Das Management und der Aufsichtsrat des Stahlkonzerns Thyssenkrupp werben für die neuen Pläne für Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS). Am heutigen Freitag sollen die Aktionärinnen und Aktionäre auf einer außerordentlichen Hauptversammlung darüber abstimmen, ob die Marine-Tochter verselbstständigt werden soll. Das geht aus der Rede des Vorstandsvorsitzenden Miguel López hervor.
Konkret sehen die Pläne folgendermaßen aus: TKMS soll künftig von einer neuen Holding-Gesellschaft gehalten werden. Der Mutterkonzern soll weiterhin 51 Prozent behalten, während die verbleibenden 49 Prozent der Aktien an die Thyssenkrupp-Aktionärinnen und -Aktionäre übertragen werden sollen. Anschließend soll der Gang an die Börse erfolgen. Dies soll noch in diesem Jahr geschehen.
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Update: Am Freitagnachmittag steht die Entscheidung der Aktionärinnen und Aktionäre: In einer virtuellen Hauptversammlung stimmten sie für die Verselbstständigung von TKMS. Doch trotz der Zustimmung gab es an der Ausgestaltung des Konzepts Kritik. Etwa von Hendrik Schmidt, Vertreter der Fondsgesellschaft DWS. Er lobte zwar den Schritt im Grundsatz, zweifelt aber an dem gewählten Verselbständigungskonstrukt, in dem Thyssenkrupp die Mehrheit an dem neuen Unternehmen behält: „TKMS soll in See stechen – eigenständig, börsennotiert, mit klarem Kurs. Doch die derzeitige Governance-Struktur wirkt, als sei das Schiff zwar vom Dock gelöst, aber noch mit dicken Trossen an die Konzernpier vertäut“, zitiert ihn die FAZ Thyssenkrupp bleibe „als Schattenkapitän auf der Brücke“.
Auch Florian Honselmann, Sprecher der Schutzgemeinschaft für Kapitalanleger, fand Kritik an der Verselbstständigung und verweigerte der Abspaltung von TKMS die Zustimmung. „Die gewählte Rechtsform einer Kommanditgesellschaft auf Aktien für die neue TKMS sei eine „maximal aktionärsunfreundliche Struktur“, führte er an. Das defizitäre Kerngeschäft bleibe trotz Ausgründung bestehen.
Auf der Hauptversammlung wurde zudem bekannt, dass sich Thyssenkrupp und der Bund auf wesentliche Eckpunkte einer so genannten Sicherheitsvereinbarung geeinigt haben. Darin soll etwa stehen, dass der Bund künftig zustimmen muss, wenn Thyssenkrupp eine Beteiligung von 25 Prozent oder mehr an den sicherheitsrelevanten Rüstungsgeschäften verkauft. Schon ab einer Verkaufsabsicht von 5 Prozent solle der Bund ein Vorkaufsrecht bekommen. Unternehmen und Regierung haben sich zudem auf Standortgarantien für TKMS geeinigt, wobei wesentliche Forschungs-, Entwicklungs- und Fertigungskapazitäten von TKMS hierzulande erhalten bleiben sollen. Zudem sei der Sitz der neuen Gesellschaft für mindestens zehn Jahre in Deutschland gesichert.
TKMS bleibt offen für neue Partnerschaften
„TKMS bekommt direkten Zugang zum Kapitalmarkt und kann Investitionen in neue Technologien und Märkte aus eigener Kraft vorantreiben“ begründet Konzernchef Miguel López die Strategie in der vorab veröffentlichten Rede. Die größere unternehmerische Freiheit soll dem Marineschiffbauer bessere Wachstumschancen eröffnen.
Außerdem hält sich Thyssenkrupp mit dem geplanten Spin-off die Option für den Verkauf weiterer Anteile offen. „Die gewählte Struktur kann langfristig nicht nur neue strategische Partnerschaften ermöglichen, sondern eröffnet auch den Handlungsrahmen für eine aktive Rolle von TKMS bei der erwarteten Konsolidierung der europäischen Verteidigungsindustrie“, heißt es in der Rede. Deshalb „sind und bleiben wir auch künftig offen für Gespräche“, so Thyssenkrupp-Chef López.
