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VfB Stuttgart: Träumerei am Abgrund

Die Verzweiflung von Ex-Trainer Alexander Zorniger hat den ganzen Klub erfasst. Der VfB Stuttgart verliert auch wirtschaftlich den Anschluss.
picture alliance / Avanti-Fotografie

Der VfB Stuttgart hangelt sich von einem knapp vermiedenen Totalschaden zum nächsten. Sportlich droht nach zwei nur knapp überstandenen Abstiegskämpfen jetzt schon die dritte Zitterpartie hintereinander. Und auch wirtschaftlich kann der einst vor Finanzkraft strotzende Traditionsklub seine strukturelle Schwäche nur noch mit größtem Bemühen einigermaßen kaschieren.

Die Geschäftszahlen für das abgelaufene Jahr sind fast genauso kraftlos wie die aktuellen Leistungen auf dem Platz. So ging der Umsatz des VfB 2014 gegenüber dem ebenfalls schon schwachen Vorjahr um weitere 7 Millionen auf nur noch 107,7 Millionen Euro zurück – und das in einer Phase, in der die Bundesliga boomt und viele VfB-Konkurrenten steigende Einnahmen verbuchen können. Doch selbst diese Umsatzgröße schaffte der VfB nur durch den Verkauf des kein einziges Mal für die VfB-Profis aufgelaufenen Nachwuchsstars Joshua Kimmich an Bayern München.

Obwohl der Transfer erst Anfang 2015 über die Bühne ging, verbuchte der neue VfB-Finanzchef Stefan Heim die Ablösesumme von 8,5 Millionen Euro noch im Jahresabschluss 2014. Möglich wurde das, weil der VfB die Rückkaufsoption, die er sich bei Kimmichs Wechsel zu RB Leipzig einräumen ließ, gar nicht erst einlöste und Kimmich anschließend weiterverkaufte, sondern diese Option direkt an den FC Bayern weiterreichte.

Ohne den noch schnell vor Jahresende eingetüteten Kimmich-Transfer wäre der VfB-Umsatz wahrscheinlich sogar auf unter 100 Millionen Euro abgesackt. Das hatte es zuletzt im Jahr 2008 gegeben. Dies relativiert auch den Jahresgewinn von knapp 900.000 Euro, der bei vielen VfB-Mitgliedern als wirtschaftliche Trendwende herüberkam. Ohne das Optionsgeschäft mit den Bayern hätte der VfB das Jahr 2014 mit einem Verlust abgeschlossen, der sich nahtlos in die Fehlbeträge der Jahre 2012 und 2013 eingereiht hätte, als der VfB mit einem Minus von 9,7 beziehungsweise 3,1 Millionen Euro abschloss. Genau dieser Abwärtstrend hatte sich schon vor einem Jahr abgezeichnet.   

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Der VfB kommt nicht vom Fleck

(Umsatz in Mio. €)

Quelle: VfB Stuttgart

Der VfB rasiert vier Häuptlinge

Die Flaute beim VfB ist in erster Linie auf die völlig fehlende Umsatzdynamik zurückzuführen. Der Vorstand hofft jetzt, mit einem Umbau der Geschäftsstelle eine „erfolgreiche Entwicklung“ anstoßen zu können. Von den (recht üppigen) neun Top-Posten im Management wurden vier gestrichen. Und im branchenweit immer wichtiger werdenden Marketing- und Merchandising-Geschäft gilt auf der VfB-Geschäftsstelle jetzt der neue Ansatz „Alles aus einer Hand“, was Raum lässt für gewisse Zweifel an der Sinnhaftigkeit der vorherigen Managementstruktur. Als bislang größte Leistung des neu aufgestellten Vertriebsteams gilt aber nach wie vor die Wiedereinführung des roten Brustrings auf den VfB-Trikots in diesem Sommer.  

An Potential, mehr zu erreichen, mangelt es dem VfB freilich nicht. Beispiel: Ein Klub wie Eintracht Frankfurt – vom Umsatz her rund 15 Prozent kleiner als der VfB, Abstand schrumpfend – nimmt mit Merchandisingartikeln pro Jahr rund 6 Millionen Euro ein. Der VfB weist für die konsolidierten Tochtergesellschaften einen Umsatz von 4,4 Millionen Euro aus. Davon entfällt der Großteil auf das Merchandisinggeschäft, aber alles in allem dürften das keine 4 Millionen im Jahr sein. Dabei gehört der VfB in Sachen Fanbasis zu den größten und populärsten Klubs in Deutschland. Der im Sommer umgebaute zentrale Fanshop allein wird nicht reichen, um die Lücke zu den Konkurrenten zu schließen.

