Endgültiges Aus für Hallhuber
Das Münchener Modeunternehmen Hallhuber hat keinen Investor gefunden und muss endgültig schließen. Der Modehändler musste sich erneut den multiplen Krisen im Textileinzelhandel und den daraus folgenden massiven Umsatzeinbußen beugen, im Mai ging er in die Eigenverwaltung. Nun hat das Unternehmen bekannt gegeben, dass die Mietverträge aller 130 Filialen bereits gekündigt sind und die Standorte geschlossen werden. Aktuell sind nur noch 60 der Filialen von Hallhuber im Betrieb.
Begleitet wurde Hallhuber von Sachwalter Christian Gerloff (Kanzlei Gerloff Liebler). Zudem sind die beiden Sanierungsexperten Sven Tischendorf und Alexander Höpfner (beide Tischendorf Rechtsanwälte) zur Hallhuber-Geschäftsführung dazugestoßen. Alle Berater waren schon im vergangenen Schutzschirmverfahren 2020 im Einsatz.
Damals hatte das Unternehmen eine drohende Zahlungsunfähigkeit aufgrund von coronabedingten Schließungen verhindern wollen. 2021 hatten schließlich die beiden Geschäftsführer Rouven Angermann und Torsten Eisenkolb den Textilhändler mittels eines Management-Buy-outs aus der Insolvenz gekauft. CFO Eisenkolb hat nun im August das Unternehmen verlassen. Erst im Juni wurde der Onlineshop geschlossen. Zwar sind bereits alle Mietverhältnisse gekündigt, dennoch laufen aktuell letzte Gespräche mit Interessenten.
Benkos Signa Holding bröckelt
Die schlechten Nachrichten im Reich René Benkos lassen nicht nach. Die Signa Holding muss Ende Oktober gleich zwei Insolvenzen verkraften: Zuerst hatte Tennis-Point als erste Tochter von Signa Sports United (SSU) Insolvenz beantragt. Grund dafür war die nur wenige Tage zuvor bekanntgegebene „Kündigung der verbindlichen, unbedingten Kapitalzusage durch die Signa Holding und die daraus resultierenden fehlenden Mittel zur Deckung des operativen Finanzierungsbedarfs der Signa-Sports-United-Gesellschaften“.
Christian Gerloff (Kanzlei Gerloff Liebler) wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Vier Tage später folgte für Gerloff die zweite Insolvenz, diesmal betroffen war die Signa-Sports-United-Tochter Internetstores. Bekannt ist die Gesellschaft vor allem für die Fahrrad-Verkaufsplattform Fahrrad.de.
Seit Juni hat der erfahrene Restrukturierer Arndt Geiwitz (SGP Schneider Geiwitz) sich dem Firmenportfolio der Signa Holding angenommen und erste Maßnahmen ergriffen, darunter etwa mehrere Verkäufe: Jüngst steht Hood zum Verkauf, erst Mitte dieses Monats wurde die Sportartikelkette Sportscheck an den britischen Modehändler Fraser verkauft, im Juni etwa die Möbelkette Kika/Leiner, die anschließend in die Insolvenz rutschte und sich aktuell saniert. Gleichzeitig werden Immobilienverkäufe durchgeführt, daneben laufen weitere Projekte.
Eine Kapitalerhöhung von 400 Millionen Euro aus den eigenen Reihen soll in der angespannten Lage Abhilfe schaffen. Damit will Signa dem schwierigen Marktumfeld für Immobilien etwas Luft verschaffen. Neben den Branchen Einzelhandel und Medien machen Immobilien den größten Teil der Holding aus. Das sorgt auch die EZB, die Anfang des Jahres europäische Banken zu ihren Engagements mit Signa abgefragt hat. Nach einer Überprüfung soll die europäische Aufsicht dann einige Geldinstitute dazu gedrängt haben, einen Teil der Kredite abzuschreiben oder mehr Risikovorsorge einzuplanen.
Peter Hahn will sich unter Schutzschirm retten
Die Modeindustrie ist tief getroffen: Nach bereits zahlreichen Modehaus-Insolvenzen muss nun auch das schwäbische Bekleidungshaus Peter Hahn unter den Schutzschirm. Mit dem Restrukturierungsexperten Detlef Specovius (Schultze & Braun) will sich das Modehaus sanieren. Mit Mänteln, Jacken und Decken aus Lamahaar wurde das baden-württembergische Unternehmen bekannt und beschäftigt mittlerweile über 1.000 Mitarbeitende europaweit.
