Die niederländische Bank ING hat sich über ihren Venture-Capital-Arm ING Ventures an dem Firmenkunden-Fintech und Vergleichsportal Fincompare beteiligt. Im Zuge einer Serie-A-Finanzierung hat das Berliner Unternehmen insgesamt 10 Millionen Euro eingesammelt, wovon 7 Millionen von der ING kommen. Das übrige Kapital kommt von den Altinvestoren, darunter der österreichische Versicherer Uniqa und der Wagniskapitalinvestor Speedinvest. Das Nachrichtenportal „Finanz-Szene“ hatte zuerst von der Transaktion berichtet, Fincompare hat den Inhalt des Berichts über eine Pressemitteilung mittlerweile bestätigt.
Mit der Finanzierungsrunde steigert das Fintech das bisher eingesammelte Wachstumskapital auf 14 Millionen Euro. Für die ING ist es nach der Übernahme des Firmenkunde-Fintechs Lendico im Februar schon das zweite größere Investment in ein deutsches Firmenkunden-Fintech im laufenden Jahr.
ING expandiert stark in der Fintech-Welt
Fincompare ist erst seit gut einem Jahr am Markt und bietet mit 40 Mitarbeitern Kredite, Leasing und Factoring für Unternehmen an. Eigenen Angaben zufolge konnte Fincompare bisher rund 2.500 Kundenanfragen mit einem Gesamtvolumen von über 1 Milliarde Euro bearbeiten. Tatsächlich vermittelt wurden nach Informationen der „Finanz-Szene“ über die Finanzierungsplattform bislang Gelder in Höhe von rund 100 Millionen Euro.
Der Einsteig bei Fincompare zeigt: Die ING zählt zu den Banken, die am vehementesten den Schulterschluss mit jungen Anbietern aus der Start-up-Welt suchen – sowohl im Privat- als auch im Firmenkundengeschäft. „Die Beteiligung an Fincompare ermöglicht es uns zudem, unsere Präsenz im KMU-Segment in Deutschland auszubauen“: So begründet Benoit Legrand, CEO von ING Ventures, die Beteiligung.
Arbeitet die ING an einem Digitalkredit für Firmenkunden?
Das von dem Branchenreporter Heinz-Roger Dohms betriebene Fintech-Portal „Finanz-Szene“ vermutet, dass die Motivation hinter dem Einstieg der ING bei Fincompare sein könnte, dass die Bank an einem eigenen digitalen Kreditangebot für Unternehmen arbeitet. Die Übernahme der ehemaligen Rocket-Internet-Tochter Lendico im Februar könnte dazu gedient haben, sich den Zugriff auf die Marktplatz-Technologie der Fintechs zu sichern. Fincompare könnte nun einen zusätzlichen Online-Vertriebskanal schaffen, falls die ING tatsächlich ein neuartiges KMU-Finanzierungsprodukt auf den Markt bringen sollte.
FINANCE-TV-Talk zur Lendico-Übernahme
Doch die Marktchancen einer solchen Innovation sind ungewiss. Viele Unternehmen schrecken davor zurück, den persönlichen Kontakt zu ihrer Hausbank durch eine neutrale Plattformlösung zu ersetzen. Infolge dessen droht bei den Kreditnehmern eine Negativauslese – nur diejenigen, die keinen Zugang mehr zu Banken haben, lassen sich auf eine Plattformlösung ein. Dies soll eine wichtige Rolle beim Aus des Fintechs Fintura vor wenigen Monaten gewesen sein. Die Plattform, die ein ähnliches Geschäftsmodell wie Fincompare verfolgte, fand nicht genügend Investoren für eine Anschlussfinanzierung.
Fincompare will unabhängig bleiben
Fincompare-Chef Stephan Heller, ein Seriengründer, der vor seinem Wechsel ins Gründerlager früher unter anderem für Groupon und Roland Berger arbeitete, betont, dass sein Unternehmen trotz des Einstiegs der ING „in jedem Fall unabhängig“ bleiben werde. Der 32-Jährige hat eine klare Vorstellung, wie sich Fincompare weiterentwickeln soll: „Unsere strategische Vision ist es, Fincompare zur digitalen Hausbank kleiner und mittlerer Unternehmen in Deutschland zu machen.“
Langfristig sagt Heller eine Dreiteilung des KMU-Finanzierungsmarktes voraus. „Alles bis 150.000 bis 250.000 Euro wird automatisiert werden, alles zwischen 250.000 und 3 Millionen wird halbautomatisiert sein. Nur was darüber liegt, bleibt tendenziell ‚Old Business’“, sagte der Gründer gegenüber „Finanz-Szene“. Heller will mit Fincompare langfristig das erste und zweite Segment dominieren.
Neben der ING sind bei Fincompare auch bekannte Namen aus der Finanzbranche engagiert. Zu den Partnern und frühen Investoren von Fincompare gehören unter anderem die Gründer von 360T (Carlo Kölzer) und Kreditech (Alex Graubner-Müller) sowie der Deutschlandchef der Citibank, Stefan Wintels.
Info
Keine Bank kann es sich leisten, sich den Fintechs zu verschließen. Deshalb prüfen fast alle Geldhäuser Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Die FINANCE-Themenseite Fintech-Strategien zeigt, wie die Deutsche Bank, Commerzbank, DZ Bank und Co. mit den Start-ups umgehen.