Nachdem der europäische Markt für Unternehmensanleihen in den ersten Wochen des Jahres nahezu ausgetrocknet war, scheint sich der Knoten jetzt zu lösen. Insgesamt liegt im März das Emissionsvolumen der deutschen Emittenten bei rund 13 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Im Januar ging lediglich Daimler an den Markt und sammelte 3,25 Milliarden Euro ein. Auch der Februar blieb ruhig, nur der Autobauer BMW und die Deutsche Bahn platzierten insgesamt 1,75 Milliarden Euro. Im gesamten europäischen Markt zeigt sich das Bild ebenso drastisch. Nach der extremen Zurückhaltung im Januar und Februar stieg das Emissionsvolumen im März fast auf Rekordniveau. Mit 49,4 Milliarden Euro blieb es nur um 400 Millionen Euro unter dem Allzeithoch vom Vorjahr.
„Wir sehen jetzt eine fulminante Trendwende“, sagt Martin Wagenknecht, der bei Société Générale das Anleihegeschäft in der deutschsprachigen Region leitet, über den neuen Schwung am Bondmarkt. Das habe zwei Gründe: Zum einen hat sich die Unsicherheit der Investoren, die Anfang des Jahres für Zurückhaltung sorgten, deutlich reduziert. Die Lage in China hat sich nach dem Börsencrash Anfang des Jahres aus Sicht der Anleger entspannt. Ähnlich sieht es im Bereich der Rohstoffmärkte aus, die vor allem Schwellenländer stark belasten: „Während wir zu Jahresbeginn einen massiven Preissturz gesehen haben, hat sich jetzt auch preislich ein Bodensatz gebildet“, so Wagenknecht. So habe sich auch der Ölpreis stabilisiert und damit Volatilität aus dem Markt genommen.
Der zweite Aspekt, der den Märkten jetzt Schwung verleiht, ist die Ankündigung der Europäischen Zentralbank im Rahmen ihres Anleihekaufprogramms auch bei Unternehmensanleihen mit Investmentgrade zuzugreifen. „Mit dieser Nachricht hatte zuvor kaum jemand gerechnet“, sagt Wagen-knecht. Ab Ende des zweiten Quartals will die Zentralbank damit starten. Obwohl noch nicht genau definiert ist, welche Bonds letztlich gekauft werden, habe der Markt die Entwicklung bereits vorweggenommen.
EZB-Ankündigung treibt den Corporate-Bond-Markt
Von dem Rückenwind profitierten bereits die ersten Transaktionen. „Die Emission der Deutschen Telekom, kurz nach der Ankündigung von Mario Draghi, wurde regelrecht überrannt“, berichtet Anthony Bryson, der bei BNP Paribas für das Kredit- und Anleihegeschäft im deutschsprachigen Raum verantwortlich ist. Das Orderbuch lag bei 18,2 Milliarden Euro, der Telekommunikationskonzern sammelte letztlich 4,5 Milliarden Euro ein. Die Deutsche Telekom konnte auch in Sachen Neuemissionsprämie die Gunst der Stunde nutzen. Bei der vier- und siebenjährigen Tranche lag die Prämie bei Null. Für die zwölfjährige Tranche zahlte das Unternehmen eine Neuemissionsprämie von lediglich 5 Basispunkten.
Der Eintritt der EZB als neuer Großinvestor dürfte für Unternehmen auch weiterhin für besonders günstige Bedingungen sorgen. „Aufgrund der Größe und der Kapazitäten der Bank beim Kaufen werden die Preise für Unternehmen mittelfristig attraktiv bleiben“, meint Martin Wagenknecht von der Société Générale. Er glaubt, dass bei so niedrigen Neuemissionsprämien der erste Corporate-Bond mit negativer Rendite in greifbare Nähe rückt. Bisher existiert dieses Phänomen lediglich am Sekundärmarkt.
Der Druck auf die Preise im Investmentgrade-Bereich dürfte auch dafür sorgen, dass High-Yield-Bonds und der Crossover-Bereich profitieren. Investoren sind weiterhin auf der Suche nach Rendite und dürften durch die Konkurrenz der EZB gezwungen sein, auf niedrigere Bonitäten ausweichen. Die Ratingagenturen Standard & Poor’s sieht im High-Yield-Segment schon erste positive Anzeichen und erwartet weiteren Schwung in den nächsten Monaten. Auch andere Anleiheklassen dürften mitgezogen werden. „Auch das Segment der Hybridanleihen könnte davon durchaus profitieren“, meint Wagenknecht.
Belastung für den Sekundärmarkt
Das Auftreten eines Großkäufers wie der EZB wird nicht nur dafür sorgen, dass Unternehmen sich zu äußert günstigen Konditionen finanzieren können. Es wird zugleich Auswirkungen auf den Sekundärmarkt haben. „Aufgrund der Fragmentierung ist die Liquidität im europäischen Sekundärmarkt an sich schon nicht besonders hoch, das wird durch den Markteintritt der EZB sicher nicht einfacher werden“, meint Bryson von BNP Paribas. Für Anleger mache es den Markt insgesamt weniger attraktiv, wenn die EZB ihm weitere Liquidität entzieht. Und das könne bereits bei der Preisfindung für Neuemissionen für Schwierigkeiten sorgen. Ein Ende des „Stop-and-Go“ am europäischen Bondmarkt sei deshalb nicht zu erwarten.
Bryson warnt zudem davor, die Entscheidung der EZB überzubewerten: „Auch wenn der Eintritt eines so großen Akteurs in den Markt die Finanzierungsbedingungen weiter verbessert, werden Unternehmen deswegen nicht automatisch mehr Bonds emittieren.“ Wie der Anleihemarkt sich mittel- und längerfristig weiter entwickle, hänge nicht zuletzt von der M&A-Aktivität der Unternehmen ab.
antonia.koegler[at]finance-magazin.de
Antonia Kögler ist Redakteurin bei FINANCE und Chefin vom Dienst bei DerTreasurer. Sie hat einen Magisterabschluss in Amerikanistik, Publizistik und Politik und absolvierte während ihres Studiums Auslandssemester in Madrid und Washington DC. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit Finanzierungsthemen und verfolgt alle Entwicklungen rund um Green Finance und Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung.