Eigentlich sollten die Gläubiger der beiden Ekosem-Agrar-Mittelstandsanleihen ihr Geld 2017 und 2018 wiedersehen. Doch daraus wird zunächst nichts. Denn das deutsch-russische Agrarunternehmen will die Laufzeiten seiner beiden Anleihen lieber verlängern und bittet die Gläubiger jetzt um ihre Zustimmung.
Die Laufzeiten der Bonds mit einem Kupon von 8,75 Prozent beziehungsweise 8,5 Prozent und einem Gesamtvolumen von 128 Millionen Euro sollen nach dem Vorschlag von Ekosem um 4 Jahre verlängert werden, sodass die Auszahlung erst 2021 beziehungsweise 2022 erfolgen würde. Die Zinssätze blieben unverändert.
Der Hintergrund: Mit der Verlängerung möchte Ekosem seine „finanzielle Flexibilität erhalten“, um das derzeit laufende Investitionsprogramm abzuschließen, erklärt Wolfgang Bläsi, CFO und CEO der Ekosem Agrar, in einer kurzfristig anberaumten Telefonkonferenz. Ekosem hatte in den vergangenen Jahren in seine Milchviehanlagen investiert, diese sind aber bislang noch nicht voll ausgelastet. Das Investitionsprogramm habe sich aufgrund der krisenbedingt erschwerten Finanzierungsbedingungen verzögert, so Bläsi.
Cashflows von Ekosem Agrar bleiben hinter Erwartungen
Die erschwerten Finanzierungsbedingungen betreffen insbesondere die Banken Russlands, die unter den westlichen Sanktionen leiden und ihre Kreditvergabe daher eingeschränkt haben. Hinzu kommen ein sehr niedriger Milchpreis sowie Währungseffekte, die Ekosem zu schaffen machen und die Geschäftszahlen eintrüben. Die Geschäftszahlen für das Jahr 2015 sind noch nicht veröffentlicht, Bläsi verriet aber, dass das Geschäft operativ schwächer lief als im Vorjahr. Der Jahresüberschuss wird positiv sein, aber kleiner als 2014, wo er 17,4 Millionen Euro betrug.
Mit der unvollständigen Auslastung er Milchviehanlagen haben sich auch die Cashflows nicht so entwickelt wie erwartet. Die Rückzahlung der Anleihen aus den Cashflows, wie es ursprünglich angedacht war, kann deswegen nicht mehr stattfinden. Und auch andere früher angedachte Refinanzierungsmaßnahmen kommen nicht mehr in Frage. Vor rund einem Jahr war noch von einem möglichen IPO die Rede, der 2015 stattfinden sollte. Dieser hätte bis zu 100 Millionen Euro in die Kassen spülen sollen. Auch Refinanzierungen am High-Yield-Markt waren eine Option.
Ekosem muss weiterhin hohe Zinsen zahlen
Ekosem Agrar habe verschiedene Möglichkeiten diskutiert, doch leider festgestellt, dass derzeit alle Refinanzierungen mit Russlandbezug am internationalen Kapitalmarkt schwierig sind, so Bläsi. Hinzu kämen die derzeit hohen Risikoaufschläge. Eine weitere Option, nämlich ein Wachstumsstopp oder ein Verkauf von Assets sei auch nicht in Frage gekommen, da das eindeutig ein Rückschritt sei. „Wir halten eine Verlängerung der Laufzeiten der Mittelstandsanleihen deshalb jetzt für den richtigen Weg. Er gibt uns die Flexibilität, die Dinge zu Ende zu bringen“, sagte der Geschäftsführer.
Für Ekosem ist dieser Weg dennoch eine teuer erkaufte Lösung, denn das Unternehmen muss somit bis 2022 hohe Zinsen von über 8 Prozent zahlen. Die Gläubiger dürfen sich über eine gute Verzinsung freuen, sind allerdings – sofern sie nicht verkaufen wollen – vier weitere Jahre an eine Anleihe gebunden.
PwC glaubt an den Plan von Ekosem
Ekosem rechnet damit, in den kommenden Jahren die Auslastung zu steigern und die Mittelstandsanleihen aus den Cashflows aus dem Milchgeschäft zurückzuzahlen. Um die Gläubiger davon zu überzeugen, dass das eine realistische Annahme ist, hat Ekosem ein Gutachten bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC in Auftrag gegeben. Dieses bestätigt Ekosems Annahmen. Als wesentliche Treiber sieht PwC die erwartete Steigerung von Umsatz und Profitabilität durch die Vollauslastung der Anlagen ab 2018 sowie den Abbau der übrigen Verbindlichkeiten und die damit einhergehende Reduzierung der Finanzierungskosten.
Ekosem wird aktuell von Creditreform mit einem Rating von B- bewertet. Da die Zinsen und die Rückzahlung der Anleihen in Euro erfolgt, die Cashflows des Konzerns jedoch in Rubel generiert werden, bestehen Währungsrisiken zu allen Zahlungsterminen, schreibt die Ratingagentur als Begründung. Die Gläubiger können sich aber schon jetzt auf eine Abstimmung auf voraussichtlich CCC einstellen, wie Bläsi vorwarnt. Die Abstufung kommt daher zustande, dass eine Verlängerung von Creditreform wie ein Ausfall gewertet werde.
Und wenn die Gläubiger ablehnen?
Die Gläubiger müssen bis zum 19. Februar abstimmen, ob sie mit einer Verlängerung einverstanden sind. Sollten sie sich dagegen entscheiden, muss Ekosem eine andere Lösung finden. Eine Rückzahlung der Anleihen zu den derzeitigen Fälligkeitsterminen sei aus heutiger Sicht grundsätzlich möglich, würde jedoch die Entwicklung der Ekosem-Gruppe deutlich bremsen, heißt es. „Grundsätzlich bestehen Refinanzierungsmöglichkeiten über Bankdarlehen, sonstige Fremdfinanzierungsinstrumente oder auch über zusätzlich aufzunehmendes Eigenkapital. Darüber hinaus könnten Finanzmittel aus der Desinvestition von Vermögenswerten generiert werden, was strategisch jedoch ein klarer Rückschritt wäre“, so Bläsi.
Wie die Bondgläubiger selbst auf die Vorschläge reagieren, ist am Kurs der Mittelstandsanleihen noch nicht ablesbar. Die Börse Stuttgart hat beschlossen, den Handel des Papiers für heute auszusetzen – ein Indiz dafür, dass zumindest starke Kursschwankungen erwartet werden.
Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.