Es sind stürmische Zeiten für den deutschen Satellitenhersteller OHB. Am Donnerstag wurde bekannt, dass der aktivistische Investor Guy Wyser-Pratte bei dem Unternehmen eingestiegen ist. Jetzt drängt Wyser-Pratte auf umfassende Änderungen bei dem Familienunternehmen.
Wyser-Pratte ist ein gefürchteter Investor, der auch in Deutschland gut bekannt ist: Er hatte sich in der Vergangenheit unter anderem bei Stada, Rheinmetall oder Kuka engagiert. Am Beispiel des Roboterherstellers wird deutlich, welche Macht er hat: Als Wyser-Pratte von dem Unternehmen abließ, war Kuka aufgespalten und trug einen neuen Namen.
Und auch mit OHB scheint der Investor Großes vorzuhaben. Das Unternehmen ist zwar zu 70 Prozent im Besitz der Familie, aber an der Börse gelistet – und Wyser-Pratte hat sich laut "Handelsblatt" mit 1 Prozent eingekauft. In dem Schreiben an den Vorstandschef Marco Fuchs, das FINANCE vorliegt, wirft der Investor jetzt mehrere kritische Fragen auf – stellenweise in einem Ton, der an Spott grenzt.
Wyser-Pratte: OHB gleicht einer „Feudalaristokratie“
So stellt der Investor die Frage, ob OHB überhaupt wirklich unabhängige Aufsichtsratsmitglieder habe. „Ich weiß, Sie haben ein sogenanntes unabhängiges Aufsichtsratsmitglied, aber er scheint sich Ihrer Familie verpflichtet zu fühlen“, heißt es. Gemeint ist damit wohl Reinhard Stelljes, der seit 2014 Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ist.
Und auch mit der Aufsichtsratschefin Christa Fuchs, der Mutter von CEO Marco, ist Wyser-Pratte nicht zufrieden: Sie sei „bei allem gebotenen Respekt“ bereits in einem „fortgeschrittenen Alter“. Die beiden anderen Aufsichtsratsmitglieder, zu denen neben Stelljes noch die stellvertrende Aufsichtsratschefin Romana Fuchs Mayrhofer gehört, seien ihr „untertänig“. All das erinnere den Investor an die Führungsstruktur einer Feudalaristokratie, mit „Vasallen, die ihrem Grundherren zu Diensten sind“.
OHB-Aktionäre werden laut Wyser-Pratte nicht einbezogen
Doch der Investor greift nicht nur den Aufsichtsrat an, sondern auch den Vorstand. Eines der Mitglieder habe vor zwei Jahren das Rentenalter überschritten, das sei nicht akzeptabel. Das gesamte Management unterhalb des Vorstands sei „unklar organisiert“ und „intransparent“.
Und auch die Aktionärstreffen seien – wie Wyser-Pratte gehört habe – „harmlose“ Versammlungen, bei denen die Aktionäre nicht in die wirklich strategisch wichtigen Entscheidungen der Firma einbezogen würden. Man bekomme den Eindruck, dass die Aktionäre nur die vom Unternehmen vorgelegten Vorschläge abnicken sollen, schreibt der Investor. Das sei angesichts dessen, dass immerhin rund 30 Prozent der Aktien nicht in Familienhand liegen, nicht vertretbar.
Wyser-Pratte: Strafzahlung von OHB war unnötig
Angesichts der zunehmenden Unruhen in der Welt, biete das Thema Satelliten- und Drohnenüberwachung großes Potential, das OHB nicht nutze. „Die Gelegenheit ist zu groß, um sie einfach verstreichen zu lassen.“ Wyser-Pratte gibt dem Management auch direkt Tipps, wie es die Chancen besser nutzen könnte. So dürfe das italienische Unternehmen Avio auf keinen Fall in die Hände der Konkurrenten Airbus, Safran oder Thales geraten. „Haben Sie darüber nachgedacht, dieses wertvolle Asset zu kaufen? Die Marktkapitalisierung liegt bei 350 Millionen Euro“, so der Hinweis.
Ein anderer Tipp, um das Geschäft besser zu führen, lautet, sich beim Thema Strafzahlungen ein Beispiel an Airbus zu nehmen. OHB habe Satelliten ein Jahr zu spät an die EU geliefert und dafür eine Strafe gezahlt. „War das notwendig? Airbus hatte eine Verspätung von sieben Jahren und hat nie gezahlt“. So ein „unglücklichen Lapsus“ soll künftig lieber unterbunden werden.
Investor gibt OHB Tipps mit Lehrbuch-Grafik
Besonders vor den Kopf gestoßen fühlen dürfte sich das Management aber durch eine Grafik, die Wyser-Pratte an seinen Brief angehängt hat. Es handelt sich dabei um eine Pyramide zum Thema Corporate Governance und Wertsteigerung, die man so in einem Lehrbuch für Unternehmensführung finden könnte. Auf Basis der Grafik würde der Investor mit dem Management gerne über ein paar „elementare Grundsätze der Corporate Governance“ sprechen.
OHB hat bereits angekündigt, sich in einer Stellungnahme wehren zu wollen. Um all die Vorwürfe bearbeiten zu können, braucht das Unternehmen offenbar einige Zeit. FINANCE-Informationen zufolge ist eine Antwort im Laufe der kommenden Woche geplant.
Info
Aktivisten kaufen sich bei Unternehmen ein, um anschließend das Management unter Druck zu setzen. Lesen Sie mehr zu dem Thema auf der FINANCE-Themenseite aktivistische Investoren.
Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.