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Neue Leasingbilanzierung: Diese Konzerne leiden am meisten

Die Deutsche Telekom hat aktuell die höchsten außerbilanziellen Leasingverpflichtungen und wird daher wegen des neuen Leasingstandards IFRS 16 hohe Schulden auf die Bilanz nehmen müssen. Doch auch anderen Unternehmen bereitet der Standard Kopfzerbrechen.
Deutsche Telekom

Die neue Leasingbilanzierung IFRS 16 bereitet den Unternehmen Kopfzerbrechen. Zwar muss der neue Bilanzierungsstand erst ab dem Geschäftsjahr 2019 angewendet worden, doch schon jetzt laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren – kein Wunder, denn die neue Regel zwingt Unternehmen, Schulden in Millionen- und gar Milliardenhöhe auf die Bilanz zu nehmen. Da künftig die Unterscheidung zwischen Finanzierungsleasing und operativem Leasing entfällt, müssen Unternehmen ab 2019 nahezu alle Leasingverbindlichkeiten im Konzernabschluss ausweisen. Dadurch verändern sich unter anderem die Verschuldung, der Verschuldungsgrad, die Bilanzsumme und die Eigenkapitalquote.

Wie stark sich die Finanzkennzahlen in welchen Branchen und Unternehmen voraussichtlich verändern werden, hat jetzt die HSH Nordbank in einer Studie zu IFRS 16 untersucht. Dabei hat die Bank die Konzernjahresabschlüsse aller Dax-, M-Dax-, S-Dax- und Tec-Dax-Unternehmen sowie rund 200 weiterer deutscher Unternehmen unter die Lupe genommen und die Auswirkungen von IFRS 16 auf bonitätsrelevante Kennzahlen berechnet.

Handelsbranche mit rund 24 Milliarden Euro verschuldet

Die Ergebnisse haben es in sich. Insgesamt summieren sich die Leasingverpflichtungen zum Geschäftsjahresende 2016 bei allen untersuchten Unternehmen auf rund 135 Milliarden Euro. Gut 52 Prozent davon entfielen alleine auf die Dax30-Konzerne, weitere 19 Prozent auf M-Dax-Unternehmen. Besonders hoch sind die Schulden in den Sektoren Handel (24,2 Milliarden Euro), Transport und Verkehr (21,3 Milliarden Euro) und Telekommunikation (19,8 Milliarden Euro).

Das verwundert nicht, haben doch gerade diese Branchen vom Leasing bisher viel Gebrauch gemacht: So leasen beziehungsweise mieten die meisten Handelskonzerne die Verkaufsflächen für die Shops, Logistiker leasen große Auto- oder Flugzeugflotten und Telekomunternehmen die Flächen, auf denen ihre Sendemasten stehen, deren Zahl in die Zigtausende geht.

Ebenfalls hoch sind die Leasingverbindlichkeiten in anderen Branchen. Bei Finanzdienstleistern und Autokonzernen bewegen sich die Leasingschulden im Bereich von 11 Milliarden Euro, die Sektoren Industriegüter- und Dienstleistungen, Gesundheit, Konsumgüter mit Einzelhandel sowie Grundstoffe weisen außerbilanzielle Leasingverpflichtungen zwischen 5 und 7 Milliarden Euro aus.

Telekom hat rund 17 Milliarden Euro Leasingschulden

Sieht man sich konkret die einzelnen Unternehmen an, wird schnell deutlich, wer am meisten mit IFRS 16 zu kämpfen haben wird (siehe Tabelle). Die Deutsche Telekom wies 2016 mit 16,5 Milliarden Euro die höchsten Leasingschulden aus. Im Vergleich zum Geschäftsjahr 2015, wo sie noch bei über 21 Milliarden Euro lagen, haben sie sich aber schon reduziert. Der Konzern arbeitet bereits seit einigen Jahren an einer Lösung, um den Umstellungsaufwand zu stemmen. Mit deutlichem Abstand auf den weiteren Rängen folgen der Möbelproduzent Steinhoff International mit 9,8 Milliarden Euro, die Deutsche Post mit 8,2 Milliarden Euro, Metro mit etwa 7,5 Milliarden Euro und Volkswagen (5,8 Milliarden Euro) sowie die Deutsche Bahn (5,6 Milliarden Euro).

