Mehr als zwei Jahre lang hat der Kapitalmarkt voller Erwartung auf einen vehementen Wachstumsschritt des Halbleiterproduzenten Infineon hingefiebert, jetzt hat die Infineon-Führung um CEO Reinhard Ploss und CFO Dominik Asam geliefert: Infineon lanciert ein 3 Milliarden US-Dollar schweres öffentliches Übernahmeangebot für den US-Chiphersteller Rectifier. Abzüglich der Nettokasse des Unternehmens und umgerechnet in Euro entspricht das einem M&A-Deal mit einem Volumen von 2,25 Milliarden Euro.
Es scheinen gleich drei Punkte gewesen zu sein, die den Deal Asam und Ploss strategisch so verlockend erschienen: Der damit verbundene Ausbau der Infineon-Präsenz in Asien und Nordamerika, die Stärkung des Geschäfts mit Energiesystemen (was die Abhängigkeit von Kunden aus der Automotive-Industrie reduziert), und last but not least eine interessante Technologie, die Rectifier zu einem besonderen Target macht: Die Amerikaner fertigen Halbleiter auf der Basis von Galliumnitrid, was als effizient, energiesparend und Zukunftstechnologie gilt.
Rectifier-Integration wird kein Selbstläufer
Genau das lässt auch erwarten, dass Rectifier in nicht allzu ferner Zukunft in der Lage sein dürfte, die ehrgeizige Margenvorgabe von 15 Prozent Ebit, die Asam Infineon auferlegt hat, zu erreichen. Hinzu kommt, dass auch die bestehenden, modernsten Fertigungslinien mit den Rectifier-Produkten besser ausgelastet werden könnten, was auch dort die Margen verbessern dürfte.
Allerdings kommt Rectifier gerade aus einer tiefgreifenden Restrukturierung und ist erst vor kurzem in die Gewinnzone zurückgekehrt. Die Richtung scheint zu stimmen. Aber um den hohen Kaufpreis von 2,25 Milliarden Euro zu rechtfertigen, muss Asam die neue Tochter jetzt zügig zu deutlich höheren Gewinnen führen, als das aktuell der Fall ist. Im gerade abgeschlossenen Geschäftsjahr verdiente Rectifier bei einem Umsatz von 1,1 Milliarden Dollar unterm Strich nur 58,7 Millionen Dollar. Asam sollte diesen Wert jetzt mindestens vervierfachen, damit die Mathematik hinter dem Deal auch aufgeht.
Infineon-CFO Dominik Asam musste die Kasse einsetzen
Mit Blick auf die aktuellen Geschäftszahlen – nach einem starken Quartal hat Infineon erst unlängst die Prognosen für das laufende Geschäftsjahr erhöht – könnte man meinen, Infineon habe aus einer Position der Stärke heraus gehandelt. Dies stimmt nur zum Teil, denn die Investoren hatten zuletzt den Druck auf CFO Asam und CEO Ploss erhöht, ihnen Ideen zu präsentieren, was das Management mit der mit 2,1 Milliarden Euro netto prall gefüllten Konzernkasse anzufangen gedenkt.
Diese Frage ist jetzt beantwortet. Als umsichtiger Finanzchef hat Asam dafür vorgesorgt, dass die finanziellen Risiken überschaubar bleiben: Er nutzt das günstige Zinsumfeld, um 1,5 Milliarden Euro der Kaufsumme über einen Kredit zu bezahlen, der Rest kommt aus der Kasse, die damit auch nach dem Closing noch gut genug gefüllt bleibt, um für die harten Zyklen im Chipsektor gerüstet zu sein.
Netto wird Infineon sogar cash-positiv bleiben, wenn auch nur noch hauchdünn. Weitere größere Akquisitionen sind damit vorerst nicht mehr drin. Asam muss jetzt erst einmal Rectifier richtig integrieren und auf Kurs bringen. Daran wird er in den nächsten beiden Jahren gemessen werden.
Info
Für ausgezeichnete Leistungen, besonderen Spürsinn oder mutige Entscheidungen kürt FINANCE regelmäßig den CFO des Monats. Der FINANCE CFO des Jahres wird davon unabhängig am Galaabend der 10. Structured FINANCE am 12. November in Karlsruhe gekürt.
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