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Deutsche Bank baut auch Firmenkundengeschäft um

Hat einen neuen Großaktionär an Bord: Die Deutsche Bank.
Deutsche Bank

Mehrere Vorstandswechsel, milliardenschwere Sonderkosten und der größte Stellenabbau in der 149 Jahre alten Unternehmensgeschichte überlagern, dass die Deutsche Bank im Zuge ihres gestern Nachmittag angekündigten Radikalumbaus auch wichtige Strukturen in ihrem Firmenkundengeschäft verändert: Sie löst das Geschäft mit kleinen und mittelgroßen Firmenkunden aus dem Privatkundenbereich heraus und schlägt es dem Großkundengeschäft zu, um schließlich beide Einheiten mit der Transaktionsbank zusammenzuführen.

Dadurch entsteht eine neue „Unternehmensbank“, die künftig einer von vier zentralen Geschäftsbereichen sein wird – neben der Privatkundensparte, der Vermögensverwaltung und dem Wertpapierhandel. Teil der Unternehmenssparte ist auch das „fokussierte Aktienemissionsgeschäft“, das die Deutsche Bank weiterhin betreiben will, obwohl sie sich aus dem weltweiten Aktienhandelsgeschäft zurückzieht und die dort angesiedelten Kunden und Mitarbeiter der BNP Paribas übergibt. „Es geht darum, die Wünsche unserer Kunden wieder viel stärker in den Mittelpunkt zu stellen“, schreibt Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing in einem Brief an die Mitarbeiter.  

Hoops und Fedorcik übernehmen die Führung

Die neue Unternehmensbank kommt nach Aussage von Sewing, der die Sparte auch leiten wird, auf Kundeneinlagen von 200 Milliarden Euro und wickelt täglich Finanzströme im Gegenwert von 1 Billion Euro ab – vor allem aufgrund der starken Position der Deutschen Bank im Zahlungsverkehr und in der Handelsfinanzierung. Insbesondere unter deutschen CFOs genießt die Bank im Transaktionsbereich höchste Wertschätzung, wie die diesjährige FINANCE Banken-Survey im Mai gezeigt hat.

Zweite Kraft hinter Sewing in der Unternehmensbank wird Stefan Hoops sein, der erst im vergangenen Oktober zum Chef der Transaktionsbank aufgestiegen war. Er wird direkt an Sewing berichten. Neuer Chef der Investmentbank und Nachfolger von Garth Ritchie wird das Deutsche-Bank-Urgestein Mark Fedorcik, der schon 1995 im Zuge der Übernahme von Bankers Trust zur Deutschen Bank stieß. 

Obwohl die Investmentbank im ersten Halbjahr einen Erlöseinbruch von 20 Prozent erlitten hat und damit noch weit mehr Federn lassen musste als die Konkurrenz, ist der Anleihen- und Devisenhandel weiterhin Teil der Deutschen Bank.

Trotzdem wird es in den Bereichen von Fedorcik und Hoops zu tiefen personellen Einschnitten kommen. In der bisherigen Sparte „Unternehmens- und Investmentbank“ arbeiten derzeit noch über 17.000 Vollzeitkräfte, denen rund 20.000 weitere zuarbeiten. Ein Großteil der von Sewing angekündigten 18.000 Stellenstreichungen dürfte auf diesen Teil der Bank entfallen.

Sewing kreiert neues „Zentrum der Bank“

Dabei wird es hauptsächlich, aber nicht nur die großen Auslandsstandorte treffen. In Nordamerika beschäftigt die Deutsche Bank aktuell 9.000 Mitarbeiter, von denen rund jeder Zweite wohl gehen muss. In Asien arbeiten 20.000 Menschen für die Deutsche Bank, auch dort dürften die Einschnitte Tausende Mitarbeiter treffen. In Deutschland wird es ebenfalls zu Stellenstreichungen kommen, die nach dem Willen von Sewing und der Gewerkschaft Verdi jedoch „sozialverträglich“ ausfallen sollen. An welchen Standorten und in welchen Geschäftsteilen wie viele Stellen genau gekappt werden, ist noch nicht bekannt. Sewing erklärte, mit dem Personalabbau sei bereits begonnen worden. 

