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Die Rechenspiele der Deutschen Bank zum Geschäftsjahr 2019

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Verbucht 2019 als Erfolg: Deutsche Bank-Chef Christian Sewing.
Deutsche Bank

Man kann die heute in Frankfurt präsentierten Zahlen der Deutschen Bank für das abgelaufene Geschäftsjahr 2019 auf zwei Arten lesen: Betrachtet man die sogenannte „Kernbank“ – also nur die Geschäfte, die die Deutsche Bank auch nach dem im Juli beschlossenen Umbau weiterführen möchte –, und berücksichtigt man weder rund 1,1 Milliarden Euro Umbaukosten, noch Goodwill-Abschreibungen über rund 1 Milliarde Euro, noch Restrukturierungs- und Abfindungsaufwendungen von zusammen rund 800 Millionen Euro, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass die Deutsche Bank 2019 vor Steuern 543 Millionen Euro Gewinn gemacht hat.

Bezieht man jedoch die „Abbaubank“ bei der Beurteilung des jüngsten Geschäftsjahrs mit ein, dann ergibt sich ein ganz anderes Bild, und es stehen vor Steuern rund 2,6 Milliarden Euro Verlust. Berücksichtigt man dann noch rund 2,8 Milliarden Euro aus Aufwendungen für latente Steueransprüche, wächst der Verlust gar auf mehr als 5,3 Milliarden Euro an.

Christian Sewing verbucht 2019 dennoch als Erfolg: „2019 war das Jahr der wegweisenden Entscheidungen. Wir haben die radikalste Transformation der Deutschen Bank seit zwei Jahrzehnten angekündigt – und schon weit vorangebracht“, findet der Deutsche-Bank-Chef. Das scheinen auch die Aktionäre so zu sehen. Die Aktie legte im Laufe des Vormittags um über 3 Prozent zu und steht bei 8,20 Euro, nachdem sie Mitte August mit 5,80 Euro ein neues Allzeittief markiert hatte.

Deutsche Bank-Aktie auf Wochensicht

Unternehmensbank stoppt Ertragsschwund

Ein genauerer Blick auf das operative Geschäft der jeweiligen Geschäftsbereiche gibt Sewing in Teilen Recht: In der neuen Unternehmensbank, die Sewing im Juli 2019 bei seiner Strategiepräsentation zum Wachstumsmotor ausgerufen hatte, hat die Bank den jahrelangen Ertragsschwund zumindest gestoppt. Der Ertrag lag erneut bei rund 5,3 Milliarden Euro. Im von Stefan Hoops geführten Global Transaktion Banking sanken die Erträge gegenüber dem Vorjahr von 3,9 Milliarden auf 3,8 Milliarden Euro. Im Firmenkundengeschäft (Commercial Banking) stiegen sie dagegen von 1,3 Milliarden auf 1,4 Milliarden Euro an – unter dem Strich ein Nullsummenspiel.

Sewing zufolge lag der Schlüssel für die Ertragsstabilisierung im Wachstum in Asien sowie im Kreditgeschäft, in dem die Bank 5 Milliarden Euro mehr Kreditvolumen an Firmenkunden ausgereicht habe als im Vorjahr. Im Zahlungsverkehr habe die Bank fast 3 Milliarden Cash-Transaktionen für Unternehmen abgewickelt, was 9 Prozent mehr als im Vorjahr gewesen seien. Die Erträge mit digitalen Plattformen hätten sogar um mehr als 15 Prozent zugelegt, bilanzierte Sewing.

Der Zinsüberschuss legte dadurch um 11 Prozent auf 2,6 Milliarden Euro zu. Dem gegenüber stünden aber auch Ertragsrückgänge bei Wertpapierdiensten, auch weil sich die Bank komplett aus dem Aktienhandel zurückgezogen hat. Auch deshalb sank der Provisionsüberschuss leicht auf 2,2 Milliarden Euro.

Weil die zinsunabhängigen Kosten in der Unternehmensbank jedoch um rund ein Viertel auf 4,8 Milliarden Euro geklettert sind, verbuchte die Unternehmensbank 2019 unter dem Strich dennoch nur einen Vorsteuergewinn von 137 Millionen Euro – fast 90 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Cost-Income-Ratio explodierte dadurch von 73 auf 92 Prozent. In den Kosten sind neben den um 14 Prozent auf 3,2 Milliarden Euro gestiegenen allgemeinen Verwaltungskosten unter anderem auch Goodwill-Abschreibungen über 500 Millionen Euro sowie Restrukturierungskosten über 137 Millionen Euro enthalten.

