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Risiko Adressenausfall

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Präzedenzfall: Der Kollaps von Lehman Brothers machte Adressenausfallrisiken greifbar.
Lehman Brothers

Die permanenten Krisen der vergangenen Jahre haben das Thema Kontrahentenrisiko bei Derivategeschäften auf die Agenda gehoben. Einer aktuellen Studie von SCI und Fitch Solutions zufolge herrscht unter den professionellen Marktteilnehmer Konsens, dass ein effektives Risikomanagement bei Derivategeschäften unerlässlich ist. „Vier Fünftel der befragten Marktteilnehmer gaben an, dass die Bedeutung des Managements von Kontrahentenrisiken in den vergangenen zwei Jahren gestiegen ist. Für fast jedes zweite Institut hat es inzwischen sogar Top-Priorität“, sagt Thomas Aubrey, Managing Director bei Fitch Solutions.

Bei der Bewertung von primären Finanzinstrumenten, wie etwa Anleihen, ist die Berücksichtigung des Adressenausfallrisikos in Form eines Credit Spreads seit je her selbstverständlich. Bei marktüblichen Bewertungsmethoden für OTC Derivate wurde die Berücksichtigung von Kontrahentenrisiken bislang jedoch regelmäßig vernachlässigt. Das ändert sich nun. Die Anpassung der Bewertung von Derivaten um Adressenausfallrisiken ist sowohl ökonomisch motiviert als auch der Bankenregulierung geschuldet: Nach dem Vorschlag der EU-Kommission soll künftig nicht nur – wie bislang – der Ausfall einer Gegenpartei aus einem OTC-Derivategeschäft mit Eigenkapital unterlegt werden, sondern eben auch das Risiko einer Kreditverschlechterung (sog. Credit Value Adjustment Risk, CVA Risk).

Offener Dialog zwischen Bank und Kunde

Inzwischen beobachten aber nicht nur Banken ihre Kontrahentenrisiken genauer, sondern auch CFOs oder Treasurer aus der Realwirtschaft. „Das Thema ist Gegenstand eines offenen Dialogs zwischen Unternehmen und Kreditinstitut. Die Kunden hinterfragen mittlerweile genau das Geschäftsmodell und die Bilanzposition ihrer Bankengruppe. In der Vergangenheit hat das kaum jemand interessiert“, sagt Heinz Hilger, Leiter Corporate Banking bei der Bank of Amerika Merrill Lynch in Deutschland.

In der Praxis steckt aber – wie so oft – der Teufel im Detail: Vor allem die Beschaffung relevanter Daten ist schwierig – insbesondere von kleineren Kontrahenten, über die in der Regel wenig bis gar keine Informationen zu bekommen sind. Eine praktikable Lösung in solchen Fällen ist es, das Exposure entweder konsequent zu monitoren oder eben gar keine Geschäfte mit diesen Kontrahenten einzugehen. Bei großen Banken, deren CDS-Spreads gehandelt werden, ist die Informationslage zwar besser. Allerdings ist die Aussagekraft der Indikatoren mit Vorsicht zu genießen.

Indikatoren mit eingeschränkter Aussagekraft

„CDS-Spreads von Finanzinstituten notieren zurzeit mit einem erheblichen Premium, weil sich jeder gegenüber diesem Sektor absichern will“, sagt Takayoshi Wiesner, Assistant Vice President beim Bankhaus Mizuho. Neben verzerrten Notierungen führt das auch zu einer extrem hohen Volatilität. Der iTraxx Europe Senior Financials beispielsweise, der 25 erstrangige Finanzadressen repräsentiert, schwankte in den vergangenen neun Monaten zwischen 180 und 350 Punkten. Unternehmen, die ihre Kontrahentenrisiken sehr strikt anhand von CDS-Levels managen, fliegen bei dieser Volatilität früher oder später die Geschäftspartner weg.

Prinzipiell haben sich CDS-Spreads als Risikoparameter inzwischen aber durchgesetzt. Fast 70 Prozent der von SCI und Fitch Solutions befragten Risikomanager ziehen entweder einzelne CDS-Spreads oder CDS-Indizes als Risikoindikatoren heran. Für ein Viertel der befragten Studienteilnehmer decken die zurzeit gehandelten CDS den Markt aber nur unzureichend ab. „Für viele Kontrahenten aus den Emerging Markets und aus dem Unternehmenssektor gibt es gar keine CDS“, sagt Catherine Downhill, Senior Director bei Fitch Solutions. Deshalb käme in der Praxis stets ein Mix verschiedener Risikoindikatoren zum Einsatz, so Downhill. Neben CDS-Spreads und Ratings auch Unternehmens- und Liquiditätskennzahlen.

andreas.knoch[at]finance-magazin.de

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