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Dax-Konzerne schweigen sich über IFRS 15 aus

Deutsche Telekom erwartet „wesentliche Auswirkungen“ auf ihre Bilanzkennzahlen durch die Anwendung von IFRS 15. Konkrete Zahlen nannte der Dax-Konzern bisher aber noch nicht.
Deutsche Telekom

Als der Bilanzierungsstandard IFRS 15 vor über zwei Jahren verabschiedet wurde, sind viele Unternehmen Sturm gelaufen. Kein Wunder, denn der Standard regelt die Bilanzierung von Umsätzen neu und greift damit eine der wichtigsten Kennzahlen in Unternehmen an. Besonders betroffen sind Telekom- und Software-Unternehmen, die sogenannte Mehrkomponentenverträge haben, bei denen Umsätze zu verschiedenen Zeitpunkten erfasst werden.

Schon damals war klar, dass die Umstellung seitens IT, Accounting und Controlling sehr aufwendig und komplex sein wird – die Deutsche Telekom schätzte die Umstellungskosten im Interview mit FINANCE damals auf einen zweistelligen Millionenbetrag. Schlussendlich hatten die Unternehmen vom internationalen Standardsetzer IASB dann auch ein Jahr mehr Zeit bekommen, um die Umsetzung zu stemmen.

IFRS 15: Unternehmen müssen über Auswirkungen berichten

Doch jetzt, ein halbes Jahr vor Inkrafttreten des Standards, scheint es, als seien die Unternehmen noch immer nicht bereit. Viele wissen offenbar nach wie vor nicht, wie sich die Neuregelung auf ihre Kennzahlen – allen voran auf den Umsatz – auswirken wird. Das geht aus einer Analyse des Wirtschaftsprüfers BDO hervor, die FINANCE vorliegt.

Dazu hat BDO die Jahresabschlüsse 2016 sowie die Berichte zum 1. Quartal 2017 von 88 Unternehmen aus dem Dax, MDax und TecDax unter die Lupe genommen und daraufhin untersucht, inwieweit die Unternehmen über die Auswirkungen von IFRS 15 berichten. Die Unternehmen sind verpflichtet, im Anhang darzulegen, ob und in welchem Ausmaß sie Änderungen durch neue IFRS-Bilanzierungsstandards erwarten, um so ihre Investoren und Analysten rechtzeitig darüber zu informieren.

Siltronic, Krones und Pfeiffer Vacuum ohne Angaben

Das Ergebnis der BDO-Analyse ist ernüchternd. 10 Prozent der untersuchten Unternehmen haben noch überhaupt keine Angaben zu den Auswirkungen auf Vermögens-, Finanz- und Ertragskennzahlen gemacht beziehungsweise nur in einer abstrakten Form ohne konkrete Bezugnahme auf das eigene Unternehmen. Viele dieser Unternehmen, darunter Siltronic, Krones und Pfeiffer Vacuum , begründeten das damit, dass die Analysephase noch nicht abgeschlossen sei und daher noch keine konkreten Aussagen getroffen werden könnten.

Doch auch die Unternehmen, die bereits etwas zu den Auswirkungen geschrieben haben, halten sich noch sehr bedeckt: Die überwiegende Mehrheit hat über die Auswirkungen in qualitativer Form berichtet, nur zehn der untersuchten Unternehmen haben konkrete quantitative Aussagen gemacht. Davon haben fünf Unternehmen angegeben, dass sie ohnehin keine wesentlichen Auswirkungen erwarten.

BMW: „Eigenkapital wird sich um 650 Millionen Euro mindern“

Zu den wenigen Unternehmen mit quantitativen Angaben gehört BMW. Der Autokonzern erwartet, dass sich das Eigenkapital einmalig um 650 Millionen Euro mindern wird. Auch der Triebwerkshersteller MTU Aero Engines hat Zahlen genannt und rechnet damit, dass die Ebit-Marge um 3 Prozent ansteigen wird. Der MDax-Konzern begründet das damit, dass es durch IFRS 15 zu einer wesentlichen Verminderung der ausgewiesenen Umsätze im Segment ziviles Triebwerksgeschäft kommende werde.