Gescheiterter Carlyle-Deal als Wendepunkt für TKMS
Die Marinesparte steht bereits seit langer Zeit auf der Trennungsliste des Stahlkonzerns. Mehrere Anläufe, TKMS auf eigene Beine zu stellen, scheiterten in der Vergangenheit. Erst im Oktober hatte der US-Investor Carlyle sein Interesse an einer Übernahme zurückgezogen. Als Grund wurde in Finanzkreisen der Widerstand aus den Reihen der Bundesregierung gemunkelt. Beide Beteiligten äußerten sich damals nicht zu der Entscheidung.
Infolgedessen prüfte Thyssenkrupp eigenen Angaben zufolge drei Wege: einen Börsengang, die Beteiligung des Bundes sowie industrielle Partnerschaften. Die Entscheidung für einen der drei Wege könnte mit der heutigen Abstimmung der Aktionäre auf die erste Option fallen.
Startschuss für Thyssenkrupp-Konzernzerschlagung
Die geplante TKMS-Abspaltung ist mehr als nur die Verselbstständigung einer Tochter – sie markiert einen weiteren Schritt zur kompletten Neuordnung des Traditionskonzerns. Erst Ende Mai hatte der kriselnde Industriekonzern wieder einmal seine Zerschlagung bekanntgegeben. Das Management um den Vorstandsvorsitzenden Miguel López will dem Aufsichtsrat noch in diesem Geschäftsjahr, das am 30. September endet, ein entsprechendes Konzept vorstellen.
Konkret sollen schrittweise alle Geschäftsbereiche des Konzerns verselbstständigt und für die Beteiligung Dritter geöffnet werden, teilte das Unternehmen mit. Die Transformation von Thyssenkrupp von einem traditionellen integrierten Industriekonzern zu einem Portfolio eigenständiger Unternehmen wäre ein historischer Schritt – und der Spin-off inklusive Börsengang der Marinesparte ein Lackmustest für den seit gut zwei Jahren amtierenden CEO López.
TKMS-Geschäft trotzt Konzernkrise
Der in Kiel ansässige U-Boot- und Fregattenbauer beschäftigt rund 8.200 Mitarbeiter und hat sich seit 2017 durch strategische Zukäufe neu aufgestellt. Die Übernahme von Atlas Elektronik ermöglichte komplexe Marinelösungen aus einer Hand. Die Integration der Wismarer Werft 2022 erweiterte die Produktionskapazitäten.
Die Zahlen sprechen für das Geschäftsmodell: Der Auftragsbestand sei seit vergangenem September um mehr als 50 Prozent auf über 18 Milliarden Euro gestiegen, so der Konzernchef. López hebt das „robuste, cash-generierende Geschäftsmodell“ hervor, das über Jahre verlässliche Zahlungsströme generiere. Gleichzeitig investiere TKMS in Zukunftstechnologien wie ferngesteuerte Systeme, künstliche Intelligenz und digitale Plattformen. Ende Juni hat TKMS außerdem einen Großauftrag des Bundes von mehr als 800 Millionen Euro erhalten.
Im ersten Halbjahr 2024/2025 erzielte TKMS einen Umsatz von gut 1,1 Milliarden Euro und einen bereinigten Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) in Höhe von 62 Millionen Euro. Das entspricht im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einem Wachstum von 14 Prozent beim Umsatz und stolzen 47 Prozent beim Ebit. Einzig an der Ebit-Marge muss TKMS noch arbeiten: Sie lag nach dem ersten Halbjahr mit 5,6 Prozent zwar über dem Vorjahreswert von 4,4 Prozent, ist aber ausbaufähig.
Esra Laubach ist Redakteurin bei FINANCE und widmet sich schwerpunktmäßig den Themen Transformation, Restrukturierung und Recht. Sie ist Sprach- und Kommunikationswissenschaftlerin. Vor FINANCE war sie rund fünf Jahre als Legal-Journalistin für den Juve Verlag in Köln tätig, wo sie auch ihr journalistisches Volontariat absolvierte. Esra Laubach arbeitete während ihres Studiums multimedial u.a. für das ARD-Morgenmagazin, mehrere Zeitungen und moderierte beim Hochschulradio Kölncampus.
