Herr Krämer, eine Frage zum Aufwärmen: Wie sind Sie ins Corporate M&A gekommen?
Bereits während meines BWL-Studiums in Jena war das Thema „Strategie und M&A“ Teil meines Studienschwerpunkts. So habe ich direkt nach dem Studium angefangen, im Venture-Capital-Bereich zu arbeiten. Nach ein paar spannenden Jahren in der Frühphasenfinanzierung hat es mich dann auf die Corporate-Seite gezogen. Im Jahr 2009 habe ich die Möglichkeit wahrgenommen, in die M&A-Abteilung des Bahntechnikers Vossloh zu wechseln.
Seitdem hat Vossloh eine ganze Reihe von M&A-Deals getätigt. Alleine im vergangenen Jahr waren es eine Übernahme und zwei Veräußerungen – mit darunter der Verkauf ihres Lokomotivengeschäfts an Chinesen. Was haben Sie aus dieser Transaktion gelernt?
Dieser Deal war sicherlich der herausforderndste meiner bisherigen Karriere. Er hat mir gezeigt, dass man jede Transaktion mit viel Feingefühl angehen sollte und dass man stets Sensibilität für den Verhandlungspartner mitbringen muss. Ebenfalls nicht zu vernachlässigen: M&A-Chefs sollten trotz enger Zeitpläne geduldig sein, auch wenn sich der Verkaufsprozess in die Länge zieht.
Das ist aber nicht die einzige Lektion, die Sie in ihrer M&A-Karriere mitgenommen haben, oder?
Ich finde, die Synergieplanung ist bei einem M&A-Deal essentiell, denn sie gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen im M&A-Prozess: Wie und in welcher Höhe kann durch die Transaktion ein Mehrwert generiert werden, der über den isolierten Wert des Assets hinaus geht? Die Antworten darauf werden dann anhand belastbarer Zahlen gegeben. Diese rechtfertigen dann einen M&A-Deal – oder auch nicht.
So plant Dirk Krämer Synergien
Wie sollte ich die Synergieplanung angehen, damit sie mir alle wichtigen Antworten liefert?
Hier halte ich zwei Aspekte für wichtig: Man sollte möglichst früh mit der Planung beginnen und das operative Personal mit in den Prozess einbeziehen. Früh heißt: Bereits während der Vorbereitung eines ersten unverbindlichen Angebots sollte die Synergieplanung beginnen. Diese sollte die M&A-Abteilung zudem niemals alleine machen, denn nur die Fachkräfte aus den jeweiligen Geschäftseinheiten und Fachabteilungen können realistisch abschätzen, welche Synergien wann und in welcher Höhe wirklich eintreten.
Und wie sieht ein konkreter Planungsprozess bei Ihnen aus?
Für jedes M&A-Projekt haben wir einen inhaltlichen Verantwortlichen, und je nach Komplexität der Transaktion arbeiten bis zu sechs Mitarbeiter an der Synergieplanung. Dieses Team trifft sich dann in mehrstündigen Workshops und erarbeitet die Synergien, die es erwartet. Das geschieht wie gesagt in enger Zusammenarbeit und Absprache mit unseren operativen Einheiten, die uns dazu beraten, welche Synergien wir wie zu bewerten haben.
Welche Punkte besprechen Sie im Team?
Neben den möglichen Kosteneinsparungen und Wachstumspotentialen bei Umsatz und Gewinn reden wir beispielsweise auch darüber, welche Kosten mit dem Heben der Synergien verbunden sind und wo Dissynergien entstehen – also wo eine Transaktion Nachteile hervor ruft. Diese können zum Beispiel eintreten, wenn das Target im Wettbewerb zu bestehenden Kunden oder Lieferanten steht und diese dann wegfallen.
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Stellt sich an diesem Punkt manchmal heraus, dass eine Übernahme doch nicht sinnvoll ist?
Das kann schon passieren, ist aber auch in Ordnung. Lieber treffe ich mich einmal zu oft mit meinem Team und beschließe, dass die Transaktion nicht die erhofften Synergien bringt, als dass ich im Nachhinein feststellen muss, dass die Synergien ausbleiben. Dann habe ich im schlimmsten Fall noch mehr Zeit und Ressourcen verschwendet oder einen viel zu hohen Kaufpreis bezahlt.
Synergieplanung: Target-KPIs müssen sitzen
Wie kann ich vermeiden, dass die Synergien, die ich errechnet habe, ausbleiben?
Man sollte jede Kennzahl seines Targets und seinen Businessplan jederzeit „challengen“. Nur so erzielt man die besten – aber auch realistische – Ergebnisse. Synergien lassen sich niemals mühelos heben, und sie sind so gut wie immer mit Kosten verbunden. Daher muss man konsequent daran arbeiten, dass die Synergien tatsächlich eintreten.
Was heißt das konkret?
Die Synergieplanung ist nicht nur dafür da, einen bestimmten Kaufpreis zu rechtfertigen. Auch im Rahmen der Post-Merger-Integration und in der Phase danach ist entscheidend, dass die Verantwortlichen regelmäßig überwachen, ob die Synergieeffekte auch konsequent gehoben werden. Insgesamt sollte man die Entwicklung des Targets im eigenen Unternehmen je nach Komplexität des Deals bis zu drei Jahre lang im Blick behalten. Denn so lange kann es schon einmal dauern, bis die Synergien zum Vorschein kommen.
Haben Sie noch einen Tipp für Ihre M&A-Kollegen, die sich beim Planen von Synergien noch schwertun?
Wichtig ist, dass man eine strukturierte Planung der Synergien vornimmt. Allerdings erfolgt auch diese Planung unter Unsicherheit, sodass sich Abweichungen ergeben können und werden. Und: Lernen Sie aus Ihren Fehlern! Haben Sie vergessen, Kosten einzuberechnen, oder waren Ihre Erwartungen zu hoch gesteckt? Dann bedenken Sie diese Punkte bei Ihren künftigen Transaktionen! Denn letztendlich wird man Sie und Ihr Team dafür verantwortlich machen, wenn Sie bei einer Übernahme für einen hohen Kaufpreis argumentiert haben, die erhofften Synergien aber ausbleiben.
„Lernen Sie aus Ihren Fehlern! Denn Sie und Ihr Team sind dafür verantwortlich, wenn Sie für einen hohen Kaufpreis argumentiert haben, die erhofften Synergien aber ausbleiben.“
Info
Der Bahntechniker Vossloh erwirtschaftete im Jahr 2019 einen Umsatz von 916 Millionen Euro. Der Verlust vor Zinsen und Steuern (Ebit) lag bei 37,6 Millionen Euro. Die Konzernzentrale hat ihren Sitz im nordrhein-westfälischen Werdohl. Insgesamt beschäftigt Vossloh rund 3.700 Mitarbeiter.
Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.