Nach mehreren schlechten Nachrichten bricht die Bayer-Aktie im frühen Handel des Leitindex Dax um fast 19 Prozent ein. Das Papier rangierte am heutigen Montag noch bei rund 33 Euro. Damit verlor der Chemie- und Pharmakonzern innerhalb weniger Stunden an der Börse rund 7,6 Milliarden Euro an Wert. Einen niedrigeren Aktienkurs verzeichnete Bayer zuletzt während der Finanzkrise 2009.
Grund für den Kurssturz ist unter anderem eine abgebrochene Studie. In der Nacht zum Montag teilten die Leverkusener mit, eine entscheidende Phase-III-Studie mit Asundexian mangels Wirksamkeit auf Empfehlung eines unabhängigen Kontrollgremiums vorzeitig abzubrechen. Bei der Studie mit 18.000 Teilnehmern wurde Asundexian im Vergleich zum Gerinnungshemmer Eliquis der Konkurrenten Bristol-Myers-Squibb und Pfizer bei Patienten mit Vorhofflimmern und Schlaganfallrisiko untersucht.
Zudem wurde am Wochenende eine erneute Niederlage bei den Glyphosat-Prozessen in den USA bekannt. Der Konzern muss Schadensersatz und Strafen von zusammen 1,5 Milliarden Euro zahlen. Bayer kündigte an, das Urteil anzufechten. Vergangenen Freitag platzierte der Konzern in den USA noch Anleihen über 5,75 Milliarden US-Dollar.
Bayer: Pharmageschäft hat es schwer
Besonders die abgebrochene Studie sehen Analysten kritisch. „Das ist ein heftiger Rückschlag für Bayer. Asundexian war die Perle in Bayers Pharma-Pipeline und ohne den Wirkstoff steht die Pharma-Sparte ohne nachhaltiges Wachstum da“, sagt Fondsmanager Markus Manns von Union Investment. „Den Neuanfang zu gestalten, wird damit für Vorstandschef Bill Anderson zur Herkulesaufgabe.“
Bayer traute Asundexian nach früheren Angaben ein Spitzenumsatzpotenzial von mehr als 5 Milliarden Euro zu. Das Mittel sollte eigentlich 2026 marktbereit sein.
Bayer hat sehr hohen Goodwill
Neben der Entwicklung des Pharmageschäfts steht Bayer vor einer weiteren Herausforderung: der Goodwill. In der Jahresbilanz 2022 verbuchte der Konzern einen Goodwill von rund 39 Milliarden Euro. Im Juli machten die Leverkusener bekannt, wegen dem Glyphosatgeschäft 2,5 Milliarden Euro abschreiben zu müssen, dadurch verbuchten sie im zweiten Quartal einen Verlust von 2 Milliarden Euro.
Auch für das Gesamtjahr ist der immer noch hohe Goodwill mit Blick auf das Eigenkapital, das bei Bayer Ende 2022 bei rund 41 Milliarden Euro lag, kritisch. Falls der Goodwill im Verhältnis zum Eigenkapital einen hohen Anteil hat und dieser dann abgeschrieben wird, wird auch das Eigenkapital belastet, erklärt Bilanzexpertin Carola Rinker in einem Interview in der aktuellen FINANCE-Printausgabe. Darunter könnten dann auch die anderen Bilanzkennziffern leiden, was bis zur bilanziellen Überschuldung führen könnte.
Damit wird das Aufgabenbuch für Neu-CEO Bill Anderson noch etwas dicker. Denn auch vor Bekanntwerden der abgebrochenen Phase-III-Studie lief es nicht rund für Bayer. Neben dem Glyphosat-Debakel in den USA ist hier in erster Linie das schwache operative Geschäft zu nennen. Der Konzern wird dieses Jahr aller Voraussicht nach keinen Free Cashflow erwirtschaften. Erste Investoren sollen schon die Zerschlagung von Bayer gefordert haben. Asundexian als künftige Cashcow hätte diese Stimmen zum Schweigen bringen können. Ihr Ruf dürfte jetzt wieder lauter werden. Bayer sieht einer ungewissen Zukunft entgegen.
Sarah Backhaus ist Redakteurin bei FINANCE und DerTreasurer. Backhaus ist spezialisiert auf die Themen Restrukturierung, Transformation, Zahlungsverkehr und Cash Management. Sie hat Journalismus an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln studiert. Sarah Backhaus arbeitete während ihres Studiums unter anderem für Onlinemagazine von Gruner + Jahr und schrieb als freie Journalistin für die Handelszeitung, faz.net und Impulse.
