Im laufenden Jahr dürfte die seit 2010 andauernde Phase rückläufiger Insolvenzzahlen enden, erstmals seit langem werden wohl wieder mehr Unternehmen in die Zahlungsunfähigkeit rutschen. Im Zentrum der Trendwende: Deutschlands Schlüsselindustrie, die Automobilbranche. Dies sind die zwei wichtigsten Ergebnisse des 14. Restrukturierungsbarometers, das FINANCE in Zusammenarbeit mit dem Beratungshaus Struktur Management Partner (SMP) im April dieses Jahres durchgeführt hat.
Den Antworten der insgesamt 104 Restrukturierungsexperten zufolge erwarten 68 Prozent von ihnen eine Zunahme der Insolvenzen im Jahr 2019. Knapp drei Viertel (72 Prozent) beurteilen vor allem die Unternehmen aus der Automobilindustrie als kritisch.
Mehr neue Krisenfälle kommen aufs Tablett
Was das allgemeine Restrukturierungsumfeld angeht, bestätigt die Frühjahrsumfrage 2019 die seit einigen Quartalen diagnostizierte Marktlage: Im Work-out-Bereich gibt es wieder mehr zu tun. Demnach haben 52 Prozent der befragten Restrukturierungsexperten angegeben, im vergangenen Halbjahr mehr neue Krisenfälle zur Bearbeitung auf den Tisch bekommen zu haben. Im Herbst 2018 waren es lediglich 30 Prozent.
Parallel dazu ging der Anteil derjenigen, die sinkende Zahlen gemeldet haben, auf 12 Prozent zurück (Herbst 2018: 20 Prozent). Beide Werte markieren die jeweiligen Höchst- bzw. Tiefststände seit dem Beginn dieser Erhebung im Herbst 2012.
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70 Prozent erwarten steigende Zahlen
Zugleich bestätigt sich der im Herbst 2017 eingeleitete Trendwechsel bei den Erwartungen neuer Restrukturierungsfälle. Inzwischen gehen 70 Prozent der befragten Banker von zunehmenden oder deutlich zunehmenden Zahlen aus (Herbst 2018: 42 Prozent). Nur noch 2 Prozent gehen von abnehmenden oder deutlich abnehmenden Restrukturierungsfällen aus. „Die auffallend pessimistische Einschätzung der Restrukturierungsexperten spiegelt die Erwartung eines deutlichen Konjunkturrückgangs wider“, sagt Georgiy Michailov von Struktur Management Partner.
„Die Einschätzung der Restrukturierungsexperten spiegelt die Erwartung eines deutlichen Konjunkturrückgangs wider.“
Was die Erfolgsaussichten von Restrukturierungsfällen angeht, zeigt sich, dass immer weniger in den Markt zurückgegeben werden. Im Vergleich zur vorangegangenen Befragung ging das Lager derjenigen, die mehr Engagements aus der „Intensivstation“ in den Marktbereich entlassen haben, auf 18 Prozent zurück (Herbst 2018: 33 Prozent). Das ist der niedrigste Stand seit dem Beginn der Erhebungen. Auch das Lager derjenigen, die einen Anstieg der Insolvenzzahlen bei den von ihnen betreuten Krisenfällen gemeldet haben, ist um 10 Prozentpunkte auf 17 Prozent gestiegen.
Digitalisierung bleibt wichtigste Herausforderung
Bei der Frage, welche exogenen Faktoren die Restrukturierungsexperten als am problematischsten für die von ihnen betreuten Unternehmen einschätzen, rangiert an erster Stelle die Digitalisierung. Für 73 Prozent der Befragten ist dieses Thema wichtig oder sehr wichtig. Die Gefahren für den globalen Handel durch protektionistische Tendenzen ist ebenfalls groß (64 Prozent). Im Vergleich zur vorangegangenen Befragung sind die Sorgen darüber aber insgesamt nur geringfügig angestiegen und von der Intensität her eher zurückgegangen, denn nur noch für 11 Prozent war dieser Punkt „sehr wichtig“ (Herbst 2017: 27 Prozent).
Auf Platz drei wurde die Wachstumsschwäche in der Eurozone genannt. Für 50 Prozent der Befragten stellt dies eine wichtige oder sehr wichtige Gefahr für die von ihnen betreuten Unternehmen dar. Angesichts der insgesamt negativen Konjunkturerwartungen passt dieser Befund ins Bild.