Fragen über Fragen: Zwei Wochen sind ins Land gezogen, und noch immer herrscht Unklarheit darüber, warum Compugroup Medical ausgerechnet wegen Transaktionskosten für einen nicht zustande gekommenen M&A-Deal die Gewinnprognose für das zweite Halbjahr kassieren musste.
Einen umfangreichen Fragenkatalog von FINANCE zu den Hintergründen des geplatzten Deals und zu der Höhe der Kosten ließ das Koblenzer Healthcare-IT-Unternehmen so gut wie unbeantwortet. Vor allem aber eine Antwort auf die Frage, wie Transaktionskosten entstehen können, die letztlich sogar die Gewinnprognose zu Fall bringen, bleibt die Compugroup dem Kapitalmarkt hartnäckig schuldig.
Compugroup glänzt mit Zurückhaltung
Das einzige, was das Unternehmen anlässlich der Gewinnwarnung bekanntgab, war, dass es sich bei dem M&A-Target um einen außereuropäischen Wettbewerber gehandelt habe – und dass für die Prüfung inklusive einer Due Diligence ein „niedriger zweistelliger Millionenbetrag“ angefallen sei.
Die zusätzlichen Antworten der Compugroup auf den FINANCE-Fragenkatalog fallen ähnlich knapp aus: Die Gespräche inklusive der Prüfungen hätten etwa vier Monate gedauert, die Ausgaben im Rahmen des M&A-Prozesses seien für „übliche Beraterkosten“ angefallen – als Beispiel nennt ein Unternehmenssprecher Kosten für mandatierte Investmentbanken, eine Rechtsberatung, für Wirtschaftsprüfer und für Kommunikationsberater.
Ein Teil der Transaktionssumme (2 Millionen Euro) belastete das zweite, der „überwiegende Rest“ das dritte Quartal. Die Ebitda-Prognose für das Gesamtjahr liegt nun nur noch zwischen 175 und 190 Millionen Euro. Davor erwartete die Compugroup einen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen zwischen 190 und 205 Millionen Euro.
Nichtsdestotrotz setzen die Koblenzer weiterhin auf ihr M&A-Programm: Man habe „schon immer“ und werde auch weiterhin „sinnvolle und attraktive“ M&A-Targets prüfen, denn „Wachstum auch durch Akquisitionen gehört zu unserer Strategie“.
Hat Compugroup zu viel für M&A bezahlt?
Während Compugroup sich zur exakten Höhe der Transaktionskosten ausschweigt, schätzt Kurt Woller, Analyst der Baader Bank, die Summe auf 15 Millionen Euro. Mit dieser Information geht das Rätselraten weiter, denn nicht einmal M&A-Berater können sich solch hohe Ausgaben für einen gescheiterten Small- beziehungsweise Midcap-Deal erklären.
„Natürlich fallen Kosten für eine Due Diligence an, ebenso wie Start-Fees für Berater“, leitet der erste von FINANCE zu dem Fall befragte M&A-Berater ein. Ihre finalen Honorare erhielten die Berater allerdings erst, wenn die Transaktion erfolgreich sei. Er schätzt die Einstiegskosten auf einige Hunderttausend Euro. „Besonders mit Blick auf den Compugroup-Umsatz von 717 Millionen Euro im vergangenen Jahr kann die geplante Transaktion kein Riesen-Deal gewesen sein“, resümiert der Berater.
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Selbst mit einer etwas großzügigeren Rechnung erreiche man aber keine 15 Millionen Euro an Transaktionskosten, ist ein zweiter M&A-Berater überzeugt: „Auf der Buyside summieren sich 0,8 bis 1 Prozent der Dealsumme für Beraterkosten. Je nach Größenordnung der Transaktion können das 1,5 bis 3 Millionen Euro sein.“ Für eine Financial und eine Tax Due Diligence könne man nochmal jeweils 1,5 Millionen Euro veranschlagen. So gelange man maximal auf einen mittleren einstelligen Millionenbetrag. Fehlen noch knapp 10 Millionen Euro zu Wollers Schätzung.
Verbirgt sich mehr hinter der Gewinnwarnung?
Indes: Gerade bei internationalen Deals können sich Transaktionskosten schnell noch weiter aufsummieren: „Ausgaben für kartellrechtliche Anmeldungen und Prüfungen können teuer sein und werden daher oft bis kurz vor dem Closing noch als Wagnis angesehen“, berichtet ein M&A-Berater.
Doch auch vor diesem Hintergrund erscheinen die von Compugroup beschriebenen Transaktionskosten für einen Deal mit einem zwei- bis dreistelligen Millionenvolumen immer noch sehr hoch – vor allem eingedenk der Tatsache, dass mangels Abschluss keine oder nur minimale Success Fees geflossen sein dürften.
Zwei Theorien könnten die Diskrepanz möglicherweise erklären: Zum einen könnte es sein, dass die Koblenzer einen weitaus größeren Wettbewerber übernehmen wollten, also einen transformatorischen Deal anstrebten. In diesem Fall könnte die Höhe der Kosten angemessen sein. Allerdings wirft diese Theorie die Folgefrage auf, ob die Compugroup nach einem erst spät abgebrochenen potentiellen Mega-Deal nicht erst recht den Kapitalmarkt besser hätte informieren müssen.
Das zweite Szenario fällt weniger zugunsten der Koblenzer aus: In diesem resultiert die kassierte Gewinnprognose nicht nur aus dem gescheiterten M&A-Deal, sondern aus zusätzlichen ergebnisbelastenden Faktoren. Angefallene Transaktionskosten ließen sich leichter als Sonderkosten deklamieren als beispielsweise Preisdruck oder aus dem Ruder gelaufene Herstellungs- und Logistikkosten.
Auf das nächste Zahlenwerk der Compugroup, das am 7. November kommen soll, dürften viele Investoren mit großem Interesse hin fiebern – und es mit spitzem Bleistift nach Spuren durchsuchen, ob wirklich nur ein geplatzter M&A-Deal die Gewinnwarnung des IT-Anbieters ausgelöst hat.
Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.