Auch bei der Vermarktung der Logen und Business-Seats im Stadion ist noch Luft nach oben. Doch das seit Jahren schwache sportliche Abschneiden hat die Preissetzungsmacht des VfB gegenüber seinen Edelfans sicher nicht gestärkt. Dass die Schwaben es trotzdem schaffen, insgesamt 35 Millionen Euro an Marketingeinnahmen im Jahr hereinzuholen, ohne dass sie davon Provisionen an externe Vermarktungspartner weiterreichen müssen, zeigt, dass die Marke VfB mehr hergibt als das, was das Management gegenwärtig aus ihr herausholt.

Der VfB lebt von seinen stillen Reserven

Allerdings weiß jeder Unternehmer, was für eine Kärrnerarbeit es ist, durch eine bessere Positionierung der Marke die Umsätze nach oben zu treiben. Bis solche Vorhaben Früchte tragen, gehen Jahre ins Land. Und oft genug steht am Ende des Wegs statt des erhofften Aufschwungs nur eine diffus gewordene Markenbotschaft, weil im hektischen Bemühen um ein neues Image der Markenkern verwässert wurde.

Anders als Industriekonzerne haben Fußballklubs natürlich immer noch die Möglichkeit, durch gute Jugendarbeit und eine clevere Kaderzusammenstellung die Transfererlöse in die Höhe zu treiben. Doch nach Jahren des sportlichen Niedergangs, geprägt von einem höheren Personalverschleiß als bei „Deutschland sucht den Superstar“, hat sich ein Großteil der stillen Reserven im Spielerkader verflüchtigt.

In diesem Jahr wird Finanzchef Heim dank der im Sommer erfolgten Trennung von Leistungsträgern wie Antonio Rüdiger und Sven Ulreich noch einmal nahezu 10 Millionen Transfererlöse verbuchen können. Aber per saldo wird der Transfergewinn nicht steigen, denn es stehen auch schon rund 6 Millionen Euro für Neuverpflichtungen zu Buche, die Gebühren für Spielerberater nicht eingerechnet. Das ist etwas mehr als im vorigen Jahr, als der VfB laut Heim 5,2 Millionen Euro am Transfermarkt ausgab. Und echte Kronjuwelen finden sich im Kader des VfB nun nicht mehr, abgesehen vielleicht von Stürmer Timo Werner. Das lässt eine weitere Umsatzstagnation in den Jahren danach erwarten.

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Der VfB Stuttgart zehrt an seiner Substanz

(Jahresergebnis und Vereinsvermögen in Mio. €)

Quelle: VfB Stuttgart

Neu-CFO Stefan Heim zieht die Spendierhosen an

Also müsste der VfB eigentlich an die Kosten ran. Doch da bläst Heim völlig überraschend zum Marsch in die genau entgegengesetzte Richtung. „Unsere Personalkosten sind jetzt dreimal in Folge gesunken. Das können, werden und wollen wir nicht mehr tun. Die Personalkosten müssen wieder nach oben“, fordert ausgerechnet der oberste Kassenwart. Heim ist der Meinung, dass der VfB „nur dann wieder sportlichen Erfolg haben kann, wenn die Personalkosten nach oben gehen“. Eine ähnliche Strategie fuhr in den vergangenen Jahren der Hamburger SV – mit bescheidenem Erfolg.

Diese Heim’sche Variante der „Geld schießt Tore“-These ist freilich nicht so ganz sattelfest, wie der Finanzer sie vorträgt. Der VfB selbst widerlegt sie derzeit auf überzeugende Weise. Hertha BSC, das clevere Mainz 05, der 1.FC Köln, von den beiden Aufsteigern FC Ingolstadt und Darmstadt 98 ganz zu schweigen: Eine ganze Reihe von Bundesligaklubs rangiert in der aktuellen Tabelle trotz zum Teil erheblich geringerer Personalausgaben meilenweit vor den freigiebigen Schwaben.

Der VfB lebt auf großem Fuß

Und man kann auch beileibe nicht behaupten, dass der VfB sich die Hand vom Mund abspart. Der Klub hat 2014 rund 42 Millionen Euro für Spielergehälter ausgegeben. Das sind tatsächlich gut 5 Millionen Euro weniger als in den vergangenen Jahren. Aber das vermeintliche Sparregime sieht strikter aus, als es ist: Zwischen 2011 und 2014 sind die Spielergehälter beim VfB um 11 Prozent zurückgegangen, der Umsatz ist im gleichen Zeitraum aber ebenfalls gesunken, und zwar um 8 Prozent. Das Delta ist nicht besonders groß.