Die Deutsche Telekom hingegen, die zu den am stärksten betroffenen Konzernen in Deutschland zählt, beschränkt sich auf qualitative Aussagen: Demnach habe der Standard „wesentliche Auswirkungen auf die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage“ des Unternehmens, eine „verlässliche Schätzung von quantitativen Effekten ist jedoch frühestens mit Abschluss dieses Projekts voraussichtlich Mitte 2017 möglich“, heißt es im Geschäftsbericht 2016. Immerhin kann die Telekom einige zentrale Auswirkungen schon antizipieren: Unter anderem werde sich durch IFRS 15 die Bilanzsumme erhöhen, und Umsätze würden zum Teil später erfasst.

SAP „kann Auswirkungen noch nicht verlässlich schätzen“

Besonders betroffen ist auch der Softwarekonzern SAP. Die Walldorfer haben in ihrem Geschäftsbericht 2016 sehr ausführlich dargelegt, wie sich die Bilanzierungsmethodik verändern wird, können aber ebenfalls noch keine quantitativen Aussagen liefern. Klar ist zwar, dass es Auswirkungen auf die Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung sowie die Konzernbilanz geben wird, außerdem rechnet SAP mit zusätzlichen quantitativen und qualitativen Anhangangaben.

Aber: „Wir kennen zurzeit weder die quantitativen Auswirkungen von IFRS 15 auf unseren Konzernabschluss 2018, noch können wir diese Auswirkungen verlässlich schätzen.“ Das begründet der Konzern mit diversen Unsicherheiten bezüglich des kommenden Auftragsvolumens oder Änderungen von Geschäftspraktiken. Ähnliches kann man auch bei anderen Unternehmen aus der Dax-Familie lesen.

DPR hat IFRS 15 ganz oben auf der Agenda

Jens Freiberg, Leiter der Accounting Advisory Group von BDO, sieht die zögerliche Kommunikation der Unternehmen kritisch: „Das lässt Rückschlüsse darauf zu, dass man entweder die Information nicht geben möchte oder – weil man noch mitten im Umsetzungsprojekt steckt – sie noch gar nicht hat.“ In jedem Fall mache das bei den Investoren und Analysten keinen guten Eindruck. „Der Geschäftsbericht ist die Visitenkarte des Unternehmens“, sagte Freiberg im Interview mit FINANCE-TV.

Doch nicht nur die Investoren und Analysten warten ungeduldig auf konkrete Aussagen – auch die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) hat das Thema ganz oben auf der Agenda. Wer jetzt noch nicht berichtet, könnte den Eindruck erwecken, nicht rechtzeitig mit der Umstellung fertig zu werden. Für die DPR ist das wie eine Einladung, sich den diesjährigen Geschäftsbericht im nächsten Frühjahr einmal genauer anzusehen.

Gut möglich, dass die „Bilanzpolizei“ dabei nicht nur auf IFRS 15 schaut, warnt Freiberg. Sie könne ihren Fokus auch ausweiten und sich mit anderen Themen in den Bilanzen der Unternehmen beschäftigen. Spätestens zu den Halbjahresberichten sollten  die Konzerne ihre Angaben daher deutlich konkretisieren, rät der BDO-Wirtschaftsprüfer. „Wer dann wieder nichts bringt, zeigt, dass er tatsächlich viel zu spät dran ist.“

julia.schmitt[at]finance-magazin.de

Info

Es herrscht viel Bewegung bei den internationalen Bilanzierungsregeln IFRS. Welche Neuerungen gibt es, welche Unternehmen sind besonders betroffen und wie gehen CFOs die Umstellungen am besten an? Bleiben Sie auf dem Laufenden mit der FINANCE-Themenseite zu IFRS.

Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.