Verfahrenskosten ab, welche auf Grund der vorhandenen Vermögenswerte „deutlich im unteren zweistelligen Millionenbereich“ liegen dürften, wie Buchalik erwartet. Die Zusatzkosten gegenüber einem alternativen Verfahren beziffert er auf rund 20 Millionen Euro.

Hinzu kommt, dass Prokon laut Buchalik bei einer Insolvenz in Eigenverwaltung im vorläufigen Verfahren keine Umsatzsteuer mehr abzuführen hätte: „Das ist eine zusätzliche Liquiditätsspritze vom Finanzamt“, sagt der Insolvenzrechtler. „Angesichts der Umsatzerlöse von Prokon sind das rund 18 Millionen, die verschenkt werden. Mit den zusätzlichen Verfahrenskosten summiert sich das zu Lasten der Gläubiger auf geschätzte Extrakosten von rund 40 Millionen Euro.“

Ein weiterer Nachteil für die Genussscheininhaber: Sie können kaum Einfluss auf das Insolvenzverfahren nehmen. „Die Teilhabe der Genussrechteinhaber wird de facto ausgehebelt“, kritisiert Buchalik – es sei denn, man entscheide sich für einen Insolvenzplan, was in der Eigenverwaltung die Regel, im gewählten Regelinsolvenzverfahren aber eher die Ausnahme ist.

Buchalik: „Grund für Wahl des Insolvenzverfahrens schleierhaft“

Umso merkwürdiger wirkt laut Buchalik die Wahl des Regelinsolvenzverfahrens beim Blick auf die vorliegenden Geschäftszahlen von Prokon. „Prokon erwirtschaftet im Moment rund 30 Millionen Euro Umsatz im Monat, davon geht ein mittlerer einstelliger Millionenbetrag an Personalkosten ab. Prokons Problem waren die monatlichen Zinskosten von mehr als 30 Millionen Euro. Mit Hilfe einer Aussetzung der Zinszahlungen könnte Prokon so hohe Cashüberschüsse erzielen, dass die vorrangigen Bankverbindlichkeiten von rund 60 Millionen Euro, die vermutlich werthaltig besichert sind, innerhalb weniger Monate abgelöst werden könnten“, rechnet Buchalik vor. Nach dieser Transaktion bestünde die Passivseite nur noch aus den Forderungen der Genussscheininvestoren. „Die Genusscheininvestoren könnten Prokon dann über  einen Debt Equity Swap zu wesentlichen Teilen übernehmen und in ihrem Sinne fortführen“, meint Buchalik.

Aus welchem Grund dieses naheliegende Verfahren nicht gewählt wurde, ist auch dem Insolvenzrechtler schleierhaft, zumal damit erhebliche Liquidität verschenkt würde, die letztlich den Gläubigern zufließe. Theoretisch hätten die Anleihegläubiger zwar die Möglichkeit, sich abzustimmen und eine Änderung des Insolvenzverfahrens zu erzwingen. Da die Gläubiger aber aus zig Tausenden Kleinanlegern bestehen, glaubt Buchalik nicht, dass sich die dafür nötigen Mehrheiten finden ließen.

Anlegeranwalt Klaus Nieding hofft auf Transparenz

Positiver als Buchalik schätzt Anlegerschutzanwalt Klaus Nieding den Insolvenzantrag Prokons ein: „Positiv für die Anleger an der Meldung ist, dass jetzt unabhängige Experten die Möglichkeit bekommen, das Unternehmen zu durchleuchten. Jetzt kommt es darauf an, wie das Geld investiert wurde. Wurde es zum Großteil ins Geschäft investiert,  ist es in der Verwaltung versickert oder wurde das Geld zu ganz anderen Zwecken eingesetzt?” Da Prokon noch nie eine Kapitalflussrechnung veröffentlicht hat, blieben diese zentralen Fragen bislang unbeantwortet.

julia.becker[at]finance-magazin.de

Info

Prokons verzweifelten Kampf ums Überleben und die Details zur Gläubiger- und Finanzierungsstruktur hat FINANCE in den vergangenen Wochen intensiv nachverfolgt. Das gesammelte Material finden Sie auf unserer brandneuen Themenseite zu Prokon.

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