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Mittelständler kritisieren EU-Wachstumsprospekt

Der EU-Wachstumsprospekt soll Mittelständlern den Zugang zum Kapitalmarkt erleichtern. Aus Sicht der Unternehmen gibt es dabei aber noch diskussionswürdige Punkte.
Monkeybusinessimages/iStock/Thinkstock/Getty Images

Herr Wegerich, wofür brauchen die Mittelständler in Deutschland einen weiteren Interessensverband?
Bisher gab es keine Interessenvertretung für den kapitalmarktorientierten Mittelstand. Ich habe beispielsweise im März auf Einladung der Europäischen Kommission an einem Workshop in Brüssel zur Umsetzung des neuen Prospektrechts teilgenommen. In dem Workshop ging es auch um die Ausgestaltung des neuen EU-Wachstumsprospekts. Dieser soll insbesondere Mittelständlern den Zugang zum Kapitalmarkt erleichtern. Als auf dieser Veranstaltung nach der Meinung von Mittelständlern zu diesem Punkt gefragt wurde, war aber kein einziger Mittelständler anwesend. Unser neu gegründeter Verband soll ein Sprachrohr sein, das die Interessen der Unternehmer künftig vertritt und in Debatten einfließen lässt.


Was stört Sie denn an den Plänen zum EU-Wachstumsprospekt?

Die Idee finde ich grundsätzlich sehr gut und absolut richtig. Allerdings lief gerade ein Konsultationsprozess, in dem die Details zur Ausgestaltung des künftigen EU-Wachstumsprospekts diskutiert wurden. Diese Konsultation hat die Aufsichtsbehörde ESMA im Auftrag der EU-Kommission übernommen. Ich finde es problematisch, dass der Konsultationsprozess bislang an den Unternehmen völlig vorbeigegangen ist.  Viele haben überhaupt nichts davon mitbekommen. Nicht ein kapitalmarktorientierter Mittelständler hat eine Stellungnahme abgegeben. Dadurch kommen Ideen auf den Tisch, die die Prospektpflicht für Mittelständler deutlich erschweren könnten.

Nennen Sie uns bitte ein Beispiel.
Es gibt beispielsweise einen Zielkonflikt zwischen Mittelständlern und ihren Investoren: Für internationale Investoren ist es ideal, wenn sie die Prospekte der Unternehmen, in die sie investieren, möglichst einfach analysieren und vergleichen können. Daher wünschen sie sich eine möglichst weit verbreitete Bilanzierung nach IFRS, obwohl die meisten Mittelständler nach nationalen Regeln bilanzieren, in Deutschland ist das HGB. Eine Umstellung auf IFRS würde die Unternehmen sehr viel Geld kosten und ihnen damit den Kapitalmarktzugang eher erschweren als erleichtern. Unser Verband setzt sich daher dafür ein, die HGB-Bilanzierung als Standard beizubehalten. Außerdem sollten die Prospekte schlanker werden. Der aktuelle Umfang schreckt viele Mittelständler ab.

Umfassende Prospekte schrecken viele Mittelständler ab

Viele Börsenplätze haben aber zuletzt die Anforderungen an mittelständische Emittenten erhöht, nicht zuletzt um Ausfallwellen wie etwa am Markt für Mittelstandsanleihen zu verhindern.
Selbstverständlich sollen Investoren die Möglichkeit haben, sich umfassend über das Unternehmen zu informieren. Aber wenn das Unternehmen nicht gesund ist, schützt auch der beste Prospekt nicht vor einem Ausfall. Derzeit haben viele Prospekte einen Umfang von 200 bis 300 Seiten. Für ein mittelständisches Unternehmen, das keine eigene Rechtsabteilung hat, ist das kaum darstellbar. Hinzu kommt der erhöhte Aufwand durch die Vorgaben der Marktmissbrauchsverordnung, die  inzwischen auch für Listings im Freiverkehr gelten. Ich würde mir wünschen, dass die Diskussion sich weniger am bisherigen Prospektformat orientiert, sondern auch neue, knappere Prospektformate zulässt.

Welches sind die nächsten Schritte im Konsultationsprozess?
Die detaillierten Regelungen der EU-Prospektverordnung sollen von Juli 2019 an vollständig greifen. In den kommenden Monaten wird die ESMA die eingeholten Stellungnahmen in ihren Entwurf einarbeiten und an die Kommission übergeben, die dann wiederum Experten zu Rate ziehen kann. Ich hoffe, dass dann auch die Stimmen einiger Mittelständler in die Gestaltung Eingang finden.

Info

Ingo Wegerich ist Präsident des Interessenverbandes. Der im Herbst gegründete Verband hat bislang 16 Mitglieder, darunter Unternehmen und Dienstleister, und möchte bis Frühjahr 2018 auf 30 bis 40 Mitglieder anwachsen.