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Steinhoff-Skandal: Banken ziehen Kredite zurück

Die Liquiditätssituation bei Poco ist angespannt. Trotz 11 Milliarden Euro Finanzschulden gab es bislang offenbar kein professionelles Cash Management bei dem Möbelkonzern.
Steinhoff International

Nach dem Bilanzskandal versucht der südafrikanisch-deutsche Möbelkonzern Steinhoff mit einer Transparenzinitiative das Vertrauen der Investoren wiederzugewinnen. Das an der Frankfurter Börse notierte Unternehmen veröffentlichte soeben die Präsentation, die Manager des Unternehmens am heutigen Dienstag vor den kreditgebenden Banken halten. Daraus geht hervor wie dramatisch die Lage der Poco-Mutter ist – und wie dilettantisch der Konzern bisher sein Finanzmanagement betrieben hat.

Demnach hatte Steinhoff bislang keinen Überblick über den Cashflow der einzelnen operativen Einheiten des Firmenkonglomerats. Die erst vor wenigen Wochen an Bord geholten Berater von Alix Partners hätten nun einen 13-wöchig rollierenden Cashflow-Forecast eingeführt, um die Transparenz zu erhöhen, heißt es weiter. Gleichzeitig appellierte das Management an seine Kreditgeber, man benötige weiter Unterstützung, „um den Wert für alle Stakeholder zu erhalten“.

Liquiditätslage von Steinhoff ist angespannt

Die Liquiditätslage von Steinhoff ist offenbar angespannt: Auf Gruppenlevel herrsche große Unsicherheit, weil viele operative Einheiten bei der Finanzierung des Working Capital von der Mutter abhängig seien. Inzwischen würden Gläubiger jedoch zunehmend ihre Kreditlinien zurückziehen, und auch Kreditversicherer kürzen ihre Deckungen, heißt es in der Präsentation. In welchem Umfang ließ Steinhoff offen.

Wie dramatisch die Lage ist, zeigt sich auch daran, dass Steinhoff seine Cash Pools ausgesetzt hat. Über dieses Instrument leihen sich Tochterunternehmen untereinander Geld und optimieren so die Innenfinanzierung. Rechtlich ist dieses Konstrukt aber nicht ohne Risiko, denn die Geschäftsführer der einzelnen Einheiten müssen sicherstellen, dass alle teilnehmenden Tochtergesellschaften über ausreichend Liquidität verfügen, um ihren Cash Pool-Verbindlichkeiten nachzukommen. Andernfalls drohen den Geschäftsführern Haftungsforderungen. Die Abschaltung des Cash Pools ist daher in vielen Fällen eine Vorsichtsmaßnahme vor einer drohenden Insolvenz.

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Steinhoff hat mehr als 10 Milliarden Euro Schulden

Der sorglose Umgang mit Cash ist vor allem deshalb erschreckend, weil die Steinhoff-Gruppe nach eigenen Angaben insgesamt 10,7 Milliarden Euro Schulden vor sich herträgt. Mit 8,6 Milliarden Euro fällt der ganz überwiegende Teil der Finanzschulden auf die europäischen Tochtergesellschaften des Möbelkonzerns, wie aus der Bankenpräsentation hervorgeht.

Davon entfallen 800 Millionen Euro auf eine bis 2025 laufende Unternehmensanleihe und 770 Millionen Euro auf einen Schuldschein. Beide Papiere wurden von der in Österreich ansässigen Treasury-Gesellschaft Steinhoff Europe AG emittiert, die Dokumentation basiert aber auf deutschem Recht. Über Steinhoff Europe laufen auch syndizierte Kredite, die im Gesamtvolumen von 2,6 Milliarden Euro gezogen sind. Hinzu kommen bilaterale Linien über 550 Millionen Euro. FINANCE-Informationen zufolge sind nahezu alle Instrumente gleichrangig („pari passu).

Zudem hat Steinhoff noch drei Wandelanleihen am Markt, die sich gemeinsam auf ein Volumen von 2,7 Milliarden Euro belaufen. Sie wurden direkt von der Steinhoff-Europe-AG-Mutter, der in Österreich ansässigen Finanzholding, begeben. Für alle Papiere und Kredite garantiert die in den Niederlanden ansässige Gruppen-Holding. Das Firmenkonglomerat des Möbelkonzerns ist damit ähnlich komplex und undurchsichtig wie die Finanzierung.

Moelis und Linklaters entwirren Steinhoff-Finanzen

Besonders bitter für die Gläubiger: Nahezu die gesamte Finanzverschuldung ist Steinhoff zufolge unbesichert. Die gute Nachricht: Die Dokumentation enthält außerdem eine sogenannten Negativerklärung. Damit sichert der Schuldner zu, dass er künftigen Gläubigern keine Kreditsicherheiten zur Verfügung stellen wird.

Bei der Erfassung der Verschuldungssituation und der Vorbereitung des Kreditgeber-Meetings wurde die Steinhoff-Finanzabteilung von den Experten der Investmentbank Moelis und der Kanzlei Linklaters unterstützt.

In der vergangenen Woche hatte Steinhoff außerdem seinen Geschäftsbericht für 2016 zurückgezogen. Wann das Unternehmen die korrigierten Zahlen vorlegen wird, vermag das Management noch nicht zu sagen. Ebenfalls unklar ist, ob Finanzberichte aus den Vorjahren korrigiert werden müssen und wann die Zahlen für 2017 veröffentlicht. Den Umfang der Bilanzunregelmäßigkeiten untersuchen jetzt die Forensikexperten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC. Sie hätten damit begonnen, Informationen zu sammeln, Daten zu sichern und sich mit "wichtigen Personen" zu treffen, so Steinhoff.

Steinhoff bekommt neue Interims-Führung

Die Ergebnisse des heutigen Bank-Meetings hat Steinhoff noch nicht bekannt gegeben. Dafür hat der Konzern eine neue Führungsspitze ernannt: Nachdem der Hauptaktionär, Aufsichtsratsvorsitzende und Übergangschef Christo Wiese seinen Rückzug angekündigt hatte, soll der bisherige Chef des Tagesgeschäfts, Danie van der Merwe, vorerst den Vorstandsvorsitz des Möbelhandels-Konzerns übernehmen. Weiterhin im Amt bleibt CFO Ben La Grange.

Wiese hatte den CEO-Posten ebenfalls nur wenige Tage inne. Er übernahm für Markus Jooste, der Anfang Dezember nach Bekanntwerden des Bilanzskandals zurückgetreten war.  Vergangenen Donnerstag hatten die Banken Wiese jedoch dazu gezwungen, aus seinem Vermögen rund 100 Millionen Steinhoff-Aktien zu einem Kurs von 48 Cent zu verkaufen. Wiese hatte daraufhin angeboten, sein Amt zur Verfügung zu stellen.

Der südafrikanische Einzelhandelskönig hält nun nur noch 20,5 Prozent an Steinhoff und machte ein erhebliches Verlustgeschäft: Der Aktienkurs des Möbelriesen war innerhalb weniger Tage um fast 90 Prozent eingebrochen als bekannt wurde, dass Steinhoff die Bilanzen geschönt haben soll. 20 Milliarden Euro Börsenwert wurden zerstört. Zuletzt hatte sich der Kurs wieder etwas erholt. Nach Veröffentlichung der Präsentation am Nachmittag brach der Aktienkurs von Steinhoff wieder um 20 Prozent ein.

desiree.backhaus[at]finance-magazin.de

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