Bloomberg

Verdreifachung der Finanzschulden durch IFRS 16

Auf Basis dieser außerbilanziellen Leasingschulden hat die HSH Nordbank die Auswirkungen auf andere Kennzahlen berechnet. Addiert man die berechneten IFRS-16-Schulden zu den übrigen ausstehenden Finanzschulden, so zeigt sich, dass einigen Branchen ein starker Anstieg der ausgewiesenen Finanzverschuldung droht. Im Sektor Konsumgüter mit Einzelhandel rechnet die HSH Nordbank mit einer Verdreifachung der Finanzschulden.

Bei Touristikunternehmen und Hotelbetreibern werden die Schulden um knapp 120 Prozent ansteigen. Der prozentual drittstärkste Anstieg wird mit etwas über 80 Prozent bei Handelsunternehmen zu finden sein. In den anderen Branchen ist der Effekt wesentlich geringer, bei Transport und Verkehr sind es noch etwa 40 Prozent, bei Gesundheit 31 Prozent. Andere Sektoren landen gar im niedrig zweistelligen oder einstelligen Bereich.

Diesen negativen Effekten stehen allerdings auch positive gegenüber, denn da die Leasingverhältnisse künftig nicht mehr als Mietaufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst werden, steigt das operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda). Die Berechnungen zeigen allerdings, dass diese positiven Effekte die negativen nur jeder zweiten Branche ausgleichen. In anderen Fällen steigt der Verschuldungsgrad Net Debt zu Ebitda trotz eines höheren Gewinns deutlich an:  Bei Konsumgüterproduzenten wird der Verschuldungsgrad um 0,93 Punkte ansteigen, im Bereich Freizeit und Tourismus sowie Handel liegt die Verschlechterung bei 0,67 Punkten. Da der Verschuldungsgrad bei den meisten großen deutschen Unternehmen grob zwischen 1x und 3x Ebitda liegt, sind diese Aufschläge durchaus signifikant.

IFRS 16 senkt Eigenkapitalquote signifikant

Auch die Eigenkapitalquote wird IFRS 16 zum Teil spürbar verändern, am negativsten in der Branche Konsumgüter und Einzelhandel, wo sie sich im Schnitt um 8,4 Prozentpunkte zu verschlechtern droht. Im Handel sind es 6 Prozentpunkte, bei Freizeit und Tourismus sowie Gesundheit 4 Prozentpunkte.

Obwohl sich durch den bilanziellen Ausweis von Leasingverhältnissen an der Bonität der Unternehmen de facto nichts ändert, könnte die Einführung von IFRS 16 die Bonitätsbeurteilung vor allem der Banken verzerren und die Ratings der Unternehmen negativ beeinflussen, fürchtet die HSH Nordbank.

Während die meisten Ratingagenturen – allen voran Standard & Poor’s sowie Moody’s – die außerbilanziellen Finanzschulden schon jetzt bei ihren Ratings berücksichtigen, sehe es bei Banken anders aus. Hier raten die Autoren den CFOs, ihre Banken möglichst schnell zu informieren und gegebenenfalls die Kreditverträge anzupassen, damit die Einführung von IFRS 16 nicht zu einem Bruch der Covenants führt.

julia.schmitt[at]finance-magazin.de

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Es herrscht viel Bewegung bei den internationalen Bilanzierungsregeln IFRS. Welche Neuerungen gibt es, welche Unternehmen sind besonders betroffen und wie gehen CFOs die Umstellungen am besten an? Bleiben Sie auf dem Laufenden mit der FINANCE-Themenseite zu IFRS.

Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.