Mindestens eine Auslandsstation ist auf dem Weg zum Konzern-CFO üblich – ein Posten im Ausland gilt als Karriereturbo, hat aber auch Tücken. So sollten Konzerne sich bereits früh überlegen, welche angemessene Position sie ihren Expats nach einigen Jahren als Finanzchef bei einer Tochter im Ausland anbieten können. In loser Reihenfolge begleitet FINANCE CFOs auf ihrem Karriereweg und zeigt, wie sie sich im Ausland behaupten, welchen Herausforderungen sie begegnen und wie ihre Rückkehr verläuft.
Hella setzt auf Mexiko
Eine von diesen jungen Führungskräften ist Svenja Laurie. Sie ist 2018 nicht nur zu dem Lippstädter Automobilzulieferer Hella gewechselt, sondern für ihren neuen Posten auch direkt nach Mexiko City umgezogen. Dort übernahm sie die Finanzen der Hella-Tochter Automotive Mexiko – das mittelamerikanische Land zählt für den Konzern zu den wachstumsstärksten Standorten. Schon vorher war sie für den Windkraftanlagenbauer Nordex als Finanzchefin an ausländischen Standorten, wie Chicago, Chile und Uruguay tätig. An die Stelle bei Hella kam sie über ihren alten Chef bei Nordex, dem jetzigen Hella-CFO Bernard Schäferbarthold.
In Mexiko City angekommen, erwartete die gebürtige Hagenerin und ihre Familie eine ziemliche Umstellung beim Thema Sicherheit. Zwei Jahre später hat sie sich daran aber längst gewöhnt und sieht das Thema nicht mehr so kritisch, berichtet sie im Gespräch mit FINANCE – und zeigt sich dabei recht abgeklärt: „Bisher hat man mir nur Teile von meinem Auto entwendet. Das ist aber nicht ganz so schlimm, weil das in Mexiko schon beim Kauf oder Leasing eines Autos standardmäßig in der Versicherung geregelt ist.“ Auch neu war für die CFO die Arbeitseinstellung der Mexikaner – nicht alle Mitarbeiter erledigten aufgegebene Aufgaben auf Anhieb. Wie genau sie damit umging, erzählte sie uns schon in der FINANCE-Ausgabe Juli/August 2019.
Hella zieht von Mexiko City nach Guadalajara
Die großen Herausforderungen waren und sind andere. Gerade erst richtig eingewöhnt, muss Laurie jetzt den Umzug der Mexiko-Zentrale des MDax-Unternehmens von Mexiko City nach Guadalajara bewältigen. Die beiden Standorte trennen rund 500 Kilometer.
Grund für den Umzug: In Guadalajara betreibt Hella bereits drei Fabriken. Das entspricht etwa einem Drittel der gesamten Hella-Produktion in Mexiko. Darüber hinaus hat der Automobilzulieferer dort zwei Entwicklungszentren für Lichttechnik und Elektronik angesiedelt. Da sich die Stadt mehr und mehr zum Technologienzentrum des Landes entwickelt, ist Guadalajara für Hella der ideale Standort für die Zukunft: „Guadalajara gilt als das Silicon Valley von Mexiko. Für uns ist jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, um uns dort strategisch neu aufzustellen.“ Hella ist nicht der erste deutsche Großkonzern, der diesen Weg geht – auch der Wettbewerber Conti sitzt dort.
Ein weiterer Pluspunkt für Guadalajara sind die geringeren Standortkosten, während Svenja Laurie bei den Personalkosten keine Entlastung erwartet: „Man findet nicht unbedingt günstigere Arbeitskräfte in Guadalajara, aber das Qualifikationsniveau verfügbarer Mitarbeiter ist dort vielfach besser als in anderen Regionen.“
Ein Umzug mit Risiken
Das größte Problem beim Umzug ist, dadurch das Alltagsgeschäft nicht aus dem Tritt geraten zu lassen. „Natürlich wollen nicht alle der 120 Mitarbeiter aus Mexiko City wegziehen. Ich schätze, dass 20 Prozent der Mitarbeiter mitkommen. 30 Prozent wäre schon toll“, hofft die Finanzchefin. Mit Argumenten wirbt sie dafür, dass ihr möglichst viele Mitarbeiter folgen. In Guadalajara ist die Umweltverschmutzung niedriger als in Mexiko City, es ist sicherer und ruhiger – und günstiger: Mitarbeiter, die sich in Mexiko City eine kleine Wohnung leisten können, erhalten dafür in Guadalajara schon ein kleines Haus. Insgesamt erwartet sie daher für alle Mitarbeiter, die mit nach Guadalajara kommen, eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität.
Dass trotzdem eine Menge eingearbeitetes Personal nicht mitziehen wird, trifft sie besonders. Schließlich beschäftigt Laurie den Großteil der Mitarbeiter in Mexiko City. Viele dieser Bereiche, wie Debitorenbuchhaltung oder Kreditorenbuchhaltung, wurden erst im Dezember fertig aufgestellt und eingearbeitet: „Das sind alles wichtige Abteilungen, die im Tagesgeschäft gebraucht werden. Da darf es zu keinem Bruch kommen.“
Bis Ende Juli sollen alle Mitarbeiter, die mitkommen wollen, in Guadalajara einsatzbereit sein. Den Personalengpass während des Umzugs muss Svenja Laurie währenddessen schon mit neuen Arbeitskräften aus Guadalajara ausgleichen. „Wir müssen aufpassen, dass wir gleichzeitig nicht zu viele neue Mitarbeiter parallel einstellen und einarbeiten müssen. Das ist schon ein kleiner Drahtseilakt.“
„Wir müssen aufpassen, dass wir gleichzeitig nicht zu viele neue Mitarbeiter parallel einstellen und einarbeiten müssen.“
Svenja Lauries Expatstation geht noch drei Jahre
Wichtig in dieser Phase ist, dass Svenja Laurie inzwischen auch ein Vertrauensverhältnis zur Hella-Führung am Stammsitz aufbauen konnte. Dazu war sie vergangenes Jahr oft in Deutschland. „Man sollte den persönlichen Kontakt nicht unterschätzen. Sich kennenlernen hilft zu verstehen, mit was für Persönlichkeiten man zusammenarbeitet.“ 2019 war sie ungefähr sechsmal in Lippstadt. Für andere lokale CFOs, die nicht im Ausland ganz neu ins Unternehmen kommen, würden nach Lauries Einschätzung zwei Besuche pro Jahr jedoch reichen.
Und das Netzwerken bleibt wichtig für die Finanzmanagerin. Gerade versucht sie, sich mit Hilfe von Freuden ein Netzwerk in Guadalajara aufzubauen. „Ich musste in Mexiko bei null anfangen. Jetzt kenne ich aber schon ein paar Leute, über die ich in Guadalajara hoffentlich schnell Fuß fassen kann“, freut sich Laurie.
Dort wird sie Stand jetzt noch bis 2023 arbeiten, dann ist ihre Rückkehr nach Deutschland geplant. Wie sie die genau gestaltet, will sich Hellas Mexiko-Finanzchefin ungefähr eineinhalb Jahre vorher genau überlegen. Damit ist klar: 2021 wartet schon die nächste große Aufgabe auf sie.
Sarah Backhaus ist Redakteurin bei FINANCE und DerTreasurer. Sie hat Journalismus an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln studiert. Sarah Backhaus arbeitete während ihres Studiums unter anderem für Onlinemagazine von Gruner + Jahr und schrieb als freie Journalisten für die Handelszeitung, faz.net und Impulse.