Seit Monaten soll es schon intensive Gespräche mit Finanzierern und Investoren zur langfristigen Neuaufstellung und -finanzierung geben, berichten Medien. Ziel sei es, die Restrukturierung und den Investoreneinstieg Anfang 2024 abzuschließen. Der Geschäftsbetrieb von Peter Hahn soll ohne Einschränkungen weiterlaufen. Die Löhne und Gehälter der Mitarbeiter sind über das Insolvenzgeld für die nächsten Monate gesichert.
Krankenhaus-Insolvenzwelle trifft Krupp Krankenhaus
In Essen ist eines der beiden Krupp Krankenhäuser erstmalig in finanzielle Schieflage geraten und hat ein Schutzschirmverfahren beantragt. Rund 700 Beschäftigte und 320 Betten sind von der Sanierung betroffen. Der Betrieb wird fortgesetzt und die Beschäftigten über die Agentur für Arbeit bezahlt. Das von der Krupp-Stiftung gehaltene Krankenhaus wird vom Restrukturierungsexperten Mark Boddenberg (Eckert Rechtsanwälte) als Generalbevollmächtigter begleitet. Vorläufiger Sachwalter des Verfahrens ist Stefan Denkhaus (BRL Boege Rohde Luebbehuesen).
Viele Krankenhäuser aber auch Pflegeheime klagen über jene Herausforderungen, die auch dieses Medizinhaus in Schieflage gebracht haben: Unterfinanzierung, Fachkräftemangel und gestiegene Kosten. Seit November 2022 haben nach Zahlen der Deutschen Krankenhausgesellschaft innerhalb eines knappen Jahres 26 Träger mit insgesamt 34 Krankenhäusern Insolvenz angemeldet. Nach einer Umfrage der Unternehmensberatung Roland Berger unter den 600 größten deutschen Kliniken aus dem Sommer schreibt über die Hälfte rote Zahlen.
Weitere Insolvenz- und Sanierungsverfahren
Wegen Überschuldung musste die Philippine Technische Kunststoffe Anfang Oktober Insolvenz anmelden. Das Unternehmen ist das einzig insolvente der Gruppe, es fertigt und verarbeitet Polyurethanschäume sowie expandierbare Polypropylenlösungen für Akustik-, Energieabsorptions- sowie Komfortschaumanwendungen für die Automobilindustrie. Mit der Insolvenz soll sich der Kunststoffproduzent mithilfe des vorläufigen Insolvenzverwalters Jens Lieser (Lieser Rechtsanwälte) sanieren. Die Löhne und Gehälter der rund 310 Beschäftigten sind bis Ende Dezember 2023 über das Insolvenzgeld gesichert.
Der Investorenprozess bei Gigaset ist gestartet. Die M&A-Beratung Clearwater International sucht nun nach einem Käufer für den Schurlostelefonhersteller, der Ende September in die Pleite gerutscht war. Parallel beginnen die Restrukturierungsmaßnahmen bei Gigaset. CEO Magnus Ekerot sieht sich gut im Zeitplan: „Nach rund einem Monat können wir den Investorenprozess starten, um den bestmöglichen, zukünftigen Partner für Gigaset zu finden.“
Der Arbeiterwohlfahrt-Bezirksverband Ostwestfalen-Lippe (AWO OWL) mit 4.300 Beschäftigten hat Insolvenz beantragt. Das Amtsgericht Bielefeld eröffnete Anfang Oktober ein vorläufiges Eigenverwaltungsverfahren. Seit Jahren befindet sich der AWO OWL in einer finanziellen Krise. Die bisherige Restrukturierung mündet nun in der Eigenverwaltung. Dabei bleibt das bisherige Management im Amt, wird aber von dem Sanierungsexperten und Generalbevollmächtigten Andreas Budnik (AndresPartner) sowie den vom Amtsgericht bestellten Sachwalter Stefan Meyer (Pluta) unterstützt.
