Die immer noch schwelende Eurokrise, der unsicheren Konjunkturaussichten und die Angst vor der US-Fiskalklippe haben 2012 große Unsicherheiten bei Finanzchefs europäischer Unternehmen hervorgerufen. In dieser Umgebung verwundert es kaum, dass sie bei finanziellen Transaktionen so verhalten zu Werke gingen: Laut Mergermarket erreichte das M&A-Volumen im vergangenen Jahr seinen tiefsten Punkt seit dem Krisenjahr 2009. Dealogic ermittelte, dass europäische Börsengänge um 58 Prozent gegenüber 2011 zurückgingen während das Volumen syndizierter Kredite um 35 Prozent fiel. Nur der Bondmarkt präsentierte sich als Ausnahme und glänzte mit hohen Wachstumsraten: Europäische Anleiheemissionen mit Investment Grade kletterten um erstaunliche 70 Prozent.
Europäische M&A-Aktivität wandert in Nicht-Euro-Länder
Nach einem schwachen Jahr 2011 fiel die M&A-Aktivität im vergangenen Jahr erneut. Nach Angaben von Mergermarket belief sich das Volumen europäischer Transaktionen nur auf 678,7 Milliarden US-Dollar – ein Minus von 6,5 Prozent gegenüber 2011. Die Daten zeigen auch, dass sich Aktivität immer mehr in Nicht-Euro-Länder verlagert. Dort spüren Investoren die Auswirkungen der Staatsschuldenkrise in den Peripherieländern deutlich weniger. Während die M&A-Märkte in der UK und in Osteuropa eine relativ hohe Aktivität verzeichneten, kühlten sich die Märkte in Italien und Spanien, aber auch in Frankreich deutlich ab. Die Eurozone stand für nur 44 Prozent des gesamten europäischen Transaktionsvolumens.
Die Statistiken von Dealogic untermauern dies: Sie weisen die UK als beliebtestes Zielland für M&A aus, gefolgt von Russland und Deutschland. Der größte Deal des vergangenen Jahres war folgerichtig auch die Übernahme des britisch-russischen Joint-Ventures TNK-BP durch den russischen Staatskonzern und Energiegiganten Rosneft.
Schuldenfinanzierung: Von Krediten zu Bonds
Im Hinblick auf die Finanzierung griffen CFOs über Ländergrenzen hinweg zu einer ähnlichen Strategie: weniger Eigenkapital, weniger Kredite, aber mehr Anleihen. Mit einem Minus von 35 Prozent auf 705,4 Milliarden US-Dollar erlebte die europäische Kreditvergabe im globalen Vergleich die zweithöchsten Einbußen – nur knapp hinter Australien und Südostasien, wo Unternehmen 36 Prozent weniger Kredite nachfragten.
Die Daten von Dealogic stützen jedoch auch die Aussagen vieler Experten, dass es nicht am Kreditangebot der Banken, sondern an der Kreditnachfrage der Unternehmen mangele: Global fiel der Anteil syndizierter Kredite an der Fremdkapitalfinanzierung der Unternehmen von 68 Prozent in 2011 auf 55 Prozent in 2012. Anstatt sich auf Bankenfinanzierung zu verlassen, gingen Unternehmen lieber direkt an den Kapitalmarkt, indem sie Anleihen emittierten. Insbesondere europäische Investment Grade Bonds legten zu und erreichten mit 1.035 Emissionen, die 492.1 Milliarden US-Dollar wert waren, ein Rekordhoch. Aber auch nicht-geratete und high-yield Bonds gingen im vergangenen Jahr so gut über den Tisch wie schon lange nicht mehr. Weil die Kupons in Ländern wie Deutschland, den Niederlanden und Finnland – die viele Investoren als sichere Häfen innerhalb der Eurozone betrachten – niedrig waren, nutzen viele Finanzchefs die Gunst der Stunde und refinanzierten Schulden frühzeitig.
Eigenkapitalfinanzierung war von geringer Bedeutung
Im Gegensatz dazu spielte die Eigenkapitalfinanzierung 2012 nur eine kleine Rolle. Wegen der großen Unsicherheit und den unberechenbaren Börsen trauten sich weniger Unternehmen an die Börse: In der EMEA-Region ging das IPO-Volumen um 58 Prozent auf 16.3 Milliarden US-Dollar zurück. Deutschland behauptete zwar seinen ersten Platz, doch auch hierzulande ging der Wert der Börsengänge um 31 Prozent zurück.
In 2013 könnte sich das Blatt wenden, da CFOs auf neue makroökonomische Probleme reagieren müssen. Während die Hoffnung auf eine Erholung des M&A-Marktes gering ist, könnte die Eigenmittelfinanzierung wieder etwas zulegen. Auf die boomenden europäischen Anleihemärkte blicken Experten dagegen etwas pessimistischer: Sie rechnen mit einem Rückgang von etwa 15 Prozent.