Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) will den Sanierungsstandard IDW S6 neu fassen. Der Entwurf zur Neufassung wird viel gelobt. Aber der Passus zur Wiederherstellung eines positiven Eigenkapitals wird zum Teil hart kritisiert – auch von Ihnen.
Das ist richtig. Im Großen und Ganzen halten auch wir den Entwurf für praxistauglich. Aber die Forderung des IDW nach einem angemessen positivem bilanziellen Eigenkapital hat eine gravierende Schwäche: Qualifizierte Rangrücktritte kämen als finanzwirtschaftliche Restrukturierungsmaßnahme dann nicht mehr in Frage, da sie nur im Überschuldungsstatus, aber nicht in der Handelsbilanz Berücksichtigung finden.
Was wären die Alternativen zu qualifizierten Rangrücktritten?
Eigentlich nur Forderungsverzichte beziehungsweise Debt-to-Equity-Swaps. Diese haben aber einen Pferdefuß: Für die Banken stellen sie einen intensiveren Einschnitt dar. Dies erschwert die Verhandlungsführung bei der Sicherstellung der Finanzierung. Hinzu kommt, dass diese Instrumente nicht steuerneutral sind und beim Unternehmen zu einem steuerpflichtigen Sanierungsgewinn führen.
Steuerfrage dürfte Debt-to-Equity-Swaps vereiteln
Dafür hat Berlin doch schon längst das neue Sanierungsprivileg auf den Weg gebracht.
Das stimmt, dieses steht aber noch unter dem Vorbehalt einer Konformitätserklärung durch die EU-Kommission, die noch immer auf sich warten lässt. Und selbst wenn diese kommt, ist diese Regelung nicht optimal für Restrukturierungsfälle, die einer schnellen Lösung bedürfen.
Warum nicht?
Bei Inkrafttreten der Neuregelung müssten Unternehmen zunächst bei der Finanzverwaltung beantragen, dass die Steuerpflicht auf den Sanierungsgewinn entfällt. Die Bearbeitung eines solchen Antrages kann aber unter Umständen mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Für ein Unternehmen in akuten Zahlungsschwierigkeiten kann es dann schon zu spät sein. Und ohne Rechtssicherheit über den Erlass der sich aus dem Sanierungsgewinn ergebenden Steuerbelastung sähen sich Sanierungsgutachter kaum in der Lage, die Sanierungsfähigkeit eines Unternehmens zu bestätigen. Damit dürften dann auch Gläubiger ihre Zustimmung zu einem Debt-to-Equity-Swap versagen.
„Das neue Sanierungsprivileg ist nicht optimal für dringende Restrukturierungsfälle.“
BGH dürfte kein Problem für Debt-to-Equity-Swaps sein
Wie blickt der Bundesgerichtshof (BGH) auf dieses Thema?
Der Bundesgerichtshof hat sich bislang zu dem IDW S6-Kriterium einer angemessenen Eigenkapitalausstattung noch nicht äußern müssen. Der BGH beschränkt sich in seiner Rechtsprechung insoweit auf den unbestimmten und auslegungsbedürftigen Rechtsbegriff der „durchgreifenden Sanierung“. Durchgreifend saniert sei das Unternehmen aber bereits, wenn wieder eine positive Rendite erwirtschaftet und seine Insolvenz dauerhaft vermieden werden kann. Dabei kommt es entscheidend auf die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit im Sanierungszeitraum an – und darauf, dass an dessen Ende die Verbindlichkeiten refinanziert werden können. Die dafür entscheidende Frage ist aber, ob das Unternehmen auf Dauer kreditwürdig ist. Dies wird man bei einem grundsätzlich ertragsfähigen Unternehmen selbst dann bejahen können, wenn „nur“ ein positives wirtschaftliches Eigenkapital vorliegt und das Unternehmen imstande ist, nachhaltig seinen Kapitaldienst zu leisten. Dies gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, dass die Finanzierungskonditionen nach einer Refinanzierung über dem Branchendurchschnitt liegen könnten.
Unternehmen
Und dafür, glauben Sie, genügt ein qualifizierter Rangrücktritt.
Ja. Und weil ein Rangrücktritt – anders als ein Debt-to-Equity-Swap – auch ohne Sondererlaubnis der Finanzverwaltung steuerneutral ist, würden wir – und andere Sanierer – ihm den Vorzug geben. Aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung lässt sich jedenfalls keine Notwendigkeit für die Forderung nach einem Forderungsverzicht oder einem Debt-to-Equity-Swap ableiten.
Info
Die Interviewpartner
Georgiy Michailov ist Managing Partner der Turnaround-Beratung Struktur Management Partner. Er erstellt und setzt unter anderem Sanierungskonzepte im gehoben Mittelstand um.
Maximilian Pape ist Partner der Kölner Kanzlei Achsnick Pape Opp. Er berät Geschäftsführer, Banken und andere Stakeholder in der Sanierung und begutachtet unter anderem Sanierungskonzepte.