Sechzig ist definitiv kein Alter, erst recht nicht für einen Macher wie den Siemens-Finanzchef Ralf P. Thomas. Dennoch darf man ihn wohl inzwischen – im besten Sinne des Wortes – als Veteranen der CFO-Gemeinde bezeichnen. Rund 20 Jahre ist es her, seit der erfahrene Top-Manager seinen ersten CFO-Posten angetreten hat – in der Röntgensparte von Siemens. Jenem Industriekonzern, dem Thomas seit dem Eintritt 1995 seine gesamte Karriere gewidmet hat und dies auch weiterhin tut.
Und während der Großkonzern im Rahmen seiner Neuausrichtung seit Jahren im Wandel ist, herrscht dank Thomas im Finanzressort eine geradezu beruhigende Kontinuität. So ist es ihm seit der Übernahme als Konzernfinanzchef im September 2013 gelungen, den Unternehmenswert der Siemens AG laufend zu steigern. Von seinem Arbeitgeber wurde Thomas dafür jetzt mit einer vorzeitigen Verlängerung seines Vertrags um weitere fünf Jahre bis 2026 belohnt, von uns gibt es dafür den Titel CFO des Monats obendrauf.
Konzernumbau ist für Siemens eine Herausforderung
Für Ralf Thomas ist es bereits das zweite Mal, dass der Aufsichtsrat seinen Vertrag vorzeitig verlängert. Schon beim ersten Mal 2017 hatte der damalige Siemens-Chef Joe Kaeser seinen CFO überschwänglich gelobt: „Ralf ist die Integrität und Zuverlässigkeit selbst und damit eine stabilisierende und ordnende Größe im Managementteam.“ Und auch jetzt spart Aufsichtsratschef Jim Hagemann Snabe nicht mit lobenden Worten: „Ralf Thomas verfügt über eine herausragende Erfolgsbilanz und war maßgeblich an der Umsetzung der Strategie zur Schaffung eines fokussierten Technologieunternehmens beteiligt.“
Abzuwarten bleibt derweil, wie Siemens und sein neuer CEO Roland Busch den geplanten Wandel zum Digitalkonzern verbunden mit einer Software-as-a-Service-Strategie bewältigen. Keine leichte Herausforderung, wie der Finanzchef kürzlich in einem Gespräch mit dem „Handelsblatt“ selbst zugab. „Am Ende entscheidet die Akzeptanz der Kunden, das Modell auch zu nutzen“, sagte er.
Andere Industriekonglomerate wie GE oder Alstom sind während ihres Umbaus schwer ins Straucheln geraten, Siemens nicht so. Und Thomas ist zuversichtlich, dass auch die nun folgenden Etappen des Konzernumbaus von den Kunden und vom Kapitalmarkt gut angenommen werden.
Siemens-Aufsichtsrat setzt mit CFO Thomas auf Kontinuität
Die gleiche Sicherheit hat der Aufsichtsrat von Siemens offenbar auch in Bezug auf seinen CFO, denn Thomas‘ Vertragsverlängerung ist aus einem ganz bestimmten Punkt bemerkenswert: Für ihn ignoriert das Gremium die hausintern als „Soll-Regelung“ auf 63-Jahre festgelegte Altersgrenze für Vorstandsmitglieder. 2026, wenn Thomas‘ Vertrag endet, wäre er schon 65.
Die Vertragsverlängerung für Ralf Thomas dürfte auch dem Wunsch nach Kontinuität geschuldet sein. Nach dem Abschied seines langjährigen Chefs und Wegbegleiters Joe Kaeser im vergangenen Jahr ist Thomas die erfahrene Konstante im Vorstand von Siemens. Er verbinde eine ruhige Hand und viel Erfahrung mit einer klaren Vision für die kommenden Jahre, betont Siemens-Chef Roland Busch.
Thomas orchestrierte Abspaltung von Siemens Energy
Die Verlängerung mit dem Finanzchef dürfte dem Konzern vorerst die nötige Ruhe verschaffen, um den Umbau weiter voranzutreiben. Die Suche nach einem neuem CFO wird bis auf weiteres kein Thema sein.
Dass Thomas für alle erkennbaren weiteren Schritte gerüstet ist, zeigt ein Blick in seine Vita: Zuletzt hatte der Finanzchef, die Varian-Übernahme durch Siemens Healthineers unterstützt, indem er der Medizintechniktochter für den größten M&A-Deal der Unternehmensgeschichte eine Brückenfinanzierung über 15,2 Milliarden Euro gewährte.
In seiner Zeit als Konzern-CFO seit September 2013 organisierte Thomas zudem unter anderem den Kauf von Dresser Rand für 5,8 Milliarden Dollar und den Verkauf der Beteiligung Bosch Siemens Hausgeräte an Bosch für 3 Milliarden Euro plus Vorab-Dividende von 250 Millionen Euro im Jahr 2014. Außerdem brachte er die Abspaltung von Siemens Energy sowie den Verkauf der Antriebssparte Siemens Flender auf den Weg, die der Konzern ursprünglich hatte an die Börse bringen wollen.
thomas.holzamer[at]finance-magazin.de
Thomas Holzamer ist Redakteur bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Banken-Sektor, speziell das Firmenkundengeschäft. Er hat Politikwissenschaften an der Technischen Universität Darmstadt studiert. Vor FINANCE arbeitete Thomas Holzamer mehr als 12 Jahre in den Redaktionen der Mediengruppe Offenbach-Post, zunächst als verantwortlicher Redakteur für Sonderpublikationen, später im Lokalen.