Die Backkette Lila Bäcker ist Ende Oktober in die Eigenverwaltung gestartet, um sich neu aufzustellen. Wegen gestiegener Kosten und zurückhaltenden Kunden ist der Betrieb mit 230 Filialen und 1.600 Mitarbeitenden in Schieflage geraten. Bislang läuft der Bäckereibetrieb wie gewohnt weiter. Das Unternehmen hatte bereits Anfang 2019 mit rund 2.500 Mitarbeitern und 400 Läden Insolvenz angemeldet und war dank einer Bürgschaft des Landes Mecklenburg-Vorpommern im September 2019 mit 270 Filialen und 2.100 Mitarbeitern neu gestartet. Derzeit suche Lila Bäcker für die Neuausrichtung Partner und verhandele mit Investoren, hieß es.
Distressed-M&A-Deals
Die sich seit Dezember 2022 in der Insolvenz befindlichen Einzelhändler Salamander und Schuhhaus Klauser wurden im Oktober von dem Investor Prime Footwear übernommen. Unter der Führung der Prime Footwear als neue Gesellschafterin sollen Salamander und Klauser fortgeführt werden. Prime Footwear wurde bei diesem Distressed-Deal und der Finanzierung von Markus Käpplinger (Goodwin) und seinem Team beraten.
Rewe plant die Übernahme von Real. 15 der derzeit 62 Real-Märkte will der Kölner Einzelhandelskonzern übernehmen. Um welche Märkte es sich dabei im Einzelnen handeln soll, ist noch nicht bekannt. Die Übernahmeidee kommt nicht von ungefähr: Seit vergangenem Jahr beliefert Rewe alle Mein-Real-Märkte mit Lebensmitteln und anderen Konsumgütern. Aktuell prüft das Bundeskartellamt die Pläne. Die ehemalige Metro-Tochter Real hatte Ende September Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet.
Neue Wege mit spanischem Investor beschreitet der insolvente Waschbeckenhersteller Alape. Die spanische Badmöbelhersteller-Gruppe Roca übernimmt den Geschäftsbetrieb des traditionsreichen Goslaer Unternehmens. Insolvenzverwalter Silvio Höfer (Anchor) konnte den Kaufvertrag Anfang Oktober abschließen.
Ein weiterer spanischer Investor kauft sich bei einem süddeutschen Mittelständler ein: Die börsennotierte Wallbox aus Barcelona übernimmt den Techhersteller für E-Mobilität ABL. Mit Hilfe des Sanierungsexperten Maximilian Pluta (Pluta), der als CRO bei ABL eingestiegen war, und dem Generalbevollmächtigten Daniel Barth (Pluta) konnte die Sanierung abgeschlossen und der größte Teil des Betriebsvermögens an Wallbox übertragen werden. Als Sachwalter wurde Michael Wirth (Dr. Schmitt & Kollegen) vom Gericht bestellt.
Die angeschlagene Warenhauskette Galeria will ihre belgische Tochter Inno verkaufen. Der Erlös fließt allerdings nicht an den Eigentümer Signa, sondern an den deutschen Staat. Im Rahmen der staatlichen Hilfen über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds ist Inno an den Bund verpfändet worden. Nach FAZ-Informationen erhofft sich Galeria einen Verkaufserlös im mittleren zweistelligen Millionenbetrag.
Beendete Insolvenz- und Sanierungsverfahren
Für den Biomethanhändler BMP Greengas ist ein Ende seiner Insolvenz in Sicht: Der Energiekonzern EnBW hat ein verbindliches Angebot zur Finanzierung des Insolvenzplans für BMP Greengas abgegeben. Mit dem Angebot soll für Kunden, Beschäftigte und Lieferanten eine Lösung gefunden und dem Unternehmen eine Perspektive zur Fortführung geboten werden. Zudem sollen weitere Verwerfungen im Markt für Biomethan verhindert werden, so dass der Markt sich weiter stabilisieren kann, erklärte ein Sprecher. Als Tochtergesellschaft der Erdgas Südwest ist die BMP Greengas Teil des EnBW-Konzerns. Aufgrund eines laufenden Restrukturierungsverfahrens kann die Erdgas Südwest als Mehrheitseigentümerin kein eigenes Übernahmeangebot für das Unternehmen abgeben.
Weitere Restrukturierungen und Branchen-News
Die Gesellschaft für Restrukturierer, TMA Deutschland, hat erneut ihre Mitgliederumfrage durchgeführt: Der Großteil der Experten erwartet einen weiteren Anstieg von Restrukturierungsfällen. Als wesentliche Ursachen machen die Umfrageteilnehmer neben Personalknappheit vor allem gestiegene Kosten für Finanzierungen und Energie aus. Wie bereits in den TMA-Umfragen der Vorjahre werden das Baugewerbe, der Handel und die Automobilindustrie als besonders krisenanfällig gesehen.
