Die neue Leasingbilanzierung hält die Finanzabteilungen auf Trab: Zum 1. Januar 2019 tritt IFRS 16 in Kraft. Für die Unternehmen bedeutet das vor allem, dass sie keine Off-Balance-Bilanzierung mehr machen dürfen: Anstatt im Anhang muss jetzt ein Großteil der Leasingschulden direkt auf die Bilanz. Das erhöht die Finanzverschuldung ordentlich, wie sich beispielsweise bei der der Deutschen Post gezeigt hat, die den Standard bereits vorzeitig umgesetzt hat.
Um den neuen Standard umzusetzen, müssen die Unternehmen alle Leasingverträge im gesamten Konzern prüfen und ihre IT-Systeme anpassen. FINANCE zeigt, welche vier großen Probleme es dabei typischerweise gibt.
1. Der Aufwand wurde völlig unterschätzt
Fast zehn Jahre lang wurde über den neuen Standard diskutiert, im Januar 2016 wurde er schließlich veröffentlicht – die Unternehmen wussten also schon lange, was auf sie zukommen wird. „Trotzdem sind die meisten Anfragen zur Umsetzung des neuen Standards erst im Laufe dieses Jahres bei uns aufgeschlagen“, sagt Stefan Beßling, Managing Partner bei dem Rechtsdienstleister und Softwareentwickler Rethinklegal.
Da wundert es nicht, dass nun Stress und Zeitdruck in den Finanz- und IT-Abteilungen herrschen. „Viele Unternehmen haben den zeitlichen Aufwand und auch die Anzahl der zu prüfenden Leasingverträge völlig unterschätzt.“ Und das seien keineswegs kleine Firmen, betont Beßling – im Gegenteil: Dort seien die relevanten Verträge schnell aufgespürt worden, während das Ganze bei den großen internationalen Konzernen wesentlich schwieriger sei. „Viele hatten gar nicht im Blick, wie viel sie überhaupt geleast haben.“
2. Leasingverträge sind dezentral abgelegt
Für viele Unternehmen wird die Umsetzung vor allem dadurch erschwert, dass die konzernweiten Leasingverträge meist dezentral abgelegt sind. Je nachdem, ob es sich um das Leasen von Immobilien, Fuhrparks, IT-Zubehör oder Maschinen handelt, sind unterschiedliche Abteilungen dafür zuständig. „Hinzu kommt, dass alle Abteilungen ihr eigenes Dokumentenmanagement haben und unterschiedliche Daten aus den Verträgen erfasst haben“, so Beßling. Das sind aber nicht zwangsläufig jene Daten, die für die Bilanzierung nach IFRS 16 notwendig sind.
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Im Idealfall müssten aus allen Leasingverträgen die gleichen Daten in der gleichen Genauigkeit erfasst sein, zum Beispiel zu Kündigungsfristen, Abschreibungsdauer oder Laufzeit. Da dies aber nur selten der Fall ist, müssen Unternehmen diese Daten nun unter Zeitdruck mühevoll zusammensuchen. „Dadurch steigt der interne Abstimmungsaufwand enorm an“, sagt Beßling.
3. Verschiedene Sprachen führen zu Chaos
Es ist ein Fall, wie er immer wieder vorkommt: Ein international tätiges Unternehmen least beispielsweise in China eine Immobilie, der Vertrag wurde vor Jahren vor Ort abgeschlossen und im IT-System der dortigen Niederlassung abgelegt. Dass der Vertrag lediglich auf chinesisch existiert, hat bislang niemanden gestört, immerhin können die Verantwortlichen vor Ort damit umgehen.
Doch für IFRS 16 müssen solche Verträge samt bestimmter Informationen zentral erfasst sein. Und hier fangen die Probleme an. „Gerade wenn die Verträge in fremden Schriftzeichen wie asiatischen oder arabischen abgeschlossen wurden, ist es besonders schwierig, die notwendigen Informationen herauszufiltern, zum Beispiel ‚Was wurde wann und zu welchen Konditionen geleast?‘“, so Beßling. Nicht selten stünden auch noch handschriftliche Notizen auf den Verträgen, die in keinem System erfasst seien. Und: „In Extremfällen ist manchmal nicht einmal erkennbar, dass es sich überhaupt um einen Leasingvertrag handelt.“
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4. Die Arbeit ist nicht nachhaltig
Als Konsequenz durchforsten jetzt zahllose Unternehmen alle Leasingverträge – aber nur im Hinblick auf die benötigten Informationen für IFRS 16. Diese Vorgehensweise hält Stafan Beßling aber nicht für nachhaltig: „Ein Vertrag ist ein lebendes Werk, es gibt immer wieder Veränderungen, zum Beispiel bei den Kündigungsbedingungen oder bei der Laufzeit.“ Sich nur jene Aspekte herauszusuchen, die akut für die Umsetzung für IFRS 16 benötigt werden, sei daher zu kurzfristig gedacht.
Stattdessen sollten Unternehmen die Gelegenheit nutzen und ein zentrales Vertragsmanagement aufsetzen, findet Beßling. „Die Arbeit, sich alle Verträge anzusehen, müssen die Unternehmen sich ja sowieso machen. Wenn sie jetzt noch etwas mehr Zeit investieren, um auch andere Informationen zu extrahieren und ein professionelles Vertragsmanagement aufzusetzen, werden sie langfristig davon profitieren.“ Doch angesichts des Zeitdrucks, unter dem viele Verantwortliche aktuell stehen, erscheint es unwahrscheinlich, dass diese Gelegenheit genutzt wird.
Info
Was sich Neues in der Welt der Rechnungslegung tut, können Sie auf unserer Themenseite zu IFRS nachlesen.
Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.