Deutsche Bank: Investmentbank verliert an Boden

Während sich die Unternehmensbank stabil entwickelte, ging der Ertragsschwund im gestutzten Investmentbanking dagegen auch 2019 weiter. Die Erträge sanken dort im Vergleich zum Vorjahr um 7 Prozent auf 7 Milliarden Euro. Dass es nicht noch schlimmer kam, ist allein auf zwei Bereiche zurückzuführen: Den Handel mit festverzinslichen Wertpapieren und Währungen (FIC) und das Anleiheemissionsgeschäft (Debt Capital Markets, kurz: DCM), deren Erträge jeweils weniger stark um 2 Prozent auf 5,5 Milliarden Euro (FIC) beziehungsweise 1,1 Milliarden Euro (DCM) schrumpften. Im FIC-Geschäft ist die Bank nach eigener Aussagen beim Anleihehandel und in den Emerging Markets sogar gewachsen. Dieses Wachstum sei jedoch durch Rückgänge im Zins- und Währungshandel wieder aufgefressen worden.

Die beiden Ertragssorgenkinder der Deutschen Bank im Investmentbanking sind das Eigenkapitalmarktgeschäft (ECM) und das Beratungsgeschäft (Advisory). Im Bereich ECM brachen die Erträge 2019 um 33 Prozent auf 123 Millionen Euro ein, im Advisory um 20 Prozent auf 366 Millionen Euro. Weil die Kosten im Investmentbanking nicht im gleichen Umfang, sondern nur leicht von 6,5 Milliarden auf 6,4 Milliarden Euro gesunken sind, hat sich der Vorsteuergewinn im Investmentbanking gegenüber dem Vorjahr auf 433 Millionen Euro halbiert. Die Cost-Income-Ratio lag bei 92 Prozent und damit genauso hoch wie in den Vorjahren.

Für 2020 erhofft sich Sewing im Investmentbanking wieder Wachstum, wie er bei der Jahresmedienkonferenz vor Journalisten sagte. Er hoffe dabei, dass die Bank durch Fortschritte in ihrer Abbaueinheit Vertrauen am Kapitalmarkt zurückgewonnen habe. „Kreditausfallversicherungen auf die Deutsche Bank sind nicht einmal mehr halb so teuer wie zu unserer Hauptversammlung 2019. Und der deutliche Risikoaufschlag, der im Vergleich zu unseren Wettbewerbern fällig wurde, ist inzwischen erheblich kleiner geworden“, sagte der Vorstand. „Je niedriger unsere Finanzierungskosten am Markt ausfallen, desto wettbewerbsfähiger sind wir in vielen Geschäftsfeldern.“

Deutsche Bank will zurück zum Kunden

Licht und Schatten gab es nicht nur in der Unternehmensbank und dem Investmentbanking, sondern auch auf Gesamtbankebene. Im Privatkundengeschäft sind die Erträge um 5 Prozent auf 8,3 Milliarden Euro gesunken, die Kosten dagegen um 8 Prozent auf 8,2 Milliarden Euro gestiegen – darunter 545 Millionen Euro Goodwill-Abschreibung und 126 Millionen Euro Kosten für die Restrukturierung. Unter dem Strich bleibt ein Vorsteuerverlust von 265 Millionen Euro. Im Vorjahr waren es noch 700 Millionen Euro Gewinn.

Ein Lichtblick war das Asset Management. Die Erträge dort legten um 7 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro zu, die Kosten sind um 1 Prozent auf 1,7 Milliarden Euro gesunken, wodurch der Vorsteuergewinn um 27 Prozent auf 468 Millionen Euro gewachsen ist.

Für 2020 zeigt sich Sewing optimistisch. Von den bis 2022 erwarteten Transformationskosten seien nun bereits 70 Prozent „verdaut“. Damit läge die Bank nicht nur im Plan, sondern in manchen Bereichen sogar darüber. Man komme schneller voran als erwartet, so Sewing. Will heißen: „Dieses Jahr werden wir uns wieder weniger mit uns selbst beschäftigen – und umso mehr mit unseren Kunden und mit unserem Geschäft“, kündigte Sewing an. Vielleicht kann die Deutsche Bank dann im kommenden Geschäftsjahr auch ohne komplizierte Rechenspiele wieder einen Vorsteuergewinn ausweisen.

philipp.habdank[at]finance-magazin.de