„Wir fokussieren unsere Investmentbank, werden weniger abhängig vom Handelsgeschäft und verkleinern unsere Bilanz“, schreibt Sewing an seine Mitarbeiter. Die Unternehmensbank hingegen „rückt ins Zentrum unserer Bank“.  

„Die Unternehmensbank rückt ins Zentrum unserer Bank.“

Christian Sewing, CEO, Deutsche Bank

Sewing pumpt 13 Milliarden Euro in die IT

Insgesamt belastet der Radikalumbau die Gewinn- und Verlustrechnung der Deutschen Bank mit 7,4 Milliarden Euro. Allerdings besteht ein Teil davon aus nicht cash-wirksamen Wertberichtigungen auf latente Steuern. Auch für den Abverkauf von Derivaten, die bislang noch für die Unterlegung des Handelsgeschäfts benötigt werden oder Folge dieser Geschäfte sind, muss die Deutsche Bank Vorsorge treffen. Risikogewichtete Aktiva im Volumen von 74 Milliarden Euro und damit mehr als erwartet lagert sie in eine Bad Bank („Capital Release Unit“) aus.

Für die Deckung der Verluste plant Sewing, den größten Teil des Eigenkapitalpuffers aufzubrauchen, der die Deutsche Bank derzeit vom aufsichtsrechtlichen Minimum trennt. Dieser Betrag liegt bei rund 10 Milliarden Euro. Weil Sewing versucht, den Umbau ohne Kapitalerhöhung zu schultern – seit 2010 hat die Bank schon neue Aktien für 30 Milliarden Euro verkauft –, wird die Kernkapitalquote von aktuell über 13 auf etwa 12,5 Prozent sinken. Außerdem wird die Deutsche Bank in den nächsten beiden Jahren keine Dividende zahlen. Im Gegenzug dürfte der Bilanzabbau die Leverage Ratio – de facto die Eigenkapitalquote der Bank – mittelfristig erkennbar ansteigen lassen. 

Auch das Ziel für die Eigenkapitalrendite kürzt Sewing zusammen, und zwar von 10 auf 8 Prozent. Außerdem soll es nun erst im Jahr 2022 erreicht werden. Bis dahin soll der Abbau von 92.000 auf 74.000 Mitarbeiter auch die Gesamtkosten der Bank von 22 auf 17 Milliarden Euro im Jahr sinken lassen. Als Aufwands-Ertrags-Quote, die zuletzt bei 93 Prozent lag, nimmt sich Sewing einen Wert von 70 Prozent vor – und das, obwohl er im gleichen Zeitraum 13 Milliarden Euro investieren will, um die IT zu modernisieren. Weitere 4 Milliarden Euro sollen in die Aufrüstung der Kontroll- und Risikomanagementsysteme fließen. 

Ex-SAP-Vorstand Leukert soll Digitalisierung vorantreiben

Über diese Budgets wachen künftig zwei neue Vorstände: Der ehemalige Partner der Kanzlei Flick Glocke Schaumburg, Stefan Simon, wechselt vom Aufsichtsrat in den Vorstand und löst Compliance-Chefin Sylvie Matherat ab. Simon ist ein Vertrauter des Großaktionärs Katar. Neuer Vorstand mit Zuständigkeit für die Digitalisierung wird Bernd Leukert, der im Februar überraschend aus dem Vorstand des Softwarekonzerns SAP ausgeschieden war. Seine Stelle behalten darf hingegen Finanzvorstand James von Moltke. Die von der Nachrichtenagentur Bloomberg geschürten Spekulationen, Sewing würde auch Moltke schassen, haben sich vorerst nicht bewahrheitet. 

Die Analysten reagieren gespalten auf den neuen Kurs der Deutschen Bank. Die Ratingagentur Moody’s spricht von einem „positiven Schritt in Richtung eines ausbalancierteren und nachhaltigeren Geschäftsmodells“, die UBS glaubt, dass sich der Aktienkurs der Deutschen Bank verdoppeln könnte, sollten Sewings Umbaumaßnahmen greifen. Die Berenberg Bank hingegen sieht „enorme Umsetzungsrisiken“ und mit Blick auf die dünner werdende Kapitaldecke „wenig Raum für Fehler“. Im frühen heutigen Handel klettert die Deutsche-Bank-Aktie um 4 Prozent auf 7,50 Euro, bis zum Mittag gab sie diese Gewinne aber wieder ab.