Und weil der VfB ja nicht nur kickendes Personal beschäftigt, sondern auch noch eine ganze Menge anderer Angestellter, beliefen sich die kompletten Personalausgaben im letzten Jahr auf 57 Millionen Euro – nur unwesentlich weniger als in den Jahren davor. Relativ zum Umsatz kommt der VfB damit auf eine Personalkostenquote von 53 Prozent. Das liegt über dem Bundesligaschnitt von 45 bis 50 Prozent und noch stärker über den Budgets der umsatzstarken Spitzenklubs, deren Personalkostenquote tendenziell eher in der Nähe von 40 Prozent liegt.

Wenn die VfB-Führung jetzt wieder mehr Geld in den Spielerkader pumpen möchte, müsste sie eigentlich auch erklären, wie sie das gegenfinanzieren will. Aus eigener Kraft – siehe oben – wird das dem VfB kaum gelingen. Und so erinnert der Schwaben-Klub in diesen Tagen frappierend an Griechenland: Beide leben auf zu großem Fuß, erklären aber nonchalant die darauf zurückzuführende Sparpolitik zur Mutter allen Übels.

Warum der VfB nicht annähernd so viel wert ist wie der BVB

Und wie in Griechenland soll auch beim VfB die für die Ausgabenpläne nötige Geldspritze von außen kommen. Seit Jahren schon treibt das Management die Ausgliederung der Profiabteilung voran, um anschließend „strategische Investoren“ an einer VfB-AG zu beteiligen. Die Anhänger sind von dieser Strategie noch nicht so recht überzeugt, die für eine Ausgliederung nötige Zustimmung von 75 Prozent der Mitglieder ist nicht in Sicht. In zahlreichen Regionalkonferenzen will die VfB-Führung die Fans jetzt davon überzeugen, dass ihr Kurs doch der richtige ist. Der nächste mögliche Abstimmungstermin ist die Mitgliederversammlung im nächsten Spätsommer.

Glaubt man Stuttgarter Presseberichten, sind die Preisvorstellungen der Kluboberen für den Fall einer Ausgliederung sportlich. Mindestens 80 Millionen Euro für 25 Prozent der Anteile – das ist dem Vernehmen nach das erhoffte Preisschild. Damit würde der VfB mit stolzen 320 Millionen Euro bewertet werden – nicht schlecht für einen Abstiegskandidaten.

Zum Vergleich: Der höher als der VfB verschuldete Hamburger SV wurde bei den Anteilskäufen durch diverse Unternehmer – allen voran Klaus-Michael Kühne – zuletzt mit 250 bis 260 Millionen Euro bewertet. Der Bayern-Verfolger Nummer Eins Borussia Dortmund bringt es aktuell auf einen Börsenwert von rund 370 Millionen Euro. Abzüglich des Nettofinanzguthabens von 30 Millionen Euro liegt der augenblickliche Unternehmenswert des BVB mit 340 Millionen Euro fast genau bei dem, was der VfB wert sein soll.

Und wie sieht der Kennzahlenvergleich zwischen den beiden angeblich gleich wertvollen Traditionsklubs BVB und VfB aus? Der BVB erwirtschaftet ohne Transfererlöse und -aufwendungen einen Umsatz von rund 260 Millionen Euro, wovon ein Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von knapp 45 Millionen Euro hängen bleibt. Beim VfB sind es 98 Millionen Euro Umsatz und vermutlich unter 10 Millionen Euro Ebitda. Der VfB-Kader hat einen aktuellen Marktwert von 70 Millionen Euro, der BVB-Kader kommt auf mehr als 300 Millionen Euro. Wenn sich da einmal die Wertkalkulation der VfB-Bosse nicht als ähnlich überdreht erweist wie das wilde Pressing des gescheiterten VfB-Trainers Alexander Zorniger.     

Info

Risikokurs bei Eintracht Frankfurt, Finanzmisere beim 1.FC Nürnberg und erste Zeichen der Vernunft beim Hamburger SV: Mehr Beiträge finden Sie auf dem FINANCE-Blog „3. Halbzeit“. Folgen Sie der 3. Halbzeit auch auf Facebook und diskutieren Sie mit.