„Auffällig ist, dass knapp zwei Drittel der Krisenunternehmen noch keine Maßnahmen umgesetzt oder zumindest definiert haben“, erklärt Rainer Bizenberger, Co-Head der Turnaround- und Restrukturierungspraxis von Alixpartners in München sowie Co-Leiter des TMA-Facharbeitskreises Restrukturierungsberatung. „Dabei ist es von entscheidendem Vorteil, frühzeitig strategisch-strukturelle Maßnahmen und operative Verbesserungen einzuleiten, auf deren Basis auch die Refinanzierung gelingen kann.“
Drei Beratungseinheiten für den Medizinsektor tun sich zusammen: Der Restrukturierer TMC Turnaround Management Consult, die Wirtschaftsprüfungs-, Steuer- und Rechtsberatungsgesellschaft DHPG und die auf den Gesundheitssektor spezialisierte Unternehmensberatung Bartels Consulting kooperieren in der Restrukturierung von Einrichtungen der Gesundheitsvorsorge, insbesondere von Krankenhäusern.
Die Kooperationspartner unterstützen angeschlagene Krankenhäuser auch auf diesem Sanierungsweg. „Eine Insolvenz muss nicht das Aus bedeuten. Eine frühzeitige Beratung eröffnet Handlungsoptionen und schützt das Management vor persönlicher Haftung“, so Christian Senger, Rechtsanwalt und Partner bei DHPG. „Auch die Liquiditätsplanung unter Insolvenzbedingungen erfordert einen Experten“, ergänzt Alf Hillen, ebenfalls Partner bei DHPG. Die Initiative scheint längst überfällig: Bis Ende September dieses Jahres mussten rund 40 Krankenhäuser in Deutschland einen Insolvenzantrag stellen.
Die neuesten Restrukturierer-Personalien
Der Restrukturierungsexperte Sascha Haghani verlässt Roland Berger. Vor über dreißig Jahren begann er bei der Beratungseinheit. Ende des Jahres heißt es für den Chef des Restrukturierungsgeschäfts Abschied nehmen. Er will sich künftig neben „eigenen unternehmerischen Aktivitäten“ auch seinen verschiedenen Aufsichtsratsmandaten widmen. Die Nachbesetzung Haghanis ist bereits geregelt. Das Segment Restructuring & Turnaround verantworten künftig Alexander Müller und Adrian Pielken.
Der Gravenbrucher Kreis hat mit Tobias Wahl ein neues Mitglied gewonnen. Wahl ist Partner bei der Kanzlei Anchor und Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht. Damit ist er das 20. aktive Mitglied in dem Kreis überregional tätiger Insolvenzverwalter und Restrukturierungsexperten. Wahl wurde als Sachwalter oder Restrukturierungsexperte unter anderem bei Adler Modemärkte, der Alno Gruppe, der Koch, Neff & Volckmar Gruppe – heute Zeitfracht – sowie der Kanz-Gruppe eingesetzt.
Grub Brugger verstärkt sich am Standort München mit dem Restrukturierungsberater Lukas Herbert. Der 39-jährige ist zum Oktober als Partner eingestiegen und erweitert das Team um Michael Vilgertshofer und Hendrik Wolfer. Seine Karriere begann 2014 bei Pluta. Nach einem Secondment bei einer Partnerkanzlei auf den Cayman Islands wechselte er 2020 als Senior Associate zu Finkenhof. Zuletzt war er für K&L Gates in Frankfurt tätig. Seine Schwerpunkte liegen auf Geschäftsführerberatung, Eigenverwaltung, Schutzschirm- und Insolvenzplanverfahren sowie Distressed M&A.
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Esra Laubach ist Redakteurin bei FINANCE und widmet sich schwerpunktmäßig den Themen Transformation, Restrukturierung und Recht. Sie ist Sprach- und Kommunikationswissenschaftlerin. Vor FINANCE war sie rund fünf Jahre als Legal-Journalistin für den Juve Verlag in Köln tätig, wo sie auch ihr journalistisches Volontariat absolvierte. Esra Laubach arbeitete während ihres Studiums multimedial u.a. für das ARD-Morgenmagazin, mehrere Zeitungen und moderierte beim Hochschulradio